Bunker unter dem Moltkeviertel wird dicht gemacht
Das Auffälligste ist der Silo neben dem Robert-Schmidt-Berufskolleg. Er gibt einen Hinweis auf die Mengen an Füllmaterial, die seit Wochen in die unterirdische Bunkeranlage im Moltkeviertel gepumpt werden. Es gilt, die Tunnel, die allmählich verwittern, zu verfüllen, so dass man oberirdisch zwar nicht unbedingt ein Hochhaus direkt darauf bauen darf, aber doch weiterhin über die Moltkestraße fahren kann, ohne plötzlich den Boden unter den Reifen zu verlieren.
Normalerweise gilt "Betreten verboten" - außer für die Mitarbeiter der GbE Grundbau Essen GmbH sowie für Vertreter der Oberfinanzdirektion NRW und der Bau- und Liegenschaftsbetriebe NRW. Doch im Rahmen eines Pressetermins wird eine Ausnahme gemacht. Die wäre fast noch gescheitert, denn über die vorgeschriebene Ausrüstung (Sicherheitsschuhe, Helm usw.) verfügt der heimische Kleiderschrank nicht. Aber dann stehen wir doch vor dem Tunneleingang in der Grünanlage nahe der Schnutenhausstraße.
Nicht mehr standsicher
Bernhard Wunderlich von der Bauabteilung der Oberfinanzdirektion NRW in Münster geht voran, erklärt vor dem Betreten aber noch ein Messgerät, das er in den Bunkergängen stets eingeschaltet bei sich trägt. Es warnt zum Beispiel vor erhöhten Kohlenmonoxidwerten mit einem Piepton. Quasi der Kanarienvogel 2.0. Überhaupt wird auf Sicherheit geachtet. Zwar ist das Tunnelsystem unter dem Moltkeviertel kein Labyrinth und den Verantwortlichen gut bekannt, dennoch ist Vorsicht angeraten. "So ein Bunker ist immer eine Black Box", sagt Wunderlich.
Während in den Bäumen über uns Elstern mit einem Bussard streiten, gehen wir in den 2 Meter breiten und bis zu 2,50 Meter hohen Tunnel. Dass er einem niedriger vorkommt, liegt an der dicken Matsche auf dem Boden, aber auch an dem Helm, der größer macht.
Zunächst geht es abwärts, später flach weiter, etwa 350 Meter. Trotz weniger Kurven und Abzweigungen verliert man schnell die Orientierung: "Sind wir jetzt unter dem Berufskolleg?" - "Nein, ganz am anderen Ende."
War am Eingang noch der Atem zu sehen, ist es tiefer im Bunker deutlich wärmer, was aber auch am frischen Füllmaterial liegt. Den Wärmeeffekt kennt man von Renovierungsarbeiten zu Hause.
Abgesehen von matschig ist es im Tunnel natürlich dunkel - und leer. Nur an wenigen Stellen sieht man GbE-Mitarbeiter, dennoch geht die Verfüllung gut voran. Durch extra verlegte Kunststoffrohre wird das flüssige Material in die Schächte gepumpt, wo es aushärtet. Die - preiswerten - Rohre bleiben einfach drin. "Verlorene Rohre nennt man das", erklärt Wunderlich. Vom Berufskolleg aus arbeitet man sich bis in Richtung Tennisplätze vor.
Anlage entstand erst 1944/45
Die Anlage ist während des 2. Weltkrieges für den Schutz der Bevölkerung gebaut worden, jedoch sehr spät, nämlich ab 1944. Zur Fertigstellung 1945 war der Krieg fast schon vorbei. Wer aber größere Aufenthaltsräume etc. erwartet hat, wird enttäuscht. Über 650 Meter führen einfach nur Tunnelgänge unter dem Moltkeviertel entlang, abgesehen von einem größeren Raum, vielleicht für Maschinen gedacht.
"In der Hinsicht sind alle gleich"
Bernhard Wunderlich sowie Ulrich Reckinger vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW nötigt die Anlage dennoch Respekt ab. Man müsse bedenken, dass bei ihrem Bau viele Fachleute an der Front waren, viele Vorschriften außer Kraft gesetzt, da es nur noch um Schnelligkeit ging: "Wenn man sieht, wie exakt vieles angelegt ist, fragt man sich, wie haben die das damals gemacht?"
Wenig Respekt hegen sie für ungebetene Besucher von heute, die - Stichwort Urban Exploring - in stillgelegte Anlagen wie diese eindringen, um zu fotografieren. Was eher unspektakulär ausfällt, wofür der Bunker unter dem Moltkeviertel ("Schreiben Sie das ruhig!") beispielhaft sei, betont Reckinger: "Da ist nix drin. Und in der Hinsicht sind die alle gleich."
INFOS:
Insgesamt 650 Meter lang sind die Tunnelröhren unter dem Moltkeviertel. Sie sind 2 Meter breit und bis zu 2,50 Meter hoch. 3.000 Kubikmeter Füllmaterial werden hineingepumpt, bis zum Herbst soll das abgeschlossen sein.
Gefüllt wird der Hohlraum, damit es nicht zu Einstürzen kommt und auf der Moltkestraße weiterhin gefahren werden kann. Damit ist aber nicht gesagt, dass größere Neubauten über dem Tunnelsystem möglich wären. Das müsste im Einzelfall geprüft werden, betonen die Verantwortlichen des Landes NRW.
Autor:Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig |
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