Golfen - Oder die Lust am Versagen

Abschlag mit Leidenschaft
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Noch vor zwei Jahren war Golf für mich der uninteressantestes Sport der Welt. Was soll daran spannend sein, einem kleinen Ball hinterherzulaufen? Dazu monotones Grün, in Klamotten die den Charme der 20er-Jahre haben - Rentnerbeige und Polohemd, eine blöde Schirmmütze und Schuhe, die nicht wirklich so aussehen, wie die, die ich in der Regel trage.
Nie und nimmer habe ich mich mit dem Gedanken getragen einen Golfschläger in die Hand zu nehmen, selbst Minigolf habe ich als Kind gehasst, obwohl ich ein einziges Mal ein "Hole in One" gespielt habe, jedoch wohl eher aus Zufall als mit Können.

Eines schönen Herbsttages lerne ich Andy kennen und Andy spielte Golf. Er meinte, ich sollte mit diesen Sport unbedingt beginnen, das wäre für Menschen wie uns (was zu definieren gilt) genau das richtige, fördert die Konzentration, lässt keine Ungeduld zu und man ist immer draußen an der frischen Luft. Das waren keine Pro-Argumente, für mich war Golf ein Sport für gelangweilte Renter oder versnobte Zahnärzte. Die Menschen die sich auf dem besagten Golfplatz tummelten, bestätigten meine These.

Trotzdem hat mich die Neugier gepackt und musste feststellen, wie viele andere Menschen in meiner Umgebung regelmässig den Golfplatz besuchen und das mit einer gewissen Leidenschaft.

Stress durch Nichtkönnen

Mein erstes Mal auf einer Driving Ranch war katastrophal: in Stiefeln mit Absätzen habe ich versucht den Ball zu treffen und kam mir dabei vor wie ein Vollhonk.
Den Schläger wie wild schwingend war es kaum möglich den Golfball zu schlagen. Wie kann das anderen so leicht von der Hand gehen? Eine Stunde später war ich erschöpft und hatte eine Blase am Daumen. Ich habe mich fast vor mir selbst geschämt und die Renter sind fröhlich, den Trolley hinter sich herziehend, übers Grün gescheppert. Am nächsten Tag konnte ich vor Muskelkater kaum laufen...

Mein Ehrgeiz war gepackt und kurzerhand habe ich mir ein Schlägerset bestellt um in einem Golfkurs meine Platzreife zu erwerben. Es ist mir zwar gelungen, aber ich war weit davon entfernt einigermassen zu golfen. Zum Spielen bin ich viel zu selten gekommen und Spaß hat es mir nicht wirklich gemacht, denn mein Golfball hat Haken wie ein Hase geschlagen und die Fuchtelei mit Schläger hat sicher große Ähnlichkeit mit Joe Cocker provoziert. Frustierend war das.

2012 - ich starte durch

Mein erster Golfplatz-Besuch in diesem Frühjahr war nicht wirklich erhebend denn selbstverständlich bin ich über den Winter nicht von selbst besser geworden.

Wann es mich dann auf einmal wirklich gepackt hat, weiss ich gar nicht mehr, doch plötzlich war sie da, die Lust am Golfen.
Dieses unvergleichliche Glücksgefühl, wenn nach einem satten "Klack" ein hoher weiter Ball in Richtung Fahne folgt.
Selbst nach dreissig Fehl- und Querschlägen ist es das eine Geräusch, dieses Gefühl, den optimalen Schwung zu haben, der den Frust sofort wieder vergessen lässt.

Die Therapie des kleinen Balles...

So bin ich in den letzten Monaten mit der ebenfalls golfsüchtigen Jenny über die Fairways der Republik geklackert, das siebener Eisen im Anschlag. Hier können wir sein, wie wir wollen, Probleme mit einem Schlag lösen und uns den Frust von der Seele reden, während wir auf den Ball eindreschen. Inzwischen benötigen wir nur noch die Hälfte der Zeit um den Platz abzuschreiten dafür ist die Anzahl der benötigten Schläger gewachsen.

Wenn ich dann einfach so hier sitze, wie im Moment, überkommt mich das unbändige Gefühl mit flachen Schuhen, Polohemd und einer pinken Vichy-Karo-Hose von Tee zu Tee zu laufen und einfach diesem wunderbaren weißen Ball hinterherschaue. Das gelingt mir inzwischen immer öfter, auch wenn ich immer noch nicht zu den guten Golfern gehöre und mindestens einmal pro Runde schwöre, dass ich es drangebe mit dem Golfen. Bis das satte "Klack" mich wieder friedlich stimmt.

Andy hatte recht: Golf ist für Menschen wie uns gemacht. Für die, die am liebsten drei Dinge gleichzeitig tun. Und genau das klappt beim Golfen nicht.
Nunja, dabei reden geht schon. Wobei das die "echten" Golfer auch nicht machen.

Handicap? Auch das habe ich :-)

Autor:

Beatrix Gutmann aus Essen-Süd

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