Besuch bei Nelson
Nelson Branco verweist auf die schönen und schwierigen Seiten eines Lebens mit Down-Syndrom
Von außen sieht man dem großen orangefarbenen Haus nicht an, dass in seinem Innern eine besondere, aber eigentlich ganz normale Wohngemeinschaft zu Hause ist. Sieben Menschen mit Handicap leben in der dreistöckigen WG der Lebenshilfe Essen e.V., schauen Fußball, kümmern sich um Haustiere, kochen und kehren müde von der Arbeit heim. Einer von ihnen ist Nelson Branco.
Nelson Branco ist noch nicht da. Einige Bewohner der Außenwohngruppe „Hüskenbörde“ in Bergerhausen sind bereits von der Arbeit aus den GSE-Werkstätten zurückgekehrt und haben sich am Esstisch niedergelassen. „Jeden Tag nach der Arbeit versammeln wir uns hier erst einmal zum Kaffeetrinken“, erzählt Wohngruppenleiter Marcus Klein. Die Gespräche kreisen um bevorstehende Fußballspiele, mittelmäßiges Kantinenessen und um Barbara, die gerade von ihrem Nordseeurlaub mit ihren Eltern zurück gekommen ist.
Nelson Branco ist der einzige mit Down-Syndrom in der WG. Der 30-Jährige arbeitet in der GSE-Werkstatt Holsterhausen und baut dort „kleine Teile zusammen“, wie er erklärt. Zur Arbeit fährt er alleine, „mit dem Bus zum Hauptbahnhof und da dann einmal umsteigen“, erzählt Nelson Branco. „Wir bestärken hier alle in ihrer Selbstständigkeit“, erläutert Marcus Klein, „das Ziel ist, dass die Bewohner möglichst viel alleine können. Und gerade Nelson fordert es ganz stark, Dinge alleine zu machen.“ Wünscht er sich, etwas Bestimmtes irgendwann einmal ganz alleine zu können? Eine eigene Wohnung möchte er irgendwann einmal haben, „aber das dauert noch“, meint Nelson Branco, „ich muss noch vieles üben.“ Für Hausarbeiten wie Wäsche waschen oder Spülmaschinen ausräumen ist immer jemand anderes eingeteilt. Einkaufen tun Bewohner und Betreuer in Teamarbeit.
Selbstständigkeit ist oberstes Ziel
Für sein Zimmer ist natürlich auch jeder selbst verantwortlich, Nelson Branco hat seins für den Besuch von der Zeitung aufgeräumt. Oben, in dem Zimmer ganz unterm Dach, kleben BVB-Plakate und Fotos seiner Familie an der Tapete, ein Fernseher mit Spielkonsole steht gegenüber Nelson Brancos Chefstuhl. Einem bunten Luftballon mit einer großen 30 geht langsam die Luft aus, der Fußballfan überlegt, ob er ihn nicht langsam entsorgen soll, schwebt er doch seit seiner gerade gefeierten Geburtstagsparty in der Ecke. „Der runde Geburtstag wurde groß gefeiert“, erzählt Marcus Klein, der den Bewohnern stets auf Augenhöhe begegnet, „Nelson hat uns alle mit Freunden und Familien ins Restaurant eingeladen. Dafür hat er drei Jahre lang gespart.“
Kaum Ermäßigungen für Behinderte
Über 30 Gäste zu einer Geburtstagsparty einzuladen, ist ein teures Vergnügen, wenn man nur 100 Euro Taschengeld, wie die Bewohner das Eigengeld, das von einem gesetzlichen Sozialleistungsträger zur persönlichen Verfügung gezahlt wird, nennen, hat. Zusätzlich stehen ihnen nicht viel mehr als 100 Euro Werkstattlohn monatlich zur Verfügung. Bei fünf Tagen Arbeit in der Woche kommt man als Werkstattbeschäftigter je nach Leistungsstufe somit mit Glück auf ein Achtel bis Viertel des gesetzlichen Mindeststundenlohns. Nelson Branco möchte, dass die Menschen, die die Zeitung lesen, wissen, dass Menschen mit Behinderung zu wenig Geld haben. „Wir möchten gerne Ausflüge machen“, wünscht er sich, „oder irgendwann einmal zusammen in den Urlaub fahren.“
Welt-Down-Syndrom-Tag am Dienstag
Gibt es an manchen Ausflugsdestinationen Ermäßigungen für Behindertenausweisinhaber, unterscheiden manche Veranstaltungsstätten überhaupt nicht im Preis. „Unsere Bewohner gehen unheimlich gern auf Konzerte“, erzählt Heidrun Wessolly, die bis eben noch im Keller beim Waschen assistiert hat. Kosten Karten manchmal jedoch in der günstigsten Kategorie 60 Euro, ist das mehr als die Hälfte des monatlichen Eigengelds. „Ich würde nicht auf Konzerte gehen, wenn ich für die Karten die Hälfte meines Monatseinkommens zahlen müsste“, schüttelt Marcus Klein den Kopf. Er wünscht sich daher ein Zeichen von der Politik. Anlässlich des Welt Down-Syndrom-Tags, der am Dienstag, 21. März, stattfindet, fände er es „schön, wenn von Landesebene etwas gemacht würde. Auch wenn ich einen Tag für Menschen mit Behinderung besser fände“, überlegt er, „ein Tag, an dem Menschen mit Behinderung umsonst oder stark ermäßigt überall hin- und reinkönnen.“ Ein Austausch würde unweigerlich zwischen Besuchern und Mitarbeitern stattfinden, die eben auch aufgrund von finanziellen Hürden nicht allzu oft miteinander in Kontakt treten. „Das wäre dann wirklich Inklusion“, schließt Marcus Klein.
Autor:Julia Hubernagel aus Essen-Süd |
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