Quergedacht: mein Kommentar
Sozialamt fordert Geldgeschenke einer Oma von den Enkeln zurück
„Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen“, so hatte ich es einmal als Kind gelernt. Aber man lernt ja nie aus . . .
Jahrelang hatte eine Frau Geldzuwendungen für Ihre beiden Enkelkinder in Form monatlicher Zahlungen á 50,00 € auf zwei Bonussparkonten angelegt. Das Geld sollte den Enkeln wohl den Start in die Volljährigkeit erleichtern.
Aber als die Großmutter im Januar 2015 zum Pflegefall wurde, reichte die Rente von 1150,00 € nicht aus, um die voll stationäre Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung zu decken. Offensichtlich schieden die Einkommensverhältnisse der Kinder zur Heranziehung zur Mitfinanzierung aus, so dass die klagende Behörde die minderjährigen Kinder mit ihren Sparbücher zur „Sippen-Haftung“ herangezogen wurden.
Am 24.06.2015 wurde den Eltern ein Anhörungsschreiben zugesandt. Die Sozialbehörde meldete Rückforderungsansprüche gegen die noch minderjährigen Kinder an und wollte die Spareinlagen der Kinder abgreifen.
Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 07.09.2015 leitete die Klägerin die Rückforderungsansprüche auf sich über.
Selbst wenn das Urteil des OLG Celle hier suggeriert, dass der Griff in das Sparschwein der Kinder vom derzeit geltenden Recht abgedeckt ist, so ist dies in den Augen des Verfassers erbärmlich und verachtenswert. Es mangelt wohl an einer angemessenen Rechtsethik. Dazu:
Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht – die Radbruchsche Formel
Wie weit die zum Zeitpunkt der Anhörung ca. 14 und 11 Jahre alten Kinder überhaupt Kenntnis von den Konten und dem beabsichtigten „Behördenraubzug“ hatten, ist nicht erkennbar.
Auch findet sich kein Hinweis, ob sich das Vorgehen der Behörde möglicherweise belastend auf die Oma-Enkel, oder auch Oma-Kinder-Beziehung ausgewirkt hat. Aber auch ohne Worte signalisiert die Behörde unmissverständlich: „Eure Mutter/Oma ist nur noch ein Kostenrisiko für Euch alle.“
Für 29 Monate bis zu ihrem Ableben am 29.05.2017 und sogar noch darüber hinaus bis August 2017 erbrachte diese nicht näher genannte Klägerin angeblich Sozialleistungen in Höhe von 25.040,93 €. Welche Sozialleistungen für die drei Monate nach dem Ableben noch erbracht wurden, ist dem Urteil des OLG Celle vom 13.02.2020, Az. 6 U 76/19 nicht zu entnehmen.Sozialleistungen für die drei Monate nach dem Ableben
Für mich geradezu weltfremd, aber informativ (und natürlich juristisch korrekt) sind die im Urteilstext verwendeten Begriffe mit denen diese Großeltern-Enkel-Beziehung verquickt wird.
In der Urteilbegründung ist die Rede von „Anstandsschenkung“, „übergeleiteten Schenkungsrückforderungsansprüchen“, „Einrede der Verjährung“, „sittliche Pflicht zur Schenkung“, „Sittlichkeit aus Nächstenliebe“, „besondere Pflicht für die Zuwendung“, „Geboten der Sittlichkeit“, „sittlicher Pflicht“, Pflichtschenkung“.
Ich muss endlich anfangen mich juristisch in meine Opa-Rolle einzufinden und die juristischen Spitzfindigkeiten nachzulesen.
Die Richter jedenfalls stellten fest: „Der jährliche Wert der Schenkung übersteigt jedenfalls in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Großmutter den Wert eines Gelegenheitsgeschenkes.“ und verurteilten die damals minderjährigen und geschäftsunfähigen Schenkungsbegünstigten zur vollständigen Erstattung:
„1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 5.712,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 16. April 2016 zu zahlen.
Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 5.862,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 16. April 2016 zu zahlen.“
Ob es bei geleisteten Parteispenden bereits zu ähnlichen übergeleiteten Schenkungsrückforderungsansprüchen gekommen ist, darf bezweifelt werden.
Pressemeldung OLG Celle: Regelmäßige Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau können zurückgefordert werden, wenn der Schenker selbst bedürftig ist
Kann man Menschenverachtung besser ausdrücken?
Es kann doch für einen denkenden Menschen darüber kein Zweifel bestehen, dass hier eine Frau beabsichtigt hatte, Ihren Enkelinnen etwas Gutes zu tun.
Vielleicht hätte Sie auch das Geld in eine Pflegeversicherung eingezahlt, um zu vermeiden, dass eine Sozialbehörde die Enkelinnen verklagt und vor den Kadi zieht.
Aber die Entscheidung passt in die Zeit, wo übereifrige Erbsenzähler Flaschenpfandsammlern und Bettlern die willkürlich geschätzten „Einnahmen“ auf die Sozialleistungen anrechnen und Arbeitsrichter Kündigungen beipflichten, weil ein nicht verkauftes Brötchen oder ein Frikadelle „mitgenommen“ wurde.
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Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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