Beliebte und unbeliebte Schließmuskel
Magische medizinische Magneten
Zu den unbeliebtesten Körperöffnungen gehört zweifelsohne der Darmausgang, ein gesellschaftlicher Outsider mit diskriminierender verbaler Bewertung, obwohl er anatomisch gesehen das logische Pendant zum Darmeingang ist, der kann jederzeit ungeschützt in den Mund genommen werden. Beide haben eine wesentliche Gemeinsamkeit, sie sind von kräftigen Schließmuskeln umgeben. Beide Darmöffnungen ziehen übrigens Ärzte seit Alters her magisch an, da sie relativ leicht die Chance bieten, einen Blick in das geheimnisvolle Innere des Körpers zu werfen, um Krankheiten zu entdecken.
Der Mastdarm und der Klassiker
Auch die größten deutschen Klassiker haben sich mit ihnen rumgeschlagen. Ja, sie sogar populär gemacht. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie, 2. Akt, 3. Szene, da schrecken Schillers „Räuber“ doch tatsächlich nicht vor rückwärtiger sexueller Gewalt zurück. Die präzisen anatomischen Ausdrücke verraten des Dichters wahre Profession. Er war studierter „Regimentsmedicus“, sprich Militärarzt. Und auch Goethe war da nicht kleinlich, obwohl er es nur zum Studienabbrecher in der Medizin gebracht hatte, nimmt doch sein „Goetz von Berlichingen“ kein Blatt vor den Mund und wird zum sprichwörtlichen Bestandteil der Weltliteratur! Kein Wunder: „Er möge mich am Nasenloch...“ hätte wohl kaum die gewünschte Wirkung gezeigt.
Dabei sind, anatomisch betrachtet, beides Körperöffnungen – mit dem Unterschied, dass die Nase keinen Schließmuskel hat. Den gibt es sozusagen exemplarisch am Darmausgang, aber eben genau so gut am Darmeingang alias Mund. Doch dieser schwebt in höheren Sphären, will mit seinem Pendant aber auch nicht das Geringste zu tun haben, verständlich „Du A...!“
Künstlermuskeln
Woran liegt’s? Während die Analmuskulatur relativ eintönig klingt, schafft es der Mund auf die Bühne, singt dort Arien und deklamiert Monologe, begleitet vom Szenario der gesamten Mimik: Freude, Verzweiflung und Glück. Die perioralen Muskeln sind die Künstlermuskeln schlechthin. Und ach, die Lippen! Boten der Liebe sind sie. Wo sie sich zum Kusse öffnen, wird mancher Anbeter schlichtweg unmündig.
Proktologe kommt nicht von prokeln
Dennoch ist medizinisch der Darmausgang interessanter. Schon im alten Ägypten war der erste Arzt, Imhotep, kein Psychotherapeut, nein Proktologe, genauer gesagt Hüter des „Ausganges des Pharao“ und schon damals eine lohnende Lebensstellung. Denn da unten ist seit Menschen Gedenken immer etwas zu richten insbesondere bei hohen Herren mit thronender Tätigkeit – sei es nun Obstipation, blutende Hämorrhoiden oder schmerzhafte Analthrombosen. Alles auch heute noch sehr aktuell.
Magen-Öffnungszeiten
Übrigens es gibt noch mehr Schließmuskel im Verlauf des Magen-Darm-Traktes, alle mit lukrativen Verschlussproblemen. Marktführer ist der Mageneingang- er soll den Ruckfluss von Magensäure verhindern-, denn ansonsten kommt es zu dem unangenehmen Sodbrennen. Der Kollege am Magenausgang, der Magenpförtner, hat auch manchmal Mucken und verpennt schon mal die vorgeschriebenen Magen-Öffnungszeiten prompt plagen uns Völlegefühl und Aufstossen, Symptome des sog. Reizmagens.
Auch die Iris ist ein Schließmuskel
Alle Röhren, die nach Außen führen haben einen Schließmuskel, so auch die Harnröhre, um die sich weitere Äskulapjünger, die Urologen kümmern. Gleich nebenan schauen die Gynäkologen der Gebärmutter auf den Mund, übrigens der stärkste aller Muskeln. Kein Vergleich mit den zart klimpernden Augenlidern oder einer betörenden Iris, auch sie gehören zur Familie der Schließmuskel.
Multitalent Kehlkopf
Nur die Nase und die Ohren haben keine Schließmuskel. Kein Wunder, wenn es bei einem „Zu viel um die Ohren“ zu einer Art Selbstschutz kommt: Hörsturz! Dann sind die HNO Ärzte gefragt, auch zuständig für den schwächsten, aber talentiertesten aller Schließmuskel, den Kehlkopf. Ein „Organ“, das Opernbesucher verzaubern, Gesprächspartner aber tief verletzen kann. Eins wird immer klarer: Ohne Schließmuskel ginge die gesamte Kultur in die Hose.
Autor:Dr. Helmut Förster aus Essen-West |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.