Lang, lang ist`s her - Goldfieber hat Finnlands Wildmark ergriffen (RRZ Montag, 7. November 1949)

Das Goldfieber grassiert in dem finnischen Lappland. Der Goldstreifen erstreckt sich über eine Länge von 200 Kilometern. Der Goldrausch von Klondyke scheint sich hier in allen Einzelheiten zu wiederholen.

500 Kilometer nördlich vom Polarkreis liegt das neue Goldgebiet. Drei Monate im Jahr kann hier nach Gold gegraben und gewaschen werden, dann zwingt der harte Winter zum Einstellen der Arbeit. Das Hauptgebiet der Goldsucher liegt längs des nach Osten fließenden Flusses Lemenjoki bis zum Inaresee, aber das ganze Goldgebiet reicht von der norwegischen bis zur russischen Grenze, in einem Bogen von Karesjoki bis Jauri.

Das Gebiet, das noch vor kurzer Zeit unberührte Wildmark war, ein Paradies der Bären und Wölfe, hallt heute wider vom Gelärm der Goldgräber. Sie arbeiten mit ganz primitiven Werkzeugen, ähnlich denen, die vor 100 Jahren benutzt wurden. 5 Gramm Gold ist die Mindestausbeute am Tage, wenn sich die Arbeit lohnen soll, der größte Fund ist ein Goldklumpen von 167 Gramm. Gewöhnlich kommt das Gold in Körnern von etwa einem halben Gramm vor, es hat 20 bis 22 Karat, ist also von guter Qualität.

Rund 200 Goldgräber arbeiteten in diesem Jahr am Lemmenjoki. Die Spaten und Hacken klapperten, die Sprengschüsse dröhnten und die goldhaltige Erde raschelte gegen die Siebe. Ab und zu pfiffen auch andere Schüsse durch die Gegend, denn die Bären haben ihre Herrschaft hier oben noch nicht aufgegeben, sie betrachten die Menschen als unwillkommend. Eindringlinge in ihr Paradies oder als zusätzliche, abwechslungsreiche Ernährung. Neben jedem Goldgräber liegt die Büchse bereit. Nachts heulen die Wölfe um die Bretterbuden und Zelte.

Mit Flugzeug und Autobus legt man die erste Etappe zu den Goldfeldern zurück. In wenigen Stunden fliegt eine Maschine von Helsinki nach Rovaniemi. Von hier geht es im Postauto nach Ivalo und Enare. Jetzt sind es nur noch 50 Kilometer zu den Goldfeldern.
Aber hier beginnen die Strapazen. Lappen in ihren prächtigen Blusen und ihren vierspitzigen Hüten stellen sich als Führer zur Verfügung. Zuerst geht es flussauf den Lemmenjoki mit einem kleinen Boot mit Außenbordmotor, über gefährliche Stromschnellen und mit der Sorge, an Felsblöcken leck geschlagen zu werden. Zeitweilig wird das Wasser so flach und schwierig, daß man das Boot über einen Kilometer schleppen muß, ehe die Fahrt weiter gehen kann. Die letzten 20 Kilometer müssen zu Fuß zurückgelegt werden, kletternd, rutschend, über Steilhänge, glatte Felsen, kleine Wasserläufe und dornige Hecken.

Eine einzige Frau wohnt unter den Goldgräbern. Sie kocht für eine Gruppe, deren Chef ihr Mann ist. Jede Woche erhält sie von jedem Mann ihre Bezahlung nur in reinem Gold. Sie organisiert das Heranschaffen der Lebensmittel, das mit Hilfe von Renntieren auf der 80 Kilometer langen Strecke von Ivalo erfolgt. „meine Goldgräber sind Ehrenmänner“, sagt sie, „keiner ist mir etwas schuldig geblieben und keiner tritt mir zu nahe.“
Der Geldschrank des Goldgräbers ist seine leere Schnapsflasche. Das ausgewaschene Gold kommt sofort da hinein. Die Flasche hängt ständig am Gürtel und aus ihr wird bezahlt, wie man anderswo aus der Geldtasche seine Zahlungsmittel nimmt. Ist die Flasche voll, dann wird sie an eine sichere Stelle vergraben und eine andere Flasche tritt an ihre Stelle.

Ein Goldwäscher in Lappland schuftet wie ein Hund, lebt noch schlechter und ist mindestens 10 Stunden am Tage an seiner Arbeit. Er gräbt und wäscht, leitet das Wasser um, sprengt immer wieder und immer wieder. Dabei hält er ein Akkordtempo, zu dem ihn nichts treibt, als die Hoffnung, eines Tages eine reiche ergiebige Goldader zu finden. Bricht die Dunkelheit herein, dann kriechen die Männer in ihre Zelte, oft ohne sich auszukleiden und schlafen, das Gewehr im Arm, vor Erschöpfung ein. Mit der Dunkelheit erlischt das Leben in der Goldgräbersiedlung fast schlagartig.
Hie oben gibt es keine „Bar“ mit Frauen und Schnaps, das berühmte Requisit jeden Goldgräberfilms. In den drei Monaten, in denen man hier arbeiten kann, hat niemand dafür Zeit.

Als in diesem Jahr die Winterstürme hereinbrachen mit Eis und Schnee und unvorstellbarer Härte, gerade da fand eine Gruppe von vier Goldgräbern eine Goldader von großer Ergiebigkeit. In dem ersten Wintersturm flogen 15 Zelt davon, wurden zerfetzt und fanden sich nicht wieder. Über einer Gruppe von 10 Goldgräbern brach eine Holzbaracke zusammen. In aller Eile mußte das Lager abgebrochen werden, die Goldsuchersaison war zu Ende. Nur die Glücklichen mit ihrer neuen Goldader konnten sich nicht entschließen, daß Gebiet zu verlassen. Sie wühlten den Schnee von ihrem Platz fort und wollten noch zwei Wochen weiter arbeiten. Soeben traf in Helsinki die Nachricht ein, daß alle vier im Schneesturm den Tod gefunden haben.

Autor:

Ursula Hickmann aus Essen-Süd

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