Bürger-Reporter des Monats August: Uwe Norra

Uwe Norra und der Wanderfalke...
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Uwe Norra ist in Selm zuhaus und hat ein Herz für die Natur. Als "vogelkundlicher Reiseleiter im Ruhestand" lädt er gelegentlich auch Bürger-Reporter zur Vogelkunde-Tour. Im ausführlichen Interview erzählt Uwe uns nicht nur von sich, sondern auch von seinen Ansichten über Menschen, Tiere und das Leben im Allgemeinen.

1. Stellen Sie sich kurz vor: Wer sind Sie?

Na gut, ich fange mal vorne an. Obwohl meine Mutter sich eine Ute wünschte wurde aus mir ein Uwe. Mein erster Spitzname war "Norra der Säufer". Den gaben mir die Säuglingsschwestern im Krankenhaus gleich nach meiner Geburt. Weil ich beim Trinken immer so gierig war, dass mir schlecht wurde und ich mich übergeben mußte. Erst dann war ich erschöpft genug, um gestillt zu werden.

In gewissem Sinne ist das meine Einstellung zum Leben. Ich mag es unmittelbar und direkt. Auch wenn mir manchmal davon schlecht wird. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Fernsehsessel zu sitzen und zu konsumieren, was andere mir vormachen. Lieber lasse ich mir selbst was einfallen.

Von Beruf wurde ich Polizeibeamter. "Mein Freund, ich helf dir gleich." Mit der Einstellung, ich übe ein Amt aus. Und wenn ein Bürger gegen ein Gesetz verstoßen hat, haben wir zusammen ein Problem zu behandeln. Was mich immer wieder überraschte, wenn selbst Ganoven, denen Knast drohte, sich bei mir bedankten, sie wären noch nie so menschlich behandelt worden. An der Stelle nochmal der erhobene Finger des Schutzmannes: Leute, was den menschlichen Umgang miteinander betrifft, da geht noch was, da kann man mehr draus machen!

Weil, wie viele wissen, wurde ich Frührentner mit der post-traumatischen Belastungs-Störung durch übermäßige erzieherische Gewalt der Eltern. Und da ich nicht vom Opfer zum Täter wurde, worauf ich stolz bin, bin ich aber auf jeden Fall an einer menschlicheren Gesellschaft interessiert.

2. Warum sind Sie beim Lokalkompass?

Ganz einfach: Weil es mir großen Spaß macht!!! Rolf Prothmann, Naturfotograf, Buchautor, Bürgerreporter und "Schmetterlingsorni" aus Lünen hat mich im letzten Jahr immer wieder auf interessante Beiträge im Lokalkompass hingewiesen. Bis es bei mir "Klick" gemacht hat. Da habe ich mich dann im Oktober 2011 hier angemeldet und bin langsam in das Forum reingewachsen.

Dazu muß ich was sagen: Nach meiner Pensionierung hatte ich als naturkundlicher Reiseleiter noch ungefähr 40 Reisen zwischen Alaska und Borneo geführt. Dann ging es gesundheitlich nicht mehr, so zu reisen. Und wo ich inzwischen auch Pressesprecher der NABU-Ortsgruppe Selm bin, baue ich auf den "Freund und Helfer" und auf meine Reiseleiter-Erfahrungen auf und sage scherzhaft: Ich bin vogelkundlicher Reiseleiter im Ruhestand und als solches froh, auf dem Lokalkompass noch gebraucht zu werden und Anerkennung zu finden. Ich bin da tatsächlich sehr froh über die positiven Reaktionen, die immer wieder kommen. Dafür sage ich: Herzlichen Dank.

3. Was schätzen Sie an Ihrer Heimatstadt?

Mein erster Dienstort als junger Polizeibeamter war die Altstadtwache in Düsseldorf. Von da wurde ich nach wenigen Jahren nach Lünen versetzt, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Mit der Versetzung war es an der Zeit, einen eigenen Hausstand zu gründen. Als Wohnungssuchender hatte ich Angebote in Waltrop, Lünen und Selm. Heute bin ich sehr zufrieden, mich für Selm als Wohnort entschieden zu haben. Selm ist ja ein Bindeglied zwischen Ruhrgebiet und Münsterland. Ich sag mal so. Durch meine Reisen hatte ich viele Kontakte in der halben Welt. Entsprechend hier auch Besuch aus Nepal, Israel, Kanada und anderen fernen Ländern. Um es mit einem Professor der Universität von Winnipeg/Manitoba zu sagen, dem ich zusammen mit seiner Frau unsere Gegend zeigte. Wir haben hier so viel zu bieten, dass er mir empfahl, Reisen für kanadische Dozenten hierhin anzubieten.

Selm ist klein und groß genug, um hier gut zu leben. Die Verkehrsanbindungen sind in alle Himmelsrichtungen fast optimal. Und wir haben hier eben die bestmögliche Mischung: Wasserschlösser im Münsterland. Mit Mooren, Seen, Wäldern und Flüssen. Um an der Stelle das Europareservat Rieselfelder Münster als Top-Vogelschutzgebiet besonders zu nennen. Auf der anderen Seite sind es aber auch nur ab 25 Kilometer bis in die Herzen der Großstädte des Ruhrgebiets zu fahren. Mit dem Schiffshebewerk in Henrichenburg und dem Bergbaumuseum in Bochum. Um eben auch nur wieder ein paar der Ziele beim Namen zu nennen.

Jedenfalls war es dann auch, wie durch meine außereuropäischen Gäste etwas über die vielen Möglichkeiten und Vorzüge von Selm und seiner näheren Umgebung zu erfahren. Urstromtal der Lippe, Kultur, Industrie, Natur, größte Städte und kleinste Dörfer, naturräumliche Gliederungen mit Borkenberge und Sauerland, Stauseen, den Möhnesee als Mahnmal der Kriegserinnerungen, und und und. In Selm wohne ich ruhig und brauche nur eben kurz mit dem Fahrrad los, um alles wesentliche zu erreichen. Und im Umland gibt es unendlich viele Möglichkeiten, die Abwechslung bieten. Das hat schon Qualität.

4. Was ist Ihr liebstes Thema?

Natur im Allgemeinen. Und die Natur des Menschen im Besonderen. Meine speziellen Sachen sind Kultur-Evolution und Kultur-Biologie des Menschen. Das könnten in der Form sogar meine eigenen Wortschöpfungen sein. Der Reiseleiter zitiert ja gerne Carl von Linne, für den Homo sapiens schon eine von drei Schimpansen-Arten war. Was aber macht dann das Menschsein aus. Ich konnte auf meinen Reisen immer wieder mit Professoren und anderen Teilnehmern über meine Denkansätze reden. Zusätzlich zu unserer "Zivilisation" habe ich in fernen Ländern auch verschiedene Hochkulturen kennengelernt. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass unsere Einbildung der Weisheit letzter Schluß ist. Die Wahrheit muß nicht in unseren Ansichten liegen, sondern kann auch viel mehr woanders verborgen sein.

Wenn ich eine Hand nehme, dann hat die fünf Finger und eine Wurzel. Genauso sehe ich es in meinem Vergleich mit den Wissenschafts-Sparten. Nehmen wir Geisteswissenschaften, Biologie, Physik, Religion und meinetwegen Medizin. Das sind dann wie fünf Finger einer Hand. Das kann so gespalten und konträr nicht sein, wie wir es eben vor allem in der unguten Feindschaft zwischen verschiedenen Religionen finden. Da muß es eine Wurzel geben, einen kleinsten gemeinsamen Nenner, wie es mir vorkommt. Ich sagte einem Professor für Physiologie: Im Mittelalter war es tatsächlich über lange, lange Zeit das Top-Wissenschaffts-Thema, wie viele Engel auf einer Nadelspitze sitzen könnten. Wir sollten uns heute nicht mehr so dumm anstellen, sondern uns vielmehr um die "Basics" des Menschseins kümmern. Um unsere Biologie, um unsere Triebe, was uns von unserer Natur her ausmacht. Wenn verschiedene Religionen nur wie verschieden-farbige Blumen im Garten Gottes sind.

Warum sollten wir uns weiter streiten? Für mich ist die Schöpfung nur wie eine halbgare Ursuppe, die sich immer weiter entwickelt. Genetisch kann der Mensch damit nur sehr ursprünglich veranlagt sein. Etwa so, als Streuner in der Natur. Wir werden in meiner Vorstellung so etwas wie eine gemeinsame Sinngebung für die Menschheit finden müssen, in der jede kulturelle Eigenart ihre Berechtigung und Zufriedenheit hat. Um gemeinsam das Erreichte bewahren und die Zukunft meistern zu können. Alles andere sollte im Flaschenhals der Evolution steckenbleiben und nicht weiter durchkommen.

5. Was ist Ihr liebstes Hobby?

Vogelbeobachtung. Draußen sein in der Natur. Als Kind mit meinem Bruder an Molchteichen, das waren für mich schon Heiligtümer. Wo andere, die da zerstörten, mir wie Tempelschänder vorkamen. Ich kann ja nichts dafür. In der Enge des Elternhauses waren es schon im Grundschultalter die Blaumeisen und Dompfaffen am winterlichen Vogelfutterhaus, die mich magisch in ihren Bann zogen. Noch heute erzählen mir Mitschüler von damals, dass ich nicht mit denen Fußball spielen durfte. So wurde ich in meiner mir unbewußten kindlichen Isolation zum Vogelfreund mit Herz, Seele und Verstand. Sozusagen ging ich auf die "Vogelschule", weil der Bezug zu Menschen durch die Eltern gestört war. "Denn mein Lehrer war ein Vogel", wie Georg Danzer singt. Es kann alles so schlecht nicht gewesen sein, was ich so von der Natur lernte. Ich denke dabei an die guten Noten, die ich im Studium bei der Polizei bekam, wenn ich verwaltungsrechtliche Probleme in Klausuren mit gruppen-biologischen Ansätzen löste. Japanisches Sprichwort: Die Natur ist die Universität aller Wissenschaften.

6. Was gefällt Ihnen am Lokalkompass?

Hier bin ich Mensch, hier pass ich rein. Der Lokalkompass ist doch einfach nur genial, nicht wahr? Ich sitze hier vor meinem PC und klinke mich ein. Und habe gleich die ganze Bandbreite aller menschlichen Bedürfnisse und Emotionen. Ich kann mich einbringen. Ich kann mich ausprobieren. Ich kann üben und versuchen, andere auf mich aufmerksam zu machen, um Bestätigung oder Zustimmung zu finden. Ich kann anderen was vormachen, indem ich mir eine Fassade zulege, hinter der ich mich verberge. Ich kann anderen zuschauen, wie sie ihre ganz persönliche Kreativität umsetzen.

Ich habe alle Möglichkeiten menschlicher Kommunikation und Interaktion. Da sind fast rund um die Uhr andere da, die auf mich reagieren, sodass ich nicht einsam bin. Da kann ich Bedürfnisse nach Beachtung erfüllen. Froh sein. Dankbar sein. Mich bei Erreichtem zufrieden zurücklehnen. Mich unendlich über andere ärgern, deren Beiträge ich so schön kommentiert habe, die aber kein Wort auf meinen Beiträgen verlieren. Ich kann alle Register ziehen. Und übe dabei doch nur in der virtuellen Welt für meine Realität, ohne einem dabei zu schaden. Ich kann also in meinem Inneren erleben, was ich will, ohne dabei die Wirklichkeit beeinträchtigen zu müssen. Und lerne so für mein reales Leben. Manchmal ist das so spannend, dass man viel Zeit dabei verbringt und kaum was anderes schafft. Aber egal ;-))

7. Was gefällt Ihnen nicht am Lokalkompass?

Es gibt Drängler, Nörgler und "Wiederholungstäter", die vieles immer wieder zu ernst nehmen. Solche Charaktere mag ich schon im richtigen Leben nicht. Aber hier im Lokalkompass gibt es nicht so viele solcher Typen, weil Bürgerreporter zu sein doch eine gewisse Kreativität erfordert, die solche Auswüchse von Unzufriedenheiten minimiert. Und wenn mich dann doch mal was stört habe ich ja noch die Löschtaste und schaffe mir so eine Welt, wie ich sie in Ordnung finde.

8. Haben Sie bereits jemanden aus dem Lokalkompass getroffen?

Es war Thorsten Ottofrickenstein mit seinen GuteNachtEnten, wo ich scherzhaft sagte, er soll mal interessantere Arten zeigen. Das hat sich dann wie von selbst weiterentwickelt zur Idee einer vogelkundlichen Exkursion, die ich für Bürgerreporter plante und durchführte. Die erste war dann am 19.02.2012 am Halterner Stausee. Und nach dem gleichen Konzept gab es am 18.03.2012 eine Wiederholung am Hengsteysee.

Ich kann dazu nur sagen, die Resonanz der verschiedenen Teilnehmer war für mich einfach nur schön. Mit etwas Humor und einem Vogelbuch in der Hand vorweg zu gehen und so so viel geben zu können. Das war schon überwältigend für mich. So habe ich natürlich an weiteren LK-Treffen teilgenommen. Drei an der Zahl: Möhnesee, Oberhausen und Kemnader See. Ich könnte mich dazu auch nur in Superlativen artikulieren, denn das menschliche Bedürfniss nach Gruppendazugehörigkeit wurde jedesmal in angenehmer Form erfüllt. Es war jedesmal einfach nur zum Wohlfühlen.

9. Was ist Ihr Lebensmotto?

Es gibt eine alte asiatische Bauern-Weisheit, die sagt: Jedes Ding hat drei Seiten. Eine, die ich nicht sehe. Eine, die du nicht siehst. Und eine, die wir beide nicht sehen. Ich halte viel von der Idee, dass wir noch keine Vollkommenheit erreicht haben. Sondern nur eine Ebene, eine Stufe der Entwicklung, wo wir nichtmals wissen, wie es weitergeht. Etwas mehr Besonnenheit täte uns da sicher allen gut.

10. Welche Frage wollten Sie schon immer mal in einem Interview beantworten, die aber noch nie gestellt worden ist?

Ich bin eher der stille Zuschauer und distanzierte Beobachter. Von daher habe ich nichtmals viele Antworten auf ungestellte Fragen parat. Fragt mich doch einfach mal, wie das zu schaffen wäre, was mir jetzt durch meine neue Kamera einfiel. Ich nenne es meinen "Münsterland-Triathlon" . Es müßte im Münsterland möglich sein, Kreuzotter, Ringelnatter und Blindschleiche an einem einzigen Tag zu fotografieren. Das ist das, was mich im Moment beschäftigt, wie ich das hinkriegen könnte. Wenn es mir eines Tages gelingen sollte, wird es davon einen Beitrag auf dem Lokalkompass geben. Versprochen.

(Fotos: privat)

Autor:

Lokalkompass .de aus Essen-Süd

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