Buchbesprechung: Wert und Werte im Bildungsmanagement

Lassen sich Bildung und Management überhaupt in einen Kontext bringen?
Gerd Schweizer, Ulrich Müller und Thomas Adam haben in ihrem Buch Wert und Werte im Bildungsmanagement die Beiträge des 2. Ludwigsburger Symposiums Bildungsmanagement zusammengefasst und beginnen die Einführung mit dem Missverhältnis zwischen den Fragen der Bildung und den Fragen des Managements. So würden Manager den kurzfristigen Erfolg der Bildung vermissen und Pädagogen den Methoden des Managements, auf Bildungseinrichtungen übertragen, abwehrend gegenüberstehen. In diesem Spannungsfeld sind Wertediskussionen zentral angesiedelt, heißt es folgerichtig.

Die Finanzkrise des Jahres 2008 mit dem massiven Vertrauensschwund ins Finanzsystem gegenüber Banken aber auch gegenüber Kreditkunden wird exemplarisch für das Wegbrechen gelebter Werte angeführt. Diese Werte bezeichnen die Herausgeber als weiche Faktoren und sehen eine Notwendigkeit der Verankerung dieser in der Bildungs- und Managementpraxis.

Der überwiegend wissenschaftlich gehaltene Diskurs umfasst 19 Themenfelder von der Grundsatzfrage, ob man Bildung managen kann, über ethische Positionen und Bildungscontrolling bis zu Fragen der Führung und der Nachhaltigkeit in der Personalentwicklung.

Wert und Werte im Bildungsmanagement bietet einen gut ausgewählten Perspektivenmix und sensibilisiert hervorragend für noch offene Handlungsfelder in Management und Bildung.

Kann man Bildung managen?

Nach einer kurzen Betrachtung der Begriffe Bildung, Management und Bildungsmanagement widmet sich Ulrich Müller dem Bild des Bildungsmanagements als gärtnerische Pflege. Dank der Konkretisierung einiger Aspekte, insbesondere dem Bewusstsein, dass wir es mit etwas Lebendigem zu tun haben, dessen Entwicklung immer schon eine Eigendynamik hat und eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, wird sein Bild von Bildungsmanagement sehr griffig und verständlich. Ebenfalls geht er auf den ambivalenten Charakter der Gärtner-Methapher ein. Er grenzt damit seine Betrachtung, dass Bildung selbst nicht direkt gemanagt werden kann von der Bewirtschaftung und Organisationen der Prozesse, die der Entfaltung von Bildung dienen sollen, ab.

Werte als Kompetenzkerne

Deutlich abstrakter ist der Beitrag von J. Erpenbeck, der mit den Gedanken zu komplexen und selbstorganisierenden Systemen, des Physikers Hermann Haken beginnt. Der KompetenzAtlas (Heyse/Erpenbeck) und der Werteatlas (Brenninkmeyer) veranschaulichen die Zusammenhänge der personalen, aktivitätsbezogenen, fachlich-methodischen und sozialen Kompetenz mit den Genuss-, Nutzenwerten, ethischen und politischen Werten.
Besonders aufschlussreich erscheint jedoch die klare Aussage, dass eine emotionale Labilisierung (Anrühren, Irritieren, Aufbrechen und Umorientieren von Emotionen) in den wenigsten Fällen ein angenehmer Prozess sei. Aber genau auf diese Interiorisation (Umwandlung von bloß gelernten in eigene Emotionen und Motivationen) kommt es an, wenn Werte als Kompetenzen entstehen sollen.
Erpenbeck sieht dadurch gesteuerte Entwicklungsprozesse grundsätzlich verändert und den Weg von der Wissensgesellschaft, wenn auch mit vielen Stolpersteinen, zur Kompetenzgesellschaft.

Leitbildgestützter Organisationswandel als Vermittlungsaufgabe zwischen gegensätzlichen Werten

Bei der Entwicklung von Leitbildern ist neben den Inhalten insbesondere die Vorgehensweise für Michael Krüger wesentlich für eine erfolgreiche Umsetzung. Er stellt drei Thesen über die Herausforderung für das Führungsverständnis, die Integration gegensätzlicher Qualitäten und den Wertepaaren Positionierung und Partizipation auf. Eine Schlussfolgerung ist, die positiven Seiten von Gegensätzen bei der Leitbilderstellung im Sinne von Regenbogenqualitäten einzubinden. Dabei bezieht sich Krüger auf Friedemann Schulz von Thun, der das Aufeinandertreffen von Gegensätzlichkeiten (Regen und Sonne) als Basis für die Entstehung etwas faszinierend Neuem beschreibt.

Bildungscontrolling

Unternehmenswerte steigern und als Erfolg benennen. Friedhelm Großmann beschäftigt sich tiefgehender als nur mit einer die Kapitalkosten übersteigender Rendite mit der Frage: „Was meint Wertsteigerung?“ Er geht der Balance zwischen Wertentwicklung und Wertsteigerung auf den Grund und verfolgt durchweg eine ganzheitliche Betrachtung von Bildungsmaßnahmen und deren Auswirkungen auf Unternehmen.
Wenngleich Großmann zu Beginn kritisch anmerkt, dass Bildungscontrolling in Umfragen unter Personalern eine eher nachgeordnete Rolle einnimmt und sich meist lediglich auf die Kostenerfassung beschränkt, wird im zweiten Kapitel schnell deutlich, dass es trotzdem eine immense Auswirkung auf die Personalentwicklung hat. Bildungscontrolling umfasst neben der quantitativen auch die qualitative Dimension und hat damit einen direkten Einfluss auf die oben benannte Wertsteigerung.

Um dies noch besser zu verdeutlichen, beschreibt Großmann das VALUE-Konzept:
Value your company
Analyze your potentials
Lever your performance
Upgrade your know-how
Ensure your sustainability
Sind also die Ziele benannt, Potentiale erkannt, Maßnahmen definiert und umgesetzt, gilt es die Umsetzung genauer zu betrachten, Hindernisse zu erkennen und die Auswirkungen in der täglichen Praxis intensiv zu beobachten.
Ganzheitlich bedeutet, dass ein Hebel auf einer Seite Wirkungen auf einer anderen Seite auslösen kann. Systemisches Controlling nutzt diese Erkenntnisse, um die eingeleiteten Maßnahmen erneut anzupassen, mit den aktuellen Zielen und Potentialen abzugleichen und schlussendlich in einem permanenten Kreislauf zu münden.
Auch dem (vielleicht eigentlichen Bildungscontrollings-) Problem der Messbarkeit von Erfolgen in der Bildungsarbeit widmet er ein eigenes Kapitel.
Ob Balanced Scorecard oder eine Verknüpfung von pädagogischen Sachzielen und ökonomischen Formalzielen, Ergebnissen oder Potentialen/Kompetenzen – Großmann sieht zwar kein „Bewertungs-Ei des Kolumbus“ aber grundsätzlich die Messbarkeit von Erfolg und Nutzen in der Weiterbildung als lösbare Aufgabe. Dass Bildungscontrolling eine Führungsaufgabe sein muss, ist in diesem Kontext nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen.

Zum Schluss bleibt aus Managersicht der Wunsch einer eindeutigen Bewertungsmöglichkeit der Bildungsarbeit offen. Dazu kommen die Zukunftshinweise: dauerhaft, nachhaltig, in künftigen Märkten, langfristige Perspektive, die sich in allen Kapitel wieder finden und der heutigen Kultur der Kurzfristigkeit entgegenstehen. Aus Sicht eines Bildungsanbieters bleibt der Wunsch an Manager, endlich wieder perspektivische Verantwortung zu übernehmen und Mut zu „neuen“ Controllinginstrumenten zu bekommen.

Transfermanagement – Effizienz in der Weiterbildung: ein Best-Practice-Beispiel

Die Flughafen Stuttgart GmbH lebt ein strukturiertes Bildungssystem für ihre Führungskräfte. Dank Friedemann John und seiner sehr verständlichen Darstellung mit Formularbeispielen wird es übertragbar für andere Bildungsverantwortliche.
Eine Kernaussage erfolgt bereits im ersten Absatz: „… wer viel Verantwortung trägt, braucht […] praxistaugliche Unterstützung – permanent.“ Ob die Bildungsbedarfsanalyse, die Rahmenbedingungen, die einzelnen Maßnahmen oder die Umsetzung in die Praxis nebst Erfolgskontrolle, der gesamte Prozess ist anschaulich beschrieben und zeigt die Relevanz aller einzelnen Schritte für die kontinuierliche Umsetzung in die tägliche Arbeit.
Konsequent so umgesetzt erhält die Bildungsarbeit ihre Erfolgsfaktoren und wird gleichzeitig gemanagt – ein gelungenes Beispiel, dass die Fragestellung der Einleitung und ersten Kapitels „Kann man Bildung managen?“ wunderbar beantwortet.

Zwischen Gier und Moral – Wege in die Krise und wieder heraus

Die Verlockung ist allgegenwärtig – so scheint es, wenn man Dominik H. Enste und seine Reise durch die Medien-, Unternehmens-, Individual- und Ordnungsethik liest. Zwischen Massenentlassungen trotz Milliardengewinnen und Korruption mit 3000-jähriger Geschichte wird es fast selbstverständlich, dass ethische Grundlagen differenziert gelebt werden.
Enste gelingt es mit wenigen Seiten die Komplexität der Poole Gier und Moral in ihrer logischen Abhängigkeit darzustellen. Die Individualethik beendet er mit der Verantwortung der Eliten und deren Vorbildfunktion. Für die von ihm geforderte Transparenz und Glaubwürdigkeit lassen sich aus heutiger Sicht jedoch noch viele Negativbeispiele benennen. Vielleicht liegt genau hier eine der größten Herausforderungen für die Zukunft.

Vom Buchrücken

Bildungseinrichtungen stehen in einem Spannungsfeld zwischen ihren pädagogischen Ansprüchen und der Notwendigkeit eines effektiven Managements.
Die Beiträge und Ergebnisse des 2. Ludwigsburger Symposiums Bildungsmanagement beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven die Wertediskussion, die sich in diesem Spannungsfeld entwickelt. Die Themen der zehn Foren reichen von der Diskussion ethischer Positionen über die Fragen des Bildungscontrollings oder des Führungshandelns bis zur Nachhaltigkeit in der Personalentwicklung.
Die Beiträge des Bandes spiegeln neben den vielfältigen Zugängen auch die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Berufsbiografien wider. So bilden die Beiträge international anerkannter und namhafter Wissenschaftler wie Dieter Euler und John Erpenbeck, verbunden mit der Erfahrung von Persönlichkeiten aus der Managementpraxis und bereichert durch neuartige Ansätze von Nachwuchswissenschaftlern, ein anregendes Spektrum im Themenkontext von Werten im Management.

Gerd Schweizer, Ulrich Müller, Thomas Adam
Wert und Werte im Bildungsmanagement
W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2010
341 Seiten, Euro 34,90
ISBN: 978-3-7639-4237-4
www.wbv.de

Autor:

Michael Piegsa aus Essen-Süd

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