Süd Anzeiger Interview mit dem Essener OB-Kandidaten Oliver Kern
Freiräume schaffen und Dinge von Grund auf kennenlernen
Der SÜD ANZEIGER im Gespräch mit OB-Kandidat Oliver Kern Sie bewundert er: Marie Juchacz, die Gründerin der AWO. Foto: P. de Lanck Kern wuchs mit neun Geschwistern in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im Sulzbachtal in Kray-Leithe auf. "Das erforderte starke Nerven", erinnert er sich. Doch die beengte Wohnsituation zwang ihn quasi zur Solidarität. Mit Menschen zu arbeiten ist bis heute sein Ding und hat ihn in seiner beruflichen Laufbahn immer beeinflusst. Mit unserer Redaktion traf sich der OB Kandidat, um über Themen zu sprechen, die unsere Stadt und den Essener Süden bewegen und auf die er im Rathaus den Fokus legen möchte.
Sowohl bei der AWO als auch beim VKJ war es Oliver Kern wichtig, alle Bereiche von Grund auf kennen zu lernen. So hat er auch in der Groß- und Waschküche, im Bereich Pflege, als Hausmeister und bei den Malern und Tapezierern gearbeitet. Die Basis ist ihm wichtig. Das gilt auch für Engagement im Stadtteil. "Ohne die lokale Ebene würde eine Stadt nicht funktionieren." Man müsse sich vor Ort engagieren und mitmachen.
Nach der Fachoberschulreife besuchter Oliver Kern in den 80ern die Fachschule für Ernährung- und Hauswirtschaft der Stadt Essen, "damals sagte man dazu Puddingakademie", erinnert er sich. Koch wollte er werden, doch die ehrenamtliche Jugendarbeit in Überruhr legte schließlich den Grundstein für eine Erzieherausbildung. Später studierte er parallel und wurde Gesundheits- und Sozialökonom. Über die Leitung zweier Kinderhäuser beim Verein für Kinder-und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet e.V. wurde er Anfang 2006 Geschäftsführer des VKJ und blieb dies bis April 2016. Ebenfalls als Geschäftsführer wechselte er dann zur AWO.
Nach wie vor sind es die Kinder, die ihm nicht nur privat als Vater eines Sohnes und einer Tochter am Herzen liegen, sondern die ihm auch beruflich wichtig sind. "Im Essener Süden gibt es bisher nicht ausreichend Kita-Plätze", betont Kern und nennt die Stadtteile Rüttenscheid und Bredeney als Beispiel. Hier würde er im Rathaus gern nachbessern. In diesem Zusammenhang ist ihm auch wichtig, geförderten Wohnraum zu schaffen, "für eine gesunde Mischung und dass alle sich Wohnraum auch im Essener Süden leisten können."
Im Hinblick auf ein gesundes Lebens- und Wohnumfeld ist es Kern wichtig, Frischluftschneisen zu erhalten und in Sachen Bebauung keine Landschafschutzgebiete in den Blick zu nehmen. "Wir sollten die Klimakrise ernst nehmen, sie ist da und wir müssen etwas tun!" Als einer der ersten, betont er, sei er dem Rad-Entscheid beigetreten und will künftig dafür sorgen, dass das Verkehrskonzept neu überdacht wird. Eltern ruft er dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Kinder lernen, mehr zu Fuß zu gehen, um so auch mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu erlangen.
In Sachen Kompatibilität von Kindern und Job glaubt Kern, dass es an der Zeit ist, Arbeitgeber aufzufordern, im Hinblick auf Kinderbetreuung über andere Arbeitszeitmodelle nachzudenken. "Es müssen mehr Freiräume für Familien geschaffen werden!" Man müsse das Thema Kita und Schule quasi vom Kind aus denken, "diese Diskussion möchte ich gerne als OB lostreten."
Das Thema Gesundheit in dieser Stadt sieht er aktuell problematisch. "Das, was derzeit im Essener Norden geschieht, geht gar nicht", betont er, zudem sei Contilia ein katholischer Träger. Hier müsse der Gesetzgeber nachlegen und die Gesundheitsversorgung neu überdenken. "Man darf nicht nur nach Profit entscheiden - auch belastete Stadtteile haben ein Recht auf eine gute Versorgung."
Frischluftschneisen im Süden erhalten
Trotz vieler Jahre Tätigkeit im sozialen Bereich sieht sich Kern breit aufgestellt. 2009 und 2012 wurde er Unternehmer des Jahres - nicht zuletzt auch durch das Qualitätsmanagement, das er beim VKJ erfolgreich implementierte, und eine von ihm entwickelte Kita-Software. "I-Pads hatten wir schon lange vor der Digitalisierung in unseren Gruppen", erinnert er sich.
Abschließend möchte die SÜD ANZEIGER Redaktion gerne noch von ihm wissen, wie er die bisherige Corona-Situation erlebt hat. "Sie hat uns alle auf das Wesentliche zurückgeworfen", ist er sich sicher. "Von jetzt auf gleich gab es eine Entschleunigung. Ich hoffe, dass wir uns diese Entspanntheit aus der Krise mitnehmen."
Entspannt wirkt Oliver Kern beim Gespräch auf dem Dach der neuen Zentrale des AWO-Kreisverbandes Essen in den Cranachhöfen in Holsterhausen. Ab sofort nimmt er Urlaub, um voll in den Wahlkampf starten zu können. Bis zum 13. September sind es noch zwei Wochen.
Autor:Petra de Lanck aus Essen-Süd |
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