"Slow Baking": Längere Teigruhe kann Brot für Reizdarm-Patienten bekömmlicher machen

Wenn Brot Verdauungsbeschwerden verursacht, kann es an der Zubereitung liegen, und zwar an einer zu kurzen Teigruhe. | Foto: Steinbach, Lokalkompass Hattingen
  • Wenn Brot Verdauungsbeschwerden verursacht, kann es an der Zubereitung liegen, und zwar an einer zu kurzen Teigruhe.
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Viele Menschen reagieren mit unangenehmen und schmerzhaften Verdauungsbeschwerden auf Obst, Gemüse, aber auch auf Brot. Grund können die sogenannten FODMAPs sein: spezielle Zucker und Zuckeralkohole, die von Natur aus in vielen Nahrungsmitteln enthalten sind. An sich sind diese nicht ungesund, jedoch zum Beispiel für Reizdarm-Patienten schwer verdaulich und mit Nebenwirkungen verbunden.

Blähungen, Durchfälle, Bauchweh, Krämpfe gehören für viele Menschen zum Alltag. Die Ursache liegt häufig in Lebensmittelunverträglichkeiten, wobei meist die Zuckerstoffe das Problem darstellen. Ob Milchzucker, Fruchtzucker, Oligosaccharide... es sind auch die als gesund gepriesenen Lebensmittel, die sich langfristig äußerst ungesund auswirken können. 

Nur noch 10 % FODMAPs nach über 4 Stunden Teigruhe

Den Auslösern auf den Grund gekommen sind offenbar Forscher der Universität Hohenheim - jedenfalls, was Brot angeht. Und damit wäre vielen Menschen schon ein Stück weit geholfen, denn der Durchschnittsdeutsche isst 80 kg Brot im Jahr, und mittlerweile leiden etwa 12 Prozent hierzulande unter dem so genannten Reizdarm-Syndrom.
Lange galt das als Einbildung Inzwischen lassen sich jedoch sowohl die Beschwerden nachweisen als auch Linderungswege entwickeln. In Bezug auf Brot könnte laut Hohenheimer Untersuchungen die Lösung in einer ausreichend langen Ruhezeit für den Teig liegen.

Dadurch kommt vielleicht sogar der bei vielen in Verruf geratene Weizen wieder auf den Speiseplan. Weizenprodukte können durch niedermolekulare Zucker schwere Blähungen verursachen. Viele Patienten greifen deshalb gerne auf Brot aus Urgetreide zurück, also auf Dinkel, Einkorn, Emmer, Waldstaudenroggen usw. Die aus Hohenheim kommende Überraschung aber besagt: "Urgetreide enthält kaum weniger FODMAPs als Brotweizen. Es kommt vielmehr darauf an, wie der Teig zubereitet wird."

Forscher um Prof. Dr. Reinhold Carle und Dr. Friedrich Longin bestimmten in einem aufwändigen Analyse-Verfahren die Mengenanteile der niedermolekularen Zucker in den jeweiligen Vollkornmehlen. Dabei zeigte sich, dass etwa Einkorn sogar mehr FODMAPs aufweist als Brotweizen. In Emmer, Dinkel und Durum seien sie zwar in geringerer Menge vorhanden, aber nicht in dem Maße, dass sich daraus die von vielen Reizdarmpatienten berichtete Linderung erklären lasse, erklären die Wissenschaftler.
Also wurde als nächstes die Teigbereitung analysiert, und zwar nach einer, zwei, vier und viereinhalb Stunden Gehzeit. "Die höchsten Gehalte an FODMAPs wiesen die Teige bei allen Getreidesorten nach einer Stunde auf", lautet das Resultat. Nach viereinhalb Stunden Teigruhe waren jedoch selbst im Teig aus Brotweizen nur noch 10 Prozent der niedermolekularen Zucker enthalten. "Die Getreidesorten selbst sind also nicht entscheidend, sondern vor allem die Art der Teigbereitung", lautet die Bilanz.

Selbst Weizen darf dann wieder in den Speiseplan

Oft sind es die klassischen Handwerksbetriebe, also traditionell arbeitende Bäckereien, die bei der Brotbereitung den Teig besonders lange ruhen bzw. gehen lassen. Dies "sorgt dafür, dass die Beschwerden verursachenden Bestandteile im Brot bis zum Backen bereits abgebaut sind“, erklärt Prof. Carle vom Hohenheimer Lehrstuhl Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel. Eine Stunde Gehzeit sei einfach zu wenig. Longin ergänzt: „Außerdem entfalten sich die Aromen besser. Eine langsamere Teigbereitung erhöht die Brotqualität.“ Zudem würden Phytate bei längerer Teigführung abgebaut und dadurch mehr Eisen und Zink verfügbar.
"Slow Baking"ist also nicht nur angesagt, sondern offenbar auch gesund.

Autor:

Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig

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