Bücherkompass - Rezension: Lukas Podolski „Dran bleiben! Warum Talent nur der Anfang ist“

Foto: Gabriel-Verlag

Verlag: Gabriel Verlag; 2014

Wenn ich als Fußballfan davon erfahre, dass wieder einmal ein bekannter Spieler seine Biographie in den Buchläden platziert hat, ist – sofern ich überhaupt einen Gedanken darauf verschwende – in den überwiegenden Fällen mein erster: „Jetzt auch noch der; muss das denn sein?“. Natürlich richte ich diese Frage nur rhetorisch an mich, und noch bevor ich mir die Strategie zurechtlegen kann, wie ich der in den kommenden Wochen anhaltenden medialen Omnipräsenz des neuen Meisterwerks entgehe, habe ich auch schon mit gespitztem Bleistift meine imaginäre Liste der „Bücher die die Welt nicht braucht“ um einen weiteren Eintrag ergänzt.

Der Grund, warum ich mich aus freien Stücken, dazu bereit erklärt habe das vorliegende Buch zu lesen und sogar zu rezensieren, liegt daran, wie die Person Lukas Podolski, im Vergleich zu den anderen Schreiberlingen wahrgenommen wird. Zum einen kann ich mich an keinen anderen Spieler erinnern, der trotz seines Wechsels zu Bayern, von der Mehrheit der Fans aller anderen Clubs noch überwiegend für sympathisch gefunden wurde. Das er mit Köln noch ein Jahr in der zweiten Liga gespielt hat, als er den Verein schon längst zu besseren Konditionen verlassen konnte zeugt von Charakter. Und dass er auch trotz der Aussicht auf größere Erfolge bei anderen Arbeitgebern noch einmal zu seinem Heimatverein zurückkehrte hat bei vielen Eindruck hinterlassen. Er ist einer der wenigen Menschen in diesem Geschäft, der glaubhaft vorlebt, dass es außer finanziellen Vorteilen und Titeln im Profifußball gelegentlich auch noch um andere Werte geht. Ein weiterer Punkt, der die Neugier auf dieses Buch angezogen hat, ist die Tatsache, dass auch, wahrscheinlich gerade wegen seines sympathischen und unkomplizierten Auftretens, ein klischeehaftes Image an ihm haftet, welches viele vermutlich im Widerspruch zu einem Buchschreiber sehen.

Schon auf der Titelseite wird das Vorwort von Jogi Löw hervorgehoben. In diesem wünscht der Bundestrainer seinem Spieler, dass er die Menschen erreicht, für die er das Buch geschrieben hat. Dieser Wunsch ist nicht der erste subtile Hinweis darauf, dass hier keine klassische Biografie eines Fußballers im Vordergrund steht. Der Titel selbst ist bereits eine Botschaft – „Dran bleiben!“. Ein karitativer Hintergedanke wird durch die dezente Erwähnung der eigenen Stiftung und des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“, deren Leiter auch Herausgeber des Buches sind, erkennbar. Dem erfahrenen Auge wird vielleicht auch aufgefallen sein, dass zunächst kein weiterer Name auf dem Einband zu finden ist, der im Verhältnis zum Namen des Protagonisten nur einen Bruchteil der Schriftgröße hat und bei vielen vermeintlichen Autobiografien die Identität des tatsächlichen Textzusammenstellers preisgeben.

Natürlich bleibt es nicht aus, dass Poldis Werdegang im Buch Eingang findet. In diesem werden aber keine großartigen Überraschungen enthüllt, die nicht schon weitläufig aus den Medien bekannt sind. Im polnischen Gliwice geboren, in Bergheim unter anderen Migrantenkindern aufgewachsen und schon immer fokussiert auf Fußball. Beim lesen erfreut sofort der klare und direkte Sprachstil. Inhaltlich sticht positiv hervor, dass nicht die übliche „vom-Straßenkicker-zum-Star-Story“ im Vordergrund steht. Mit zunehmender Seitenzahl wird dem Leser bewusster, dass Podolskis Lebensgeschichte nicht zum reinen Selbstzweck niedergeschrieben wurde. Er ist sich bewusst und betont auch zu genüge, dass sein Talent allein ihn nicht sehr weit gebracht hätte, wenn er nicht zusätzlich das Glück eines soliden Umfelds, in welchem es auch gefördert wurde gehabt hätte. Eine weitere Komponente, auf die er seinen sportlichen Erfolg zurückführt, ist der nötige Ehrgeiz und die Bereitschaft auf vieles zu verzichten. Podolski weiß, dass es ihm vergönnt war, auf jede dieser Voraussetzungen zurückgreifen zu können. Er hat sein Talent früh entdeckt, den unbedingten Willen gehabt, es erfolgreich umzusetzen und die Familie und den Freundeskreis, die ihm auf seinen Weg begleiten und ihn gefördert haben. Sein Buch richtet sich vorrangig an Kinder und Jungendliche, und zwar hauptsächlich an diejenigen, welche nicht auf die Geborgenheit in einem soliden Umwelt zurückgreifen können. Die Botschaften die er damit übermitteln möchte werden an vielen Stellen anhand von Beispielen aufgegriffen.

Wie schon mit dem Buchtitel zum Ausdruck gebracht, lautet die erste Botschaft, dass jeder ein Talent hat, und Talente sich nicht nur auf Sport beschränken. Jeder muss sein eigenes Talent erst einmal entdecken. Aber wenn das geschehen ist, reicht es nicht nur zu wissen, dass man Talent hat, sondern man sollte auch stets daran arbeiten und dieses Talent ausbauen; oder kurz gesagt eben „dran bleiben!“. Im Laufe des Buchs wird der Fußball immer zweitrangiger und es scheint durch, dass es verfasst wurde um eine andere Herzensangelegenheit des Nationalspielers nach außen zu tragen. Lukas Podolski engagiert sich für die Arche; und wenn man seine Geschichte verfolgt, dann geht daraus auch glaubhaft hervor, dass er dies aus voller Überzeugung tut. Die Arche bietet sich an als eine Anlaufstelle für benachteiligte Kinder, in der sie nach der Schule sowohl Hilfe, bei den Hausaufgaben, als auch eine sinnvolle Freizeitgestaltung und ein zwangloses Umfeld finden können. Sie ist ein Platz an dem sie so angenommen werden, wie sie sind und an dem Menschen da sind, die sich aufrichtig mit ihnen befassen. Die Idee zu diesem Buch kam von zwei Leitern der Arche, die Podolski zu seinem Freundeskreis zählt. Es brauchte jedoch nicht viel Überredungskunst dazu, denn Poldis Unterstützung für diese Einrichtung, beschränkt sich nicht nur auf finanzielle Spenden und die Bereitstellung seines prominenten Namens. Er fühlt sich nicht nur verbunden, sondern hat echte Freude daran sich auch aktiv zu beteiligen und gelegentlich mal mit einem unangekündigten Besuch des Jugendwerks, die Kinder auch in Abwesenheit jeglicher Presse und Medien (oder sogar gerade deswegen) zu überraschen.

Das Werk liest sich schnell und kommt genauso rüber, wie der Fußballer selbst – sympatisch und unkompliziert. Der Aufbau ist an einigen Stellen etwas holperig und sprunghaft. Zwischendurch eingefügte Geschichten und Steckbriefe von Kindern, die Lukas in der Arche kennengelernt hat, sind nicht immer zum Vorteil des Leseflusses und wären manchmal einen Abschnitt oder eine Seite weiter vorne oder hinten, besser untergebracht. Während die Steckbriefe noch durch die Typografie klar als Einschub erkennbar sind, verhält es sich bei den zahlreichen Zitaten von Lukas Weggefährten gelegentlich anders. Bei vielen davon wundert man sich zunächst über einen plötzlichen Perspektivwechsel oder den verlorenen Bezug zum vorangegangenen Text und bemerkt erst am Zitatende, dass es sich um die Aussage eines Dritten handelt. Sollte es mal eine neue Auflage geben, wäre eine Überarbeitung des Textbilds mit deutlicherer Abgrenzung empfehlenswert. Inhaltlich lassen diese Aussagen, die häufig aus Podolskis engstem Umfeld stammen, keinen Zweifel an seinem ehrlichen und aufrichtigen Engagement für seine Werte. Fraglich ist jedoch, ob die, sicherlich ernst gemeinten und zutreffenden, lobenden Worte Dritter über den Autor in dieser Vielzahl nicht etwas deplatziert wirken. Allerdings fügt es sich nicht in das Gesamtbild ein, wenn man deshalb unterstellen würde, er beabsichtige sich dadurch in ein noch besseres Licht zu rücken. Hat man das Buch zu Ende gelesen und dann noch ein paar Blicke für den Abspann übrig, wird einem auch nicht die Zeile entgehen, in der mit „aufgezeichnet von Anja Kömmerling und Thomas Brinx“ (leider) doch noch ein Autorenduo erwähnt wird, welches den fehlenden Ghost-Writer Namen auf dem Einband kompensiert. Ist man aber als Leser erst einmal an dieser Stelle angekommen, wird man Poldi auch schnell verzeihen können, dass er nur Fußballer und kein Schriftsteller ist.

Autor:

Sebastian Cappellacci aus Essen-Süd

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