Harald Bräunlich von der Koordinierungsstelle KOST berichtet über die Baustellensituation in der Stadt
"Straßenbaustellen mit erheblichen Beeinträchtigungen werden uns alle noch sehr viele Jahre begleiten”

Harald Bräunlich ist Sachgebietsleiter Verkehrs- und Baustellenmanagement bei der Stadt Essen. | Foto: Elke Brochhagen, Stadt Essen
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  • Harald Bräunlich ist Sachgebietsleiter Verkehrs- und Baustellenmanagement bei der Stadt Essen.
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Nicht erst seit dem Ende der Sommerferien fällt auf: In unserer Stadt gibt es derzeit sehr viele Baustellen. Als Autofahrer ist das eine echte Belastung. Grund genug, einmal bei der zuständigen Stelle der Stadt nachzufragen.

Seit rund 20 Jahren gibt es die Koordinierungsstelle KOST bei der Verkehrsbehörde der Stadt Essen. Sie koordiniert Bauarbeiten auf den Hauptverkehrsstraßen in Essen.
“Aufgrund der in Essen herrschenden Verkehrsdichte lassen sich bei Arbeiten im Straßenraum Behinderungen des fließenden Verkehrs nicht vermeiden”, sagt Harald Bräunlich, Sachgebietsleiter Verkehrs- und Baustellenmanagement. Ziel der KOST sei es, diese unvermeidbaren Verkehrsbehinderungen in Zusammenarbeit mit anderen städtischen Dienststellen, den Bauvorhabenträgern (z.B. Stadtwerke Essen, Ruhrbahn, STEAG etc.) und der Polizei durch Koordinierung und Beratung so gering wie möglich zu halten. “Zu achtzig Prozent handelt es sich um Arbeiten an Ver- und Entsorgungseinrichtungen (Gas-, Wasser- und Entwässerungsleitungen sowie Fernwärme-, Strom- und Kommunikationsleitungen), die für eine Stadt lebenswichtig sind. Die restlichen zwanzig Prozent sind Arbeiten an der Straße selbst (Erhaltung, Aus- und Neubau). Auch diese Arbeiten sind für die verkehrliche Infrastruktur einer Stadt unverzichtbar”, erläutert der Experte. Mit seinen Kollegen bei der Koordinierungsstelle kann er dabei auf die zeitliche Abfolge, die verkehrliche Absicherung und die Planung der alternativen Verkehrsführung Einfluss nehmen. Drei Personen sind dafür im Einsatz und nehmen u.a. jährlich Kontakt zu den wichtigsten Bauvorhabenträger auf, um über zukünftige Baumaßnahmen auf Hauptverkehrsstraßen informiert zu sein. Zusätzlich finden mit einigen Bauvorhabenträgern Quartalsgespräche statt, bei denen individuelle Bauvorhaben und ihre zeitliche Abwicklung besprochen werden. Darüber hinaus muss auch auf kurzfristig notwendige Bauprojekte reagiert und eine möglichst verträgliche Lösung gefunden werden.
Die Gründe für die Situation auf den Straßen im Essener Süden, speziell in den letzten Wochen, sieht Bräunlich zum Teil im Investitionsstau der letzten Jahre und Jahrzehnte bei der Instandhaltung von Brücken, Straßen und Kanalisation. “Kommen daneben weitere Maßnahmen wie große Infrastruktur- oder Stadtentwicklungsprojekte dazu, nimmt die Störanfälligkeit des Verkehrssystems überproportional zu”, so sagt er und verweist auf die Förderung des Radverkehrs, die Verhinderung von Dieselfahrverboten, Essen51 oder Umbauarbeiten um Haltestellen der Verkehrsbetriebe barrierefrei zu gestalten.

"Ist die eine Baumaßnahme beendet, beginnt sicherlich bald irgendwo anders eine neue"

Die Anzahl der jährlichen Baumaßnahmen hat allein in den letzten sechs Jahren von etwa 10.000 auf 15.000 zugenommen. Sicherlich wäre es für alle Beteiligten wünschenswert, wenn jede einzelne von ihnen ohne nennenswerte Einschränkungen des Verkehrs vonstatten ginge. “Dies entspricht aber leider nicht der Realität”, weiß Bräunlich.
Aktuell und auch in Zukunft sieht es bereits so aus, dass nicht alle Bauvorhaben für den jeweils beantragten Zeitraum genehmigt werden können. Bis zu einem gewissen Maße ist ein zeitliches Verschieben möglich, oft sind die Baumaßnahmen jedoch an Termine gebunden, es bestehen rechtliche Verpflichtungen oder die Maßnahmen sind unaufschiebbar (zum Beispiel bei Reparaturen). Abgesehen davon werden die zu erwartenden verkehrlichen Probleme lediglich zeitlich verschoben, da sich derzeit leider kein Abebben der aktuellen Anzahl der Baumaßnahmen abzeichnet.
Nach Einschätzung der KOST sind besonders der Innenstadtbereich sowie der Essener Norden von den Maßnahmen betroffen. Unwägbarkeiten bei den örtlichen Gegebenheiten, wie gefundene Kampfmittel, unbekannte Hohlräume oder Untergründe, die trotz vorherigen Probenahmen nicht entdeckt wurden, führen oft zu zusätzlichen Verzögerungen. “Es gibt einen passenden Spruch dafür: Vor der Schippe ist es dunkel!“, so Bräunlich. Das bedeutet, dass man erst weiß, welche konkreten Rahmenbedingungen vorliegen, wenn man tatsächlich mit einem Bau beginnt. Dazu können Schwierigkeiten während des Bauablaufes kommen, von Verzögerungen bei der Materiallieferung, über Personalengpässe, bis hin zum schlechten Wetter.
Für alle, die bei der Fahrt durch den Berufsverkehr an den Baustellen verzweifeln, gibt Bräunlich folgende Tipps: An sich hilft es am meisten, wenn möglichst viele Menschen auf nicht unbedingt notwendige Fahrten verzichten und dabei auf alternative Verkehrsmittel umsteigen, wie der ÖPNV, das Rad, zu Fuß gehen oder Fahrgemeinschaften bilden. Coronabedingt arbeiten ja auch viele gerade aus dem Homeoffice, auch das reduziert den Verkehr etwas.
Sollten Fahrten nicht vermeidbar sein, können vielleicht verkehrsärmere Zeiten genutzt werden, hofft Bräunlich. Und weiter: “Ansonsten empfehle ich, einfach die Ruhe bewahren, denn das mindert den Stress und kann Unfälle verhindern. Unfälle in einer Baustellensituation erhöhen die Verkehrsbeeinträchtigungen noch viel stärker.”

Wie geht der Experte privat mit den Baustellen um?

Natürlich ist auch Harald Bräunlich als Privatpersonen immer wieder von den Baustellen betroffen. Er hat seinen Weg zum Umgang mit den Einschränkungen gefunden: “Natürlich ist es nicht schön, wenn notwendige Baumaßnahmen entweder Umwege und damit längere Fahrwege erforderlich machen und/oder für denselben Weg mehr Zeit in Anspruch nehmen. Das muss ich dann in meinem Zeitmanagement einplanen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch tägliches Ärgern noch keine Maßnahme früher beendet wurde. Allerdings bin ich auch eher ein Mensch, der in solchen Situationen die Ruhe bewahren kann. Was ich ändern kann, versuche ich zu ändern, was nicht, muss ich hinnehmen wie es ist. Stehe ich im Stau, lasse ich mich durch gute Musik ablenken.” Nicht selten wird er auch von Freunden und Bekannten auf konkrete Maßnahmen angesprochen. “ Dann kann ich den ein oder anderen Hintergrund erklären: warum die jeweilige Maßnahme notwendig ist, warum sie (gefühlt) so viel Zeit in Anspruch nimmt oder gerade zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden muss. Denn oftmals sind zeitliche Abfolgen einzelner Maßnahmen erforderlich, um den nächsten Schritt zu machen oder unterliegen anderen Zwängen: zum Beispiel setzen wir im Moment viele Baumaßnahmen um, die durch den Vergleich mit der Deutschen Umwelthilfe zur Verhinderung von Diesel-Fahrverboten notwendig sind und von denen viele Bürgerinnen und Bürger letztlich profitieren”, glaubt Bräunlich, ”Vielfach muss auch erklärt werden, warum aufgrund des Bauablaufes gerade keine Arbeiter auf der Baustelle zu sehen sind. Das ist ja für viele Menschen das größte Ärgernis. Wenn schon eine Baustelle eingerichtet ist, möchte man darauf auch zumindest Menschen sehen, die arbeiten. Aus meiner Sicht ein völlig menschliches Verlangen und solche Gedanken kommen bei mir ja auch immer auf. Meistens gibt es aber einen guten Grund, wenn keiner zu sehen ist: es finden gerade vorbereitende Arbeiten an anderer Stelle statt, man ist gerade unter der Straßendecke und nicht auf den ersten Blick sichtbar, oder der Asphalt trocknet.”

Schichtdienst auf dem Bau: Warum nicht?

Gerade in den hellen Sommermonaten fragen sich auch viele, warum nicht im Mehrschichtbetrieb gearbeitet wird. Dieses Thema wird immer wieder auch von der KOST angesprochen. Hier wird vielerorts allerdings der Fachkräftemangel sichtbar, so die Stadt. Jobs auf einer Baustelle seien üblicherweise nicht unbedingt die begehrtesten. “Bei Wind und Wetter oder sengender Hitze möchte ich selbst auch nicht gerne draußen arbeiten. Insofern bin ich all denen dankbar, die diese Jobs ausüben, damit die Infrastruktur, die uns allen das Leben erleichtern, erhalten bleiben oder verbessert werden. Jeder möchte fließendes Wasser, eine warme Wohnung oder gute Straßen haben. Die notwendigen Arbeiten dafür sollen aber nach Möglichkeit nicht vor der eigenen Haustüre oder auf den regelmäßig genutzten Wegen passieren”, fasst der Sachgebietsleiter zusammen, “Das ist ein Dilemma, welches die KOST leider nicht auflösen kann.”

Autor:

Meike Coenders aus Essen

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