"Schulz-Effekt? Den gibt es nicht" - CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet im Lokalkompass-Interview
Armin Laschet sieht sich durch das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein bestätigt: "Den Schulz-Effekt gibt es nicht", sagt der Spitzenkandidat der NRW-CDU. Und setzt im Wahlkampf-Endspurt auf Angriff und das Thema Innere Sicherheit.
Bisher kannte man Sie als sehr ruhig auftretenden Wahlkämpfer. Das war auch beim WDR-Duell mit Hannelore Kraft so. In der zweiten WDR-Fernsehrunde zwei Tage später zeigten Sie sich auf einmal sehr kämpferisch. Hatte sich in den dazwischen liegenden 48 Stunden etwas Wichtiges verändert?
Laschet: Nein. Ich war genauso, wie ich immer bin, nicht nur in den Debatten des Landtags. Insofern kann ich den Unterschied nicht feststellen.
Vor allem beim Thema Innere Sicherheit scheinen Sie seither einen hohen Erregungspegel zu haben.
Laschet: Mich ärgert vor allem, dass Frau Kraft in den Schönrednermodus verfallen ist. Sie tut so, als sei alles gut im Land, als gäbe es keine Probleme mit der Inneren Sicherheit, in den Schulen sei alles in Ordnung, beim Wirtschaftswachstum alles im Rahmen. Frau Kraft redet an der Realität vorbei. Man muss eine Regierung messen an dem, was sie in den letzten sieben Jahren an Ergebnissen geliefert hat. Und das spricht für sich.
"Mehr Bosbach, weniger Jäger"
In den letzten Tagen machen Sie auch erstmals deutlich, dass Herr Jäger nicht Innenminister bleiben soll. Das war bisher nicht so.
Laschet: Ich habe immer deutlich gemacht, dass ich Herrn Jäger für ungeeignet halte. Ich habe nur nicht seinen Rücktritt gefordert, weil ich das nicht entscheide, sondern alleine Frau Kraft. Er genießt ihr Vertrauen, meins nicht. Darüber werden nun die Wähler entscheiden. Es ist doch offenkundig: Wir brauchen einen Neuanfang bei der Inneren Sicherheit. Dafür hole ich die besten Köpfe zusammen. Wolfgang Bosbach wird mit anpacken dabei, unseren Sicherheitsbehörden das zu geben, was sie an Personal, Ausrüstung und Rechten brauchen. Mehr Bosbach, weniger Jäger: Das ist eine gute Nachricht für das Land, eine schlechte für alle Kriminellen.
Vorausgesetzt, es käme zu einer großen Koalition und die CDU wäre nicht die stärkste Partei. Würden Sie stellvertretender Ministerpräsident werden wollen?
Laschet: Ich kämpfe dafür, dass wir stärkste Partei werden. Für einen echten Politikwechsel braucht es einen Wechsel an der Spitze der Regierung. Nur so schaffen wir den Neuanfang in der Inneren Sicherheit, beste Bedingungen für die Bildung und Vorfahrt für Arbeitsplätze.
Meinungsforscher sagen, dass Sie Schwierigkeiten haben, die CDU-Stammwähler zu mobilisieren.
Laschet: Ich erlebe es im Wahlkampf vor Ort anders – besonders dort, wo die CDU stark ist.
Fürchten Sie den Schulz-Effekt?
Laschet: Ich habe Umfragen nie geglaubt. Das, was man über Monate herbeigeredet hat, es gäbe einen Würselen- oder Schulz-Effekt, stimmt nicht. Den gibt es nicht, das war immer nur eine Inszenierung von SPD-Funktionären. Mit der Wahl in Schleswig-Holstein dürfte sich die Diskussion endgültig erledigt haben. In NRW geht es um Frau Kraft und ihre Bilanz. Und da sehe ich alle Chancen, die Menschen zu überzeugen, dass wir die besseren Konzepte haben.
"Wahlkampf-Rhetorik der FDP"
Herr Lindner wirft Ihnen vor, Sie hätten sich für die SPD schön gemacht.
Laschet: Quatsch. Wir vertreten in unserem Regierungsprogramm das, was wir seit Jahren erarbeitet haben. Das ist Wahlkampf-Rhetorik der FDP, die gleichzeitig Signale in Richtung der Sozialdemokratie sendet.
Er sagt auch, dass eine schwarz-gelbe Mehrheit nicht automatisch eine schwarz-gelbe Regierung nach sich ziehen würde. Sehen Sie das auch so?
Laschet: Ich glaube, dass sich CDU und FDP programmatisch am nächsten sind. Das sagt übrigens auch Herr Lindner. Ob er in Wirklichkeit mit einer Koalition mit Frau Kraft liebäugelt, das müssen Sie ihn fragen.
Sie hatten ja erklärt, auch für Jamaika bereit zu stehen, also für Schwarz-Gelb-Grün.
Laschet: Ich stehe für die CDU.
Sie haben Jamaika aber ins Spiel gebracht.
Laschet: Prinzipiell sagen wir: Keine Zusammenarbeit mit der AfD, keine Zusammenarbeit mit der Linken. Mit Blick auf die Linke gibt es eine solch klare Aussage von Frau Kraft nicht – trotz mehrfacher Aufforderung durch uns. Sie sagt dazu das gleiche wie 2010 – damals paktierte sie als Minderheitsregierung anschließend mit der Linken. Was Koalitionen angeht: Mein Ziel ist es, so viel CDU-Programm wie möglich zu realisieren. Mit wem das geht, stellt man dann in Sondierungsgesprächen fest.
Die Grünen wollen nicht zusammenarbeiten mit der CDU, der sie einen Rechtsruck bescheinigen.
Laschet: Die Grünen wissen selbst, dass das absoluter Blödsinn ist. Frau Löhrmann ist in Panik und in Panik erzählt man schon mal Dinge, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ich stehe für die gleiche Politik, für die ich seit Jahren stehe. Und wenn man sich um Innere Sicherheit kümmert, ist das kein Rechtsruck, sondern Kernaufgabe der Landespolitik. Auch Menschen, die Grün wählen, wollen nachts sicher über Straßen gehen können.
"Es gibt No-Go-Areas in NRW"
Innere Sicherheit ist ein Feld, das momentan auch sehr mit Zuwanderung zu tun hat.
Laschet: Wo das tatsächlich der Fall ist, gilt das gleiche Recht für alle. Aber Einbruchsdiebstahl und No-Go-Areas im Ruhrgebiet gab es auch schon, bevor der Bürgerkrieg in Syrien begonnen hat und Flüchtlinge den Bomben entflohen sind.
Frau Kraft sagt, es gibt keine No-Go-Areas.
Laschet: Dazu kann ich nur sagen: Etwas weniger Zeit im Glaspalast der Staatskanzlei und mehr bei den Menschen tut gut. Der Chef der Polizei-Gewerkschaft, ein DGB-Gewerkschafts- und SPD-Mitglied, sagt, es gibt No-Go-Areas und er bleibt dabei. Die Polizisten vor Ort beschreiben es genauso. Und im Innenministerium und bei Frau Kraft sitzen ganze Stäbe von PR-Leuten, die sagen: nein, das sind keine No-Go-Areas, sondern Angst-Räume. Die können es nennen, wie sie wollen. Fakt ist: Es gibt Orte, an die sich Menschen abends nicht mehr hintrauen. Die Frauen auf der Kölner Domplatte werden diesen Ort in der Silvesternacht als No-Go-Area für sich empfunden haben.
Wie würden Sie das Problem konkret lösen wollen?
Laschet: Wir brauchen ein Signal: Wir haben null Toleranz für Kriminelle. Einbrüche werden wir bekämpfen, indem wir die technische Ausrüstung der Polizei verbessern und ihr auch die gesetzlichen Mittel wie die Schleierfahndung zur Verfügung stellen, mit denen sie den Banden das Handwerk legen kann. Situationen wie in Köln wollen wir gar nicht erst entstehen lassen, sondern gleich am Anfang durchgreifen. Probleme wie Schrottimmobilien im Ruhrgebiet müssen von Anfang an bekämpft werden und nicht erst, wenn 120 Häuser Schrottimmobilien geworden sind und ganze Viertel verfallen. Durch eine klare Politik deutlich machen: Wir akzeptieren nicht, dass Clans glauben, in bestimmten Stadtteilen die Macht zu haben.
"Wollen das sicherste Bundesland werden"
Die Kriminalitätsstatistik weist aus, dass die Einbruchszahlen zurückgegangen sind. Ein Zeichen für gute Arbeit in NRW?
Laschet: Die Zahlen gehen bundesweit zurück, wir haben aber immer noch mehr Einbrüche in NRW als Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zusammen. Die Menschen hier haben aber das Recht, genauso sicher zu leben wie in Bayern. Es darf keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben. Wir müssen uns als Ziel setzen, so sicher zu sein wie das sicherste Land in Deutschland.
Sie wollen mehr Polizisten einstellen. Wie wollen Sie das finanzieren?
Laschet: Aus dem Landeshaushalt. An die Grenze der Ausbildungskapazität zu gehen und 2.300 Polizisten jährlich auszubilden, plant ja auch die amtierende Landesregierung. Wir schlagen zusätzlich vor, 2.500 Verwaltungsassistenten einzustellen, die die Polizei von bürokratischen Aufgaben entlasten. Das würde jährlich maximal 150 Millionen Euro kosten, das haben wir in unserem Konsolidierungskonzept durchgerechnet. Durch diese Maßnahme hätten wir spürbar mehr Polizei auf der Straße, die sich um die eigentliche Ermittlungsarbeit kümmert.
Das Modell gibt es ja schon.
Laschet: Nur halbherzig. Frau Kraft hat – unter Verweis auf das von uns entwickelte Konzept - nach der Kölner Silvesternacht 300 Assistenzen eingestellt, aber befristet und nicht in die Struktur der Polizei eingebaut. Man hat hier versucht, an ein paar Stellen offenkundige Notlagen zu korrigieren. Und genau diese Stellen sollen in Köln nun wieder entfallen – gegen den Protest des dortigen Polizeipräsidenten. Aber 2500 Assistenzen dauerhaft und flächendeckend in einer Polizei-Struktur, in der ein Polizeihauptkommissar nachts keine Radaraufnahmen mehr machen muss, sondern sich um die Aufklärung von Kriminalität kümmert, dieses neue Konzept hat Frau Kraft nicht angepackt. Darüber täuscht ihre symbolische Hauruck-Aktion nach der Kölner Silvesternacht nicht hinweg.
Sie erwähnen die sogenannten Schrottimmobilien. Der WDR-Faktencheck hat ermittelt, dass Ihre Zahlen deutlich abweichen von denen der Stadt Duisburg. Demnach gibt es nur noch 58 dieser Häuser, von denen mache auch schon wieder ganz oder teilweise geschlossen sind.
Laschet: Wie ich höre, hat die Pressestelle der Stadt Duisburg das inzwischen aufgeklärt. Die Zahl 120 hatte ich von meinem Besuch vor Ort. Im September 2016 hatte es demnach noch 120 Schrottimmobilien gegeben. Dann kam eine CDU-Ordnungsdezernentin, die hat endlich eingegriffen und gesagt, ich dulde das nicht mehr. In der Tat ist die Zahl heute niedriger. Genau deshalb sage ich: Das ist ein Vorbild für das ganze Land: konsequent durchgreifen und solche Entwicklungen von Anfang an unterbinden. Die Dezernentin habe ich in mein Team berufen, weil sie so erfolgreich ist.
"Kretschmann löst mehr NRW-Probleme als Kraft"
Noch einmal zur Zuwanderung. Das von Ihnen bereits zitierte Mitglied der Polizeigewerkschaft hat auch gesagt, dass Zuwanderung sehr wohl ein Thema im Bereich der Kriminalität ist. Zum Beispiel durch junge, alleinreisende Männer, die mit den Flüchtlingsströmen gekommen sind. Wie wollen Sie mit dieser Gruppe umgehen?
Laschet: Zuerst einmal gilt: Die Gruppe alleinstehender junger Männer ist in jeder Bevölkerungsgruppe die am ehesten kriminell auffallende Gruppe. In den Flüchtlingsunterkünften sind diejenigen, die Probleme machen, meistens aus Nordafrika: ein Prozent Anerkennungsquote, 99 Prozent ohne Schutzbedürftigkeit und Asylgrund. Ich sage, wir müssen Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklären. Im Bundesrat hat der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann dafür mitgestimmt, Frau Kraft hat sich verweigert. Da frage ich mich, warum löst Herr Kretschmann mehr nordrhein-westfälische Probleme als Frau Kraft? Ich würde im Bundesrat zustimmen. Wer auf der einen Seite Schutzbedürftigen hilft, was wir bei der Flüchtlingskrise in großem Umfang getan haben, muss auf der anderen Seite bei denen, die nicht schutzbedürftig sind, Rückführungen durchsetzen – erst recht, wenn die Betreffenden Straftaten begangen haben.
Wären aus Ihrer Sicht auch Abschiebungen nach Afghanistan möglich?
Laschet: Der Bundesaußenminister beurteilt, ob die Sicherheitslage das zulässt. Er sagt, in bestimmten Regionen geht das. Dieser Empfehlung würde ich folgen.
Für die umstrittene Verfassungsänderung in der Türkei haben in Essen 75 Prozent der hier lebenden türkischen Wähler dafür gestimmt, in Düsseldorf 70 Prozent, in Köln und Münster jeweils über 60 Prozent. Ist die Integration gescheitert?
Laschet: Die, die da abgestimmt haben, sind zumeist türkische Staatsbürger, die sich nicht einbürgern haben lassen und ganz bewusst weiter in der Gedankenwelt der Türkei leben. Aber es ist durchaus bedenklich, dass in Nordrhein-Westfalen mehr Türken für die Verfassungsänderung gestimmt haben als in Ankara, Izmir und Istanbul. Ich finde vor diesem Hintergrund den rot-grünen Plan geradezu aberwitzig, jetzt auch noch denen, die nicht den Weg der Einbürgerung gehen wollen, das kommunale Wahlrecht zu geben. Das ist genau das falsche Signal. Rechte und Pflichten gehören zusammen.
Autor:Martin Dubois aus Essen-Süd |
25 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.