Ein Mythos aus Trümmern

Diese Frauen hat es laut Historikerin Leonie Treber gar nicht gegeben: „Trümmerfrauen“ in der Ruine des Gemeindehauses der Apostelkirche im Jahr 1949. | Foto: Archiv Apostelkirche
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  • Diese Frauen hat es laut Historikerin Leonie Treber gar nicht gegeben: „Trümmerfrauen“ in der Ruine des Gemeindehauses der Apostelkirche im Jahr 1949.
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Bei den Eröffnungen der Ausstellungen im Frohnhauser Kunstraum Notkirche ist immer wieder von den „Trümmerfrauen“ zu hören, die am Wiederaufbau der Kirchengebäude nach dem Krieg beteiligt waren. Doch nun stellt die Historikerin Leonie Treber (34) in ihrem Buch „Mythos Trümmerfrauen“ die These auf: Gab es gar nicht. Alles nur Legende. Der Begriff sei erst Jahre später aufgekommen. Der LOKALKOMPASS fragte beim Frohn­hauser Heimatforscher R­­obert Welzel nach.

„Mir liegen natürlich keine statistischen Angaben darüber vor, ob Frauen bei der Trümmerbeseitigung in Frohnhausen oder Essen eine besondere Rolle gespielt haben“, gibt Robert Welzel, der sich intensiv mit der Essener Geschichte beschäftigt hat, zu. Allerdings: „Zeitzeugen haben uns aus Anlass des 50. Notkirchengeburtstages 1999 u. a. auch vom „Steineklopfen“ berichtet. Um die eigene Wohnung instand zu setzen, wurden von der ganzen Familie auf Trümmergrundstücken Steine gesucht. Erlaubt war das laut unserer Zeitzeugen auf fremden Grundstücken nicht. Die Kinder mussten aufpassen, damit man nicht von der Polizei erwischt wurde.“

Zeitgenössische Beiträge aus der Zeitung berichten nach Recherchen von Robert Welzel über den von der Stadt Essen initiierten „Schuttehrenräumdienst“, der im Herbst 1948 anlief, ohne die „Trümmerfrauen“ ausdrücklich zu erwähnen:

„Der Schutträumehrendienst ist angelaufen. 11.000 Mann haben sich bereits freiwillig gemeldet. Einen gewissermaßen offiziellen Auftakt fand die Räumdienst am Mittwochabend gegenüber vom Bahnhof Essen-West, vor der Industrieberufsschule an der Stelle, die mit ihren Trümmern schon immer ein Stein des Anstoßes war. Die Essener Ratsherren mit Oberbürgermeister Dr. Heinemann schwangen hier zum erstenmal für drei Stunden die Schippen. Wie das des Oberbürgermeisters Art ist: Er macht nicht viel Worte, wenn nicht viel zu sagen ist. Er zog seine Rock aus und fing an. Die Kämpen in vielen Redeschlachten um das städtische Wohl und Wehe taten das gleiche. Schiedlich und friedlich CDU neben SPD. Die Trümmer haben vieles gleichgemacht.“ (Rheinische Post, 18.9.1948).

„Vor vier Wochen begannen der Oberbürgermeister und die Essener Ratsherren mit der Enttrümmerung des Vorplatzes der Industrieberufsschule am Bahnhof Essen-West. Als sie die Schaufeln aus der Hand legten, nahmen die Berufsschüler sie auf. Seither haben die Schüler den hiesigen Schuttberg bis auf einen geringen Rest, der bald verschwunden sein wird, abgetragen.“ (Rheinische Post, 20.10.1948).

„Aus dem im August 1948 gestarteten Schutträum-Ehrendienst ist inzwischen eine Schutträum-Selbsthilfeaktion geworden. Es hat sich herausgestellt, daß nur dann und nur dort gearbeitet wird, wo ein persönliches Interesse vorhanden ist ... Wenn die Trümmerräumung bei einem Monatsdurchschnitt von 50.000 cbm verbleibt, wird Essen in 18 Jahren trümmerfrei sein.“ (NRZ, 20.10.1949).

Besonders auch mit der Geschichte der Frohnhauser Apostelkirche hat sich Heimatforscher Robert Welzel intensiv beschäftigt:
„Die Apostel-Notkirche war von ihrem Architekten Otto Bartning als Bausatz konzipiert, an dessen Aufstellung zur Kostenersparnis die Gemeindeglieder tatkräftig mithelfen mussten. Wie die Fotografien des Jahres 1949 belegen, haben hier tatsächlich vor allem Frauen, ältere Männer und Jugendliche mitgeholfen.“

Ein Bericht in der Rhein-Ruhr-Zeitung vom 26. Januar 1949 bestätigt dies: „Die Gemeinde muß selbst zwei Dinge tun, nämlich die Trümmer von dem Fundament des Gemeindesaales in Selbsthilfe entfernen, die Ziegelsteine putzen und die Umfassungsmauern selbst aufrichten. Je schneller der Schutt weg ist, desto eher wird die Notkirche stehen. Täglich von 8 Uhr bis zur Dunkelheit wird darum ab sofort aufgeräumt, und freiwillige Kräfte aus der Gemeinde, Jugend, Männer und Frauen, werden mithelfen.“

DER KOMMENTAR

Es ist schon erstaunlich, mit welchen windigen Thesen Doktor-Arbeiten und Bücher verfasst werden:
„Mythos Trümmerfrauen“ und Autorin Leonie Treber (34) stellen also die These auf: „Trümmerfrauen“ sind nur das Ergebnis einer Legendenbildung.
Gab es gar nicht. Etwa so wie Außerirdische.
Zeitzeugen, die sich noch gut an die schwere Arbeit und zerschundene Hände erinnern können, sehen dies freilich etwas anders.
Es mag ja sein, dass der Begriff „Trümmerfrauen“ erst Jahrzehnte später aufgekommen ist. 1948 hieß das noch „Steineklopfen“ oder „Schuttehrenräumdienst“.
Doch die Trümmerfrauen sind damit noch lange kein Mythos oder eine Legende, die einen solchen Buchtitel im Ansatz rechtfertigen würden.
Historisch Interessierte dürfen sich wundern, dass damit Doktor-Arbeiten erstellt werden können, um anschließend akademische Titel zu tragen.

HISTORISCHE AUFNAHMEN

Sie haben historische Aufnahmen, die die Existenz von Trümmerfrauen belegen? Dann haben Sie unter diesem Beitrag die Möglichkeit, diese hochzuladen und um ein paar Zeilen erklärenden Text zu ergänzen.

Autor:

Frank Blum aus Essen-Süd

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