Dichtung und Wahrheit
Die drei Tode des Doktor Faust
Etwa 20 km südlich von Freiburg weist auf der A5 in Richtung Basel eine braun-weiße Unterrichtungstafel auf die Fauststadt Staufen im Breisgau hin.
Der historische Faust wurde um 1480 im baden- württembergischen Knittlingen (Enzkreis) geboren und fand 1539 in Staufen sein Ende. Doch wie starb die berühmteste Gestalt der deutschen Literatur tatsächlich? Es gibt drei Versionen.
Version1) Der Tod des historischen Faust
Der historische Faust besaß keinen akademischen Titel. Er hatte nie eine Universität von innen gesehen, galt aber trotzdem als eine der schillerndsten Persönlichkeiten seiner Zeit.
Als erhoffter Retter in der (finanziellen) Not holte Freiherr Anton von Staufen ihn in das Breisgauer Städtchen, weil die Silberbergwerke im benachbarten Münstertal nicht mehr viel abwarfen. Faust galt- nach seiner Eigenwerbung - als tüchtiger Alchimist. Als der Burgherr nach einiger Zeit ohne das versprochene Gold ungeduldig wurde und ihn bedrängte, verschätzte sich Faust vermutlich mit den eingesetzten Chemikalien und sprengte sich dabei selbst in die Luft. Heute würde man sagen, dass er bei einem Laborunfall starb.
Aber mit solch einem unwürdigen Ende wollte sich der Volksglaube nicht abfinden lassen.
Version 2) Fausts Tod in der Volkssage
Mit seinem Tod wurde aus dem Teufelskerl Faust der Teufelsbündner Faust. Und so kundet noch heute auf der Fassade des Gasthauses zum Löwen , in dem Faust logierte und experimentierte, ein Fresko vom Ende des Universalgenies. Im 3. Stock des Gasthauses soll Mephisto höchstpersönlich nach Ablauf des 24 jährigen Paktes dem nach Erkenntnis strebenden Magier das Genick gebrochen und seine Seele der ewigen Verdammnis übereignet haben. Mit dieser unheimlichen Volkssage ließ es sich besser werben. Schnell war ein vermeintlicher Fußabdruck des Teufels auf einer Treppe gefunden und mit dem Tod des historischen Faust wurde der literarische Faust und der Faust der Volkssage geboren.
Version 3) Der Tod des literarischen Faust
Bei Goethe darf Faust 100 Jahre alt werden. Sein friedliches Ende wird in Faust II beschrieben. Mephisto ist sich bewusst, dass Faust stirbt und gibt den Lemuren den Auftrag, Fausts Grab zu schaufeln. Der erblindete Faust glaubt jedoch, diese würden einen Deich errichten, um Land für die Besitzlosen zu gewinnen. Faust sieht in diesem seinem letzten Projekt seine Vision einer friedlichen Menschengemeinschaft umgesetzt und glaubt, dass ihm damit ein Platz im Gedächtnis der Nachwelt sicher ist . Er spricht die Schwurformel aus und möchte damit Mephisto gleichzeitig überlisten, indem er den Konjunktiv benutzt, so dass er die Wette mit Mephisto nicht verliert. ("Zum Augenblick dürft ich sagen: verweile doch, du bist so schön.") Danach stirbt er.
Mephisto will sich Fausts Seele dennoch sichern und wartet vor dessen Grab. Den Engeln gelingt es jedoch, Mephisto abzulenken, so dass sie Fausts Seele mit sich nehmen können.
Auch diese Version wäre zu wenig spektakulär gewesen, um Fausts Ende heutzutage vermarkten zu können. Da hält man sich lieber an Version zwei- den Volksglauben- wo es dem Teufel spektakulär gelingt, Fausts Seele in Staufen zu holen. Damit kann man die Produkte der Region (Wein, Sekt, Schnäpse und Liköre) mit Szenen aus der Faust-Sage etikettieren und vermarkten. Noch heute führt der leibhaftige Mephisto die Touristen zu den vermeintlichen Orten, an denen Faust sein Ende gefunden haben soll und lässt sie erschauern.
Und vielleicht hat der Besucher das Glück und kann in "Auerbachs Kellertheater" oder auf der Burgruine , die über dem Städtchen thront, Karten für eine Faustaufführung erwerben.
Aber auch ganz ohne Faust ist Staufen ein bezauberndes Städtchen im Dreiländereck, wo man kulturell, kulinarisch und durch die Naturschönheiten im Markgräfler Land oder an den Schwarzwaldhängen auf seine Kosten kommt.
P.s.: Dass zu einem Sachverhalt, wie z.B. zum Tode des Doktor Faust, mehrere Versionen kursieren, ist heute fast Standard. Man spricht dann von Fake News, die die Grundlagen für Verschwörungstheorien bilden. So gesehen ist das hier angeführte Beispiel ein 500 Jahre alter Vorgänger dieser "Umdichtung" der Wahrheit.
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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