Sebastian Holtkamp arbeitet trotz Einschränkung sozialversicherungspflichtig
Sein Job im Reifenfachhandel ist eine runde Sache
Er hat keine Angst vor großen Sachen. Souverän rollt Sebastian Holtkamp LKW-Reifen aus der Halle, weicht 40-Tonnern mit Anhänger aus, die auf dem Hof des Reifenhändlers Stracke in Borbeck auf ihren Termin warten und unterhält sich mit seinen Kollegen. Ein ganz normaler Arbeitsalltag also - und doch keineswegs Normalität. Denn Sebastian Holtkamp arbeitet trotz geistiger Einschränkung auf dem ersten Arbeitsmarkt.
In diesen Tagen jährt sich das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland zum zehnten Mal. Ende 2006 wurde das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) verabschiedet und trat 2008 in Kraft.
Ziel der Konvention ist, dass die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung aufhört und diese als vollwertige Bürger der Gesellschaft anerkannt werden. Es soll eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben erfolgen.
Dass Menschen mit Behinderung ihren Lebensunterhalt auf dem ersten Arbeitsmarkt selbst verdienen, ist dennoch eine Seltenheit. Sebastian Holtkamp hat das Glück, einen Arbeitgeber gefunden zu haben, der ihm nicht nur eine Chance gibt, sondern ihn auch zu denselben Konditionen beschäftigt, wie alle anderen Mitarbeiter.
Von Holsterhausen nach Borbeck
Der 28-Jährige leistet in seinem Arbeitsbereich gute Arbeit, er ist immer pünktlich und fleißig und fährt jeden Morgen gern von Holsterhausen nach Borbeck zur Arbeit. Er startete zunächst in der Werkstatt der GSE gGmbH in Holsterhausen im Gelenkwellenbau. Im April 2018 machte er dann ein Praktikum bei Reifen Stracke, dessen Inhaber einer Beschäftigung gleich zustimmte.
Bis zum Jahresende arbeitete Sebastian Holtkamp im Rahmen eines sogenannten betriebsintegrierten Arbeitsplatzes bei Stracke, bevor er ab dem ersten Januar dort sozialversicherungspflichtig übernommen wurde. Sein Vater fährt beruflich LKW und nahm seinen Sohn des öfteren mit, sodass dieser sich mit der Materie gleich vertraut fühlte.
Karriere gleicht einem Märchen
Als er in der GSE-Werkstatt die Stellenausschreibung entdeckte, griff er gleich zu und bewarb sich. „So eine Karriere ist sehr selten und quasi fast ein Märchen“, freut sich Stefanie Berberich vom Zentralen Integrations Management (ZIM) der GSE. „Ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ist zwar immer das hehre Ziel, aber es kommt de facto nur sehr selten dazu.“ Der Integrationshelfer, der Sebastian Holtkamp bis Ende 2018 begleitet hat, schaut heute ab und an noch in Borbeck vorbei und freut sich, dass alles so gut läuft.
„Der Arbeitgeber stellt den Mitarbeiter ein und bekommt für eine gewisse Zeit einen Zuschuss vom Landschaftsverband Rheinland“, erklärt Stefanie Berberich. „Mittlerweile
gibt es gut 100 Betriebe, die mit uns, der GSE, zusammenarbeiten oder gearbeitet haben. Eine sozialversicherungspflichtige Vermittlung ist aber eine Seltenheit!“
Arbeitgeber voll des Lobes
Sebastian Holtkamp beweist Tag für Tag, dass es geht. Von 7.30 bis 17 Uhr wechselt er Reifen, prüft Luft, zieht Radmuttern nach und ist sogar mit dabei, wenn Reifen vor Ort repariert werden müssen. Einen LKW schleppt man halt nicht mal eben in die nächste Werkstatt.
Mit seinem Job ist er zufrieden: „Ich arbeite gerne mit meinen Händen!“ Auch sein Arbeitgeber, Mitinhaber eines Familienbetrieb in zweiter Generation, ist voll des Lobes:
„Ich habe selbst einen Sohn mit einer Behinderung, der hier bei uns im Betrieb fest integiert ist“, berichtet Michael Stracke. „Da war es mir ein Bedürfnis, noch jemanden einzustellen, der ebenfalls eine Behinderung hat. Und ich habe es nicht bereut - alles läuft sehr gut!“
Eine klassische Win-Win-Situation also. „Wenn sich Betrieb und Mensch erstmal gefunden haben, sind alle zufrieden und ausgeglichen“, spricht Stefanie Berberich aus Erfahrung. Was will man mehr.
Autor:Petra de Lanck aus Essen-Süd |
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