Deutsche Bahn AG und Abellio Rail NRW: Noch kein 'gemeinsames Entschädigungsverfahren' in Sicht
Mit dem neuen Fahrgastrechtegesetz gelten seit dem 29.07.2009 einheitliche Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr in Deutschland.
Sie räumen den Reisenden gleiche Rechte bei allen Eisenbahnunternehmen ein und gelten für alle Züge von der S-Bahn bis zum ICE, unabhängig davon, von welchem Eisenbahnunternehmen sie betrieben werden. Sie gelten auch für Reiseketten aus Zügen verschiedener Eisenbahnunternehmen, die mit einer Fahrkarte genutzt werden. Die Deutsche Bahn hat in Zusammenarbeit mit dem Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland (TBNE) ein gemeinsames Verfahren zur Abwicklung der Entschädigungsansprüche der Kunden aller teilnehmenden Bahnen vereinbart.
So lautet zumindest die offizielle Stellungnahme der Deutschen Bahn AG:
http://www.bahn.de/p/view/service/fahrgastrechte/uebersicht.shtml?dbkanal_007=L01_S01_D001_KIN0011_service_NR3-FGR_LZ01
Wer sich allerdings als Kunde der Deutschen Bahn AG im verspätungsbedingten Entschädigungsfall an das 'Servicecenter Fahrgastrechte' wendet, um dort seinen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, muss dies unter Umständen zweimal tun: War nämlich beispielsweise ein ausgefallener Zug der Abellio Rail NRW die Ursache des Entschädigungsanspruches, erhält der geschädigte Kunde erst Wochen nach Einreichen seines Entschädigungsantrages von der Deutschen Bahn AG ein Schreiben, in welchem es sinngemäß heißt, die Abellio GmbH nehme bislang nicht am sog. 'gemeinsamen Entschädigungsverfahren' teil. Man möge sich daher bitte nochmals direkt an Abellio wenden, um seinen Erstattungsanspruch geltend zu machen.
Grund genug, um direkt bei Abellio Rail NRW in Essen nachzufragen. Pressesprecherin Marina Pohl nimmt zu meinen Fragen wie folgt Stellung:
1. Frage: Was sind die genauen Gründe dafür, dass Abellio bislang nicht am "gemeinsamen Entschädigungsverfahren" teilnimmt? Um was genau handelt es sich bei diesem "gemeinsamen Entschädigungsverfahren"? Welche Modalitäten und Auflagen wären für Abellio damit verbunden, an diesem Verfahren teilzunehmen?
Antwort: "Das gemeinsame Servicecenter Fahrgastrechte wird von DB Dialog Telefonservice GmbH betrieben und wird von den teilnehmenden Eisenbahnen mit der Durchführung der Fahrgastrechte, insbesondere von Erstattungs- und Entschädigungsvorgängen, beauftragt. Das Servicecenter Fahrgastrechte bearbeitet ausschließlich Kundenforderungen im Zusammenhang mit den neuen erweiterten Fahrgastrechten. Die vielen sonstigen Kundenfragen, Hinweise oder Beschwerden anderer Art werden dort nicht bearbeitet. Insofern kann das "gemeinsame Entschädigungsverfahren" auch nur ein Fragment der ganzheitlichen Fahrgastbetreuung abbilden. Die Teilnahme am gemeinsamen Entschädigungsverfahren steht grundsätzlich allen Eisenbahnverkehrsunternehmen offen. Hierzu wäre eine entsprechende vertragliche Regelung zu treffen."
2. Frage: Ist geplant, dies zu ändern, oder wird die getrennte Regelung auch in Zukunft beibehalten? Wer ist personell verantwortlich für den Status Quo der getrennten Entschädigungslösung?
Antwort: "Abellio Rail NRW hat sich gegen die Teilnahme am gemeinsamen Entschädigungsverfahren entschieden. Mit der unternehmerischen Entscheidung, sämtliche Kundeneingaben und Erstattungsanträge selbst zu bearbeiten, können wir ganz gezielt eine Bearbeitung aller Kundenanliegen aus einer Hand anbieten und auch gewährleisten (siehe auch Nr. 3). Uns ist bewusst, dass es in Einzelfällen zu doppeltem Aufwand bei den Kunden kommen kann, die Ihre Fahrgastrechte zunächst beim Servicecenter geltend gemacht haben, obwohl Abellio Rail NRW als vertraglicher Beförderer zuständig wäre. Das ist der kritische Punkt. Unser Lösungsansatz und gleichermaßen unser Wunsch hierzu wären, dass solche Erstattungsanträge direkt vom Servicecenter an die entsprechenden Eisenbahnverkehrsunternehmen weitergeleitet würden. Für den Fahrgast wird doppelter Aufwand vermieden und er erhält direkt vom Eisenbahnverkehrsunternehmen die entsprechende Antwort respektive Regulierung. Dem stehen nach Aussage des Servicecenters jedoch datenschutzrechtliche Bedenken entgegen. Wir arbeiten jedoch an diesem Problem und streben eine pragmatische Lösung im Sinne des Kunden an."
3. Frage: Halten Sie dies für besonders kundenorientiert, oder worin besteht aus Ihrer Sicht der besondere Vorteil dieser getrennten Lösung für Ihre Kunden?
Antwort: "Grundsätzlich sind die Eisenbahnverkehrsunternehmen Ansprechpartner für alle Kundenanliegen. Neben Erstattungen oder Entschädigungen im Rahmen der Fahrgastrechte (gem. § 17 Eisenbahnverkehrsordnung) bearbeiten wir eine Vielzahl von Anträgen, die über die gesetzlichen Fahrgastrechte hinausgehen, zum Beispiel Fahrpreiserstattungen bei falsch gekauften Tickets auf Grundlage der regionalen Tarifbestimmungen oder Erstattungen von Taxikosten im Rahmen der NRW-Mobilitätsgarantie. Um in jedem Fall die für unsere Kunden günstigste Lösung zu finden und insbesondere auch für Kulanzentscheidungen halten wir es erforderlich, alle Anträge selbst in unserem Hause zu bearbeiten."
Tipp: Sofern Sie also als Bahnreisender erkennen, dass eine Verspätung, die gegenüber der Deutschen Bahn zu einem Erstattungsanspruch beim 'Servicecenter Fahrgastrechte' berechtigt, ursächlich auf die Abellio GmbH zurückzuführen ist, stellen Sie Ihren Entschädigungsantrag gleich von Anfang an gleichzeitig bei beiden Unternehmen. So kommen Sie von Anfang an schneller zu Ihrem Geld. Ein 'gemeinsames Entschädigungsverfahren' ist nämlich auf absehbare Zeit nicht in Sicht.
Autor:Jörg Michael aus Iserlohn |
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