„Trotz Krise weiter stabil“ Interview mit Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit
Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, zieht Bilanz für 2012.
Trotz Euro-Krise und Staatverschuldung ist der Arbeitsmarkt 2012 nicht eingebrochen. Warum nicht?
Weise: Es gibt zwei Hauptgründe: Die weiter sehr gut laufende Exportwirtschaft und die gute Binnennachfrage.
Wie hat sich die Arbeitslosigkeit 2012 entwickelt?
Weise: Im Vergleich zu 2011 hat sie nur wenig abgenommen. In der ers¬ten Jahreshälfte gab es spürbare Rückgänge, in den letzten Monaten wurde der Abstand zu den Zahlen des Vorjahres kleiner. Das liegt vermutlich an der Verunsicherung von Unternehmen, die angesichts der wirtschaftlichen Aussichten vorsichtig bei Einstellungen geworden sind.
Wie hoch ist der Fachkräftemangel geblieben und in welchen Berufen war er besonders groß?
Weise: Noch haben wir keinen flächendeckenden Fachkräftemangel, sondern Engpässe in bestimmten Branchen und Regionen. In der Wirtschaft werden rund eine Million Stellen angeboten, von denen etwa die Hälfte ungewöhnlich lange unbesetzt bleiben - vor allem in Gesundheitsberufen, vielen technischen Berufen und der Metallverarbeitung.
Bleibt der Fachkräftemangel ein Problem?
Weise: Er wird es erst noch. Denn die demografische Entwicklung schlägt ja erst bis 2020, 2025 voll durch. Was die Unternehmen jetzt erleben, sind erste Vorboten.
Es gab viele Ausbildungsstellen in 2012, von denen viele nicht besetzt wurden. Warum?
Weise: Die Unternehmen beklagen sich über nicht ausbildungsfähige Jugendliche. Es fehle an Grundfähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, dazu an Tugenden wie Pünktlichkeit und Lernwillen. Manche scheinbar unattraktive Ausbildungsstelle bleibt auch unbesetzt, etwa Metzger und Bäcker.
Können Sie das verstehen?
Weise: Verstehen schon, aber weil in diesen Berufen der Nachwuchs fehlt, kann ich nur empfehlen, gerade über so einen Weg nachzudenken. Es gibt praktisch eine Arbeitsplatzgarantie und im Handwerk optimale Möglichkeiten, sich selbstständig zu machen.
In welchen Berufen hatten Arbeitssuchende 2012 die größten Chancen auf eine Anstellung.
Weise: Bis auf den öffentlichen Dienst und das Banken- und Versicherungsgewerbe haben alle Branchen Stellen aufgebaut. Die besten Chancen gab es in metallverarbeitenden und sozialen Berufen.
Wie sehen die Perspektiven für 2013 auf dem Arbeitsmarkt aus?
Weise: Es wird unsicherer. Die Risiken durch die Eurokrise bleiben, auch die wirtschaftliche Entwicklung auf den Exportmärkten lässt sich schwer einschätzen. Unsere Wissenschaftler rechnen mit einem Plus von etwa 40.000 Arbeitslosen im Jahresschnitt. Wenn 2013 gut läuft, werden wir eine Seitwärtsbewegung am Arbeitsmarkt haben: Bei hoher Dynamik, also vielen Zu- und Abgängen, wird sich die Zahl der arbeitslosen Menschen nur wenig verändern. Und es gibt weiter viele Chancen für Menschen, die bereit sind, sich zu qualifizieren, denn die Zahl der offenen Stellen bleibt auf einem hohen Niveau.
Autor:Lokalkompass Empfehlungen aus Essen-Süd |
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