Buchbesprechung: Public Relations in der Erwachsenenbildung

Wie geht erfolgreiche PR-Arbeit? Eine Praxisstudie in der Erwachsenenbildung?

Intensive interne Kommunikation und eine gute Zusammenarbeit mit Hochschulen könnte die Öffentlichkeitsarbeit von Bildungsinstituten positiv unterstützen und bietet die Chance, ein klares eigenes Profil zu bilden.

Christian Renner, Leiter des International Office der Fachhochschule Neu-Ulm hat sich in einer jüngst veröffentlichen Studie mit dem Thema Public Relations in der Erwachsenenbildung - Selbstverständnis und Realisierung von Öffentlichkeitsarbeit als Chance zur Profilbildung am Beispiel Evangelischer Bildungswerke – beschäftigt.

Er kommt dabei zu folgenden zentralen Erkenntnissen
- Werbung ist ein Teilaspekt von Öffentlichkeitsarbeit und wird nicht grundsätzlich negativ empfunden.
- Zeit und Personal sind für die Öffentlichkeitsarbeit ausschlaggebender als Geld.
- Persönliche Kontakte sind maßnahmenübergreifend das zentrale Element gelingender Öffentlichkeitsarbeit.
- Evangelische Erwachsenenbildung braucht interne Öffentlichkeitsarbeit, um als gleichwertiges Handlungsfeld in der evangelischen Kirche akzeptiert zu werden.
- Der Aufwand für einen Internetauftritt ist gegenwärtig höher als der Ertrag – aber er ist eine Investition in die Zukunft.
- PR-Kontrolle wird nicht als wesentliche Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit empfunden und erfolgt höchstens unsystematisch.

Als wesentlichen (pädagogischen) Faktor sieht Renner jedoch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Universitäten, denn im Unterschied zu Kooperationen mit anderen Einrichtungen und Bürgerinitiativen, die bereits als Chancenreich von den Evangelischen Bildungswerken angesehen werden, wurde eine Brücke zu Hochschulen bislang nicht gebaut.

Gewinnen könnten Einrichtungen der Erwachsenenbildung dabei gleich mehrfach:

Studenten der Pädagogik oder Andragogik könnten in Seminaren theoretische Erkenntnisse mit praktischen Erfahrungen verknüpfen. Es könnte ein systematisches schriftliches PR-Konzept entwickelt werden, welches besonders für ehrenamtliche Mitglieder der Gemeinden als Unterstützung einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit dienlich wäre.

Das Internet bietet großen Gestaltungsraum für versierte Studenten einerseits ihre Kreativität und wissenschaftliche Kompetenz einzubringen und andererseits durch intensive Betreuung seitens der Bildungseinrichtung die eigene Praxisarbeit zu reflektieren.

Allein aufgrund des Altersunterschiedes besteht bei Mitarbeitern der Bildungswerke Bedarf im Bereich der neuen Medien geschult zu werden. Studenten könnten Seminare durchführen und dadurch ihre eigenen medienpädagogischen Fähigkeiten vertiefen.

Durch eine verstärkte Kontaktaufnahme der Bildungswerke mit Hochschulen würden Interessenten für derartige Projekte gewonnen.

Die pädagogische Forschung könnte den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit von Bildungseinrichtungen intensiver betrachten und daraus weitere Forschungsfragen ableiten. Zum Beispiel, wie PR-Gestaltungen auf die Wahrnehmung von Bildungsangeboten und deren Qualität wirken oder wodurch interne Öffentlichkeitsarbeit beeinflusst wird.

Christian Renner hat in seiner Studie den Blick auf evangelische Bildungswerke eingegrenzt und damit eine wissenschaftlich greifbare Fokussierung vorgenommen, die zwar nur bedingt auf andere Organisationen übertragbar scheint, jedoch viele betrachtungswerte Ansatzpunkte liefert.

Die intensive Auseinandersetzung mit den Grundwerten der evangelischen Bildungsarbeit zeigt zunächst völlig losgelöst von Fragen der PR-Arbeit, wie komplex eine Profilfindung oder auch –bildung ist.
So zeigen sich zum Beispiel Lernhindernisse in der Arbeit mit Menschen, die es bislang nicht gewohnt waren, an solchen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Dazu zählen Lernhemmnisse, Lernklima, Sprachbarrieren oder Probleme, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen. Am Menschen orientiert zu arbeiten heißt, sich darauf einzustellen.
Heinrich Pestalozzi hat dazu das ganzheitliche Lernen als Lernen mit Kopf, Herz und Hand, also Sachwissen praktisch anzuwenden, um im Leben zu bestehen, definiert.

Renner macht deutlich, wie schwierig es ist, diese Grundsätze mit Leben zu füllen und weist dabei auch auf den Konflikt zwischen öffentlicher Erwachsenenbildung und innerkirchlichem Auftrag hin, der unter anderem stark von finanziellen Auswirkungen geprägt ist. So wird die öffentliche Erwachsenenbildung mit „weltlichen“ Lernzielen durch die Länder gefördert, innerkirchliche, also religiöse Themen unterliegen dagegen allein der gemeindlichen Finanzierung.

Er führt weiter das Spannungsfeld Kirche, Bildung und Markt an. Die klassische Bildungsarbeit ist vom Verkündungsauftrag zu trennen, bietet aber durch die pädagogischen Kompetenzen interne Entwicklungsmöglichkeiten für Kirchenmitglieder und Kirchenansichten, was wiederum zu einer Distanzreduzierung von Kirche und Markt führen kann. Die Konsequenz sind evangelische Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft, also Bildungszentren und Akademien.
Die Profilbetrachtung der evangelischen Bildungswerke schließt er mit der Erwartung ab, dass das Thema lebenslanges Lernen nach wie vor einen zunehmenden Stellenwert hat.

Im dritten Teil der Veröffentlichung erfolgen verschiedene Begriffsbetrachtungen, die sehr gut recherchiert die Worte Öffentlichkeitsarbeit, Public Relation – oder in Deutschland PR-Arbeit, Werbung und Marketing differenziert zu betrachten erlauben. Hier überwiegt die wissenschaftliche Analyse mit guten Hinweisen zu Primärliteratur, welche Lust auf mehr machen. Eindeutige Definitionen fehlen Renner dabei, was er unter anderem mit den Streuverlusten durch verschiedene Studiengänge, die sich unterschiedlich mit den Fragestellungen Marketing, PR, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation etc. beschäftigen, begründet. Das in den Bildungswerken zu den Themen vorhandene Handbuch, erscheint dabei zu oberflächlich, da es im Resümee lediglich intensive Kontakte zu Medienvertretern empfiehlt. Renners oben bereits benannten Ansätze bieten dagegen spannende und zu Vertiefende Anregungen.

In seinem Buch Public Relations in der Erwachsenenbildung - Selbstverständnis und Realisierung von Öffentlichkeitsarbeit als Chance zur Profilbildung am Beispiel Evangelischer Bildungswerke ist die komplette Studie beschrieben und sind alle Interviews inklusive der jeweiligen Interpretationen von Renner aufgeführt.

Vom Buchrücken
Der Weiterbildungsmarkt im 21. Jahrhundert ist geprägt von einer steigenden Konkurrenz zwischen unterschiedlichsten Anbietern von Erwachsenenbildungsmaßnahmen. Umso wichtiger ist es für Institutionen, sich mit einem klaren Profil auf diesem Markt zu positionieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und dem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Der Autor Christian Renner gibt exemplarisch einen Überblick über die evangelische Erwachsenenbildung in Bayern und stellt anschaulich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der oft synonym verwendeten Begriffe Öffentlichkeitsarbeit und Werbung dar. Anhand von Interviews mit Experten ausgewählter Evangelischer Bildungswerke geht er praxisnah auf das Selbstverständnis und die Realisierung von interner und externer Öffentlichkeitsarbeit ein. Mit seinen Schlussfolgerungen zur Umsetzung von PR-Maßnahmen richtet sich Christian Renner an in der Erwachsenenbildung tätige Praktiker, die auf einer fundierten theoretischen Basis aufbauend, erfolgreich Angebote und Profil ihrer Institution nach innen und außen so darstellen möchten, dass sie neben einer gesicherten Finanzierung auch eine breite Unterstützung von Meinungsbildnern erreichen.

Erschienen im VDM Verlag Dr. Müller
ISBN: 978-3-8364-6005-7
256 Seiten, 79,- Euro
www.bod.de

Autor:

Michael Piegsa aus Essen-Süd

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