Aufrechnung von Kautionsdarlehen, Regelsätze - Zwei neue PKH-Entscheidungen aus Essen

Der Klage gegen die monatliche Aufrechnung eines Kautions-Darlehens kann eine gewisse Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Unter dem Aktenzeichen L 6 AS 727/14 B hob das Landessozialgericht NRW nun eine Entscheidung des SG Dortmund (S 23 AS 4998/12) auf, indem der vorsitzende Dortmunder Richter dem Klägervertreter die Prozesskostenhilfe (PKH) verweigern wollte. Er begründete seine Entscheidung mit unzureichender Erfolgsaussicht.

Dieser Bewertung folgten die Essener Richter nicht. Bei der streitgegenständlichen Darlehenshöhe von 1479 Euro und einer ratenweise monatlichen Aufrechnung in Höhe von 37,40 Euro ab September 2012 folge daraus eine kontinuierliche Bedarfsunterdeckung des Existenzminimums über mehr als 3 Jahre.

Der Beschluss fasst das Klagebegehren wie folgt zusammen:

„Mit der nach Zustellung vom 10.03.2014 am 10.04.2014 dagegen erhobenen Beschwerde beanstandet die Klägerin, dass die Betroffenen durch diese Art der Bewilligung auf lange Sicht nur Leistungen unterhalb des Existenzminimums erhielten ( Hinweise auf Münder, SGB ll, 5. Aufl. 2013, § 42 a Rn. 17; Hölzer, Info also 2011, 163; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB ll § 42a Rn. 30). Im Übrigen hält die Klägerin es für verfassungswidrig, die Mietkaution aus dem Regelsatz abzuziehen, da die Kaution im Regelbedarf für die Existenzsicherung nicht enthalten sei bzw. die Mietkaution bei der Berechnung der Regelsätze nicht erwähnt werde.“

Die Richter kommen zu dem Schluss:

„Es besteht nicht nur eine weit entfernte Möglichkeit, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren durchdringt. Die Klage hat vielmehr hinreichende Aussicht auf Erfolg.“

Die PKH wurde bewilligt. Die Entscheidung in der Hauptsache dürfte Auswirkungen auf viele Tausend Betroffene haben.

Eine weitere PKH-Entscheidung hatte die Klage wegen Verfassungswidrigkeit der Regelsatzhöhe nach dem SGB II für mehrköpfige Bedarfsgemeinschaften mit Kindern zu Thema. Auch hier hatte die zuständige 23. Kammer des SG Dortmund die Prozesskostenhilfe abgelehnt. ( S 23 AS 3453/12)

„Der Klage fehle die hinreichende Erfolgsaussicht. Das Gericht sehe keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Festsetzung der Regelbedarfe, wie sie durch den Gesetzgeber ab dem Jahr 2011 erfolgt sei. Vielmehr habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundessozialgericht (BSG) die Regelbedarfshöhe für Alleinstehende in den vergangenen Jahren wiederholt bestätigt bzw. nicht beanstandet. Soweit die Berechnung von Einkommen gerügt werde, sei aus dem Vortrag nicht nachvollziehbar, auf welche rechtliche Beanstandung sich die Klage stütze.“

Im Beschwerdeverfahren L 6 AS 726/14 B drang der Klägervertreter durch und der ablehnende PKH-Beschluss wurde aufgehoben.

Die Essener Richter stellten klar, dass ein mögliches Obsiegen nicht zu verneinen sei und widersprachen der Argumentation des SG Dortmund. Die Regelsätze stehen nach wie vor zur Prüfung an. Das zur Verfügung stehende Existenzminimum werde beim BVerfG im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BA 1691/13 gegen das Urteil des BSG vom 28.03.2013 — B 4 AS 12/12 R überprüft und den dortigen Klägern hat das BVerfG bewilligt.

Einschränkungen machte das LSG lediglich dahingehend, dass die Beiordnung eines Anwaltes nur einmalig in einer Regelsatzklage zu bewilligen sei.

Jeder Bescheid ist vermutlich hinsichtlich der Höhe der Regelleistung falsch

Solange das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend über die verfassungskonforme Ermittlung der Regelsätze entschieden hat, ist wahrscheinlich jeder Bescheid falsch. Zur Reduzierung eines Verlustrisikos ist der Widerspruch (Höhe der Regelleistung ) gegen jeden Bescheid so lange zu empfehlen, wie die rechtliche Lage ungeklärt bleibt.

Offensichtlich wird seitens des LSG NRW unterstellt, dass jeder Leistungsbezieher in der Lage sei, für Folgezeiträume, Widersprüche und Regelsatzklagen gegen weitere Leistungsbescheide selbstständig zu stellen. (also Schriftsätze des Anwalts kopieren und Datum ändern? – Ganz so einfach ist es nicht.)

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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