Brummi-Fahrschule: Unterwegs im 40-Tonner
„Beide Hände ans Steuer“, muss mich Fahrlehrer Dieter Groß mehrfach auffordern. Ein lässiger Fahrstil kommt bei ihm nicht weit - schon gar nicht, wenn man am Steuer eines 40-Tonners sitzt. Nach einer Fahrstunde im Brummi MAN TGX 26 460 samt Anhänger bin ich zwar einigermaßen erschöpft, aber auch hin und weg.
„So, jetzt erstmal den Anhänger ankoppeln“, fordert mich Dieter Groß von der Fahrschule Hermanski im Essener Norden auf und ich bin einigermaßen verdattert.
Einfach einsteigen und losfahren geht natürlich nicht, wenn es sich um einen 40-Tonner handelt und man ansonsten nur PKW fährt - aber an Schuften hatte ich nicht gedacht. Allein das Entriegeln der Anhängerkupplung ist nicht ohne - stets begleitet vom süffisanten Lächeln meines Fahrlehrers. Na klar, ich bin eine Frau ...
Von Weitem sieht er gar nicht mal so groß aus, wie er da steht auf dem Platz. Doch mit Anhänger wird der Brummi schnell zum Ungetüm, das mich ob seiner Größe in den folgenden eineinhalb Stunden noch vor so einige Probleme stellen wird.
Dieter Groß wirft erstmal mit nackten Fakten um sich - sollen mich wohl beeindrucken - und das tun sie auch: 40 Tonnen, 460 PS, vier Meter hoch, mit Anhänger ganze 18,75 Meter lang und mit Spiegeln circa 3,20 Meter breit. Da fährt man nicht mal eben mit um die Ecke...
Und damit geht es auch schon los. Ich wollte mir einen Einblick verschaffen in die Kunst des LKW-Fahrens. Wie oft steht man an einer Kreuzung und sieht Brummifahrer haarscharf manövrieren. Bewundernswert. Und dennoch nicht jedermanns Sache. Auch im Laufe unserer Fahrt ziehen Ungeduldige in riskanter Fahrweise vorbei oder hupen. Ein Tag im Führerhaus - und das Leben so manches Zeitgenossen würde entschleunigt. Schnell, schnell ist da nicht ... Langsam, präzise und sicher sind Begriffe, die jeder Brummifahrer sich hinter die Ohren schreiben sollte - zumindest, wenn es nach Dieter Groß geht.
Mit mir als Anfängerin zeigt er bewundernswert starke Nerven und lässt mich nach zahlreichen Erklärungen und Warnhinweisen schließlich selbst an den MAN. Natürlich kann er im Fahrschulfahrzeug jederzeit eingreifen und wir gefährden in keinster Weise den restlichen Verkehr. Obwohl ich ja schon gerne mal ...
16 Gänge vorwärts und zwei rückwärts
„Beide Hände ans Steuer und die Spiegel beachten“, ermahnt mich Groß - und ich bin absolut beschäftigt. 16 Gänge vorwärts mit Umschaltung, dazu zwei Gänge rückwärts und insgesamt sieben Spiegel bringen mich ganz schön ins Schwitzen, da fliegt der Schal recht schnell auf den Sitz.
Angefahren wird im zweiten Gang. Gemächlich setzt sich der Dicke in Bewegung. Ein bisschen was für Mädchen ist er übrigens auch mit Sitzheizung und elektrischen Sonnenrollos. Das schont den Teint und wärmt den Popo. Wenigstens etwas, denn Straßenschäden haben in so einem Riesen ihre eigene Dimension. Das rumpelt und ruckelt und der Koloss neigt sich gerne mal. Auch Straßenbäume sind oft näher als erwünscht.
In der engen Kurve geht es daran, das Erlernte umzusetzen: Fußgänger leben lassen, Mittelinsel nicht überfahren, Schilder dran lassen und im Idealfall auch die Ampeln. Hat man dies mit dem Frontfahrzeug geschafft, besteht noch kein Grund zu jubeln, denn da kommt noch ... genau, der Anhänger! Und der führt ein Eigenleben.
Die Fahrspur des Gegenverkehrs an der Kreuzung während des Abbiegevorgangs zu nutzen, ist obligatorisch. Und was ist, wenn‘s mal wirklich nicht passt? „Das kommt vor“, erklärt Groß - dann sei einfach „Schicht im Schacht“ und es helfe nur noch der Rückwärtsgang.
„LKW-Fahren ist anspruchsvoll“, erklärt Groß. „Alles im Blick zu halten erfordert Können. Minimum sind 25 Fahrstunden...“ Man muss nicht nur nach links und rechts denken, sondern auch nach hinten und vor allem: nach oben! Vor jeder Brücke informiert ein kleines Schild über ihre Höhe - dies zu übersehen ist nicht gut.
Auch die Gesetzgebung hat erkannt, dass Brummifahrer fit in Theorie und Praxis sein müssen. Das Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz sieht seit 2009 EU-weit Extra-Prüfungen bei der IHK vor.
Abschließend will ich wissen, was ihn ausmacht, den perfekten Brummifahrer. „Er fährt vorrausschauend und erkennt Gefahren im Vorfeld“, betont Groß. Und wenn er dann noch kraftstoffsparend fährt, dann ist nicht nur der Fahrlehrer glücklich.
Ich lerne jedenfalls eine ganze Menge in meiner Brummi-Fahrstunde. Auch über die anderen Verkehrsteilnehmer und mich selbst.
Das Rückwärtseinparken auf dem Platz zum Abschluss macht mich zwar stolz, stimmt aber auch wehmütig. Es war schön im „großen Schwarzen“. Und was sagt der Fahrlehrer? Der lacht: „Nicht ganz talentfrei, könnte was werden ...“
Autor:Petra de Lanck aus Essen-Süd |
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