Essen: Unterrichtsausfall - wenn der Lehrer fehlt...

Kann passieren: Wenn Lehrer kurzfristig ausfallen, müssen sich die Schüler auch schon einmal selbst beschäftigen. Die Finanzmittel für Vertretungskräfte hat die rot-grüne Landesregierung bereits 2013 halbiert.  Foto: Bangert
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  • Kann passieren: Wenn Lehrer kurzfristig ausfallen, müssen sich die Schüler auch schon einmal selbst beschäftigen. Die Finanzmittel für Vertretungskräfte hat die rot-grüne Landesregierung bereits 2013 halbiert. Foto: Bangert
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Freistunde!!! Nach Schätzungen des Landesrechnungshofsfallen rund fünf Prozent der Schulstunden in NRW aus. Die Leidtragenden sind die Schüler. Besserung ist nicht in Sicht!

Denn die Finanzmittel für Vertretungskräfte (z.B. bei längerfristigen Erkrankungen oder Mutterschutz) wurden bereits für das Jahr 2013 in NRW von „Rot-Grün“ auf 25 Mio. Euro halbiert.
Wer Interesse an den Fehlzeiten von Lehrern oder Schülern zeigt, wird enttäuscht. Schon seit 2010 wird dazu in NRW keine Statistik mehr geführt. Die Gründe: Zuviel bürokratischer Aufwand, zu wenig Interesse. Kompensiert werden soll das Konzept einerseits durch qualifiziertere Betreuung bei Unterrichtsausfall, andererseits mindere die geschrumpfte Zahl der Schuljahre die Gefahr - ob diese Strategie wirklich fruchtet, ist leider schwer nachzuprüfen. Es würde bis zu 700 zusätzliche Lehrerstellen erfordern, die Fehlstunden an allen Schulen vollständig zu erfassen, argumentierte damals die rot-grüne Landesregierung. Zudem wurden die Statistiken bis dahin nur stichprobenartig und nicht flächendeckend verfolgt, was kuriose Abweichungen von rund zwei Prozent zwischen schulinternen Zahlen und denen des Landesrechnungshofs hervorbrachte. Deshalb halten Städte und Land seitdem keine Ziffern mehr nach, die das Fehlen von Lehrern oder Schülern belegen könnten. Schulen sind zwar angehalten, weiterhin eine eigene Statistik zu führen, aber verpflichtend ist der Appell nicht.

Geld für Vertretungskräfte
wurde radikal gekürzt

Mehr Qualität soll diese Entscheidung ausgleichen: Bei Unterrichtsausfall dürfen die Schüler nicht wie häufig in alten Tagen Däumchen drehen, sondern werden entweder von einem anderen qualifizierten Lehrer unterrichtet oder schon vorher mit passenden Aufgaben ausgestattet.
Religionsunterricht dagegen wird inzwischen pauschal und verpflichtend ersetzt. Statt wie in früheren Zeiten die Freistunden zu genießen, müssen Abwähler nun verbindlich an praktischer Philosophie oder Ausweichfächern teilnehmen. Eine andere Alternative ist beispielsweise Literaturunterricht, der eine religionsneutrale Werteerziehung anbietet.
Eigentlich ein schlüssiges Argument. Statt die nötigen Lehrstellen in die Erfassung von Zahlen zu investieren, wird den Schülern besserer Unterricht geboten. Und doch bleibt das Problem: Überprüfen lässt sich ein Erfolg der Maßnahme nicht.

Alleinerziehende können
kaum reagieren...

Auch dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter Essen (VAMV) ist das Problem nicht unbekannt. Besonders für Alleinerziehende gestaltet sich ein plötzlicher Stundenausfall oftmals schwierig. „Zum Glück gibt es in Essen an vielen Schulen aber die Grundschule von acht bis eins oder den offenen Ganztag, die dies abfangen“, erklärt Erika Biehne, Vorsitzende des VAMV-Ortsverbandes Essen. Auch die Tagesmuttervermittlung gestalte sich in Essen flexibel und könne vieles regeln.
Z.B. das Gymnasium Essen-Überruhr (GEÜ

) ist eine gebundene Ganztagsschule, darum werden in den Klassen 5 bis 8 alle Stunden vertreten. Die kurzfristige Vertretung erfolgt in der Sek I primär durch entsprechende Fachlehrer. Sollte dies nicht möglich sein, springen fachfremde Lehrer in der jeweiligen Klasse ein. Die letzte Möglichkeit besteht darin, Lehrkräfte mit Bereitschafts- oder Freistunden einzusetzen. Für die Sek II wird kurzfristig kein Vertretungsunterricht erteilt. Alle Lehrer sind jedoch angewiesen, für die Sek I Aufgaben für die Vertretungsstunden und für die Sek II Aufgaben zur eigenverantwortlichen Arbeit zu erstellen.
Bei langfristigen Ausfall von Lehrkräften erfolgt in Sek I und Sek II die Vertretung durch Mehrarbeit - nach Einverständnis der betroffenen Lehrkräfte - oder durch Vertretungslehrer nach dem „Geld statt Stellen“-Konzept. So können am GEÜ Fehlstunden größtenteils vermieden werden.

GASTKOMMENTAR (von Berthold Soloch, ehemaliger stellv. Schulleiter in Essen)

Einsatzreserve
gibt es nicht...

Das Problem „Vertretungsstunden/ Unterrichtsausfall“ ist nicht neu.
Da hat man einen exakten Stundenplan für ein Halbjahr fertiggestellt, für alle Klassen, alle Fächer, alle Lehrpersonen. Dann sitzt man um 7.10 Uhr am Schreibtisch in der Schule. Das Telefon klingelt. Krankmeldung eines Kollegen mit den Fächern „Mathematik“, „Physik“ und „Chemie“, die er in den Klassen 10, 8 und 9 unterrichtet. Sofort an die Arbeit, den Vertretungsplan für - zunächst heute - fertigstellen. Wer von den Kollegen hat genau hier sogenannte „Freistunden“ und kann vertreten? Es müssen ja Personen sein, die diese Fächer unterrichten können und auch dürfen. Jemanden, der „ Musik“, „Sport“ oder „Hauswirtschaft“ unterrichtet, dann in diese Klassen schicken, das kann man zur Not machen, aber nur zur Not. Dann ist es geschafft. Aber um 7.20 Uhr schrillt erneut das Telefon: Krankmeldung für heute der nächsten Person. Fächer diesmal: „Deutsch“, „Englisch“ und „Geschichte“ in den Klassen 6, 8 und 9. Wieder geht die Arbeit von vorne los. Vertretungsstunden und wiederum fach-gerecht. Wer soll vertreten, wenn im Fach „Chemie“ die Themen „Von den Alkanen über die Alkanole zu den Alkansäuren“ fortgesetzt werden müssen, oder in „Mathematik“ das Thema „ Die graphische Darstellung von Exponentialfunktionen“? Kurz nach 7.30 Uhr dann der dritte Anruf, wiederum eine Krankmeldung. Diesmal sind die Fächer „Sport“ und „Mathematik“ in den Klassen 5, 7 und 8 betroffen. Wieder wird versucht, die „Löcher“ für heute zu stopfen. Es ist ja auch kompliziert: Es sind nämlich Klassen, Gruppen und Fächer betroffen, in denen differenziert unterrichtet wird.
Dann muss noch schnell der Bus abbestellt werden, der die Jugendlichen zur Schwimmhalle fährt. Und schließlich geht der Unterricht ja bis 16 Uhr. Man kann versuchen, aus der Not heraus, jemanden in die betroffenen Klassen zu schicken, aber eine „Beschäftigungsstunde“ ist nicht die Lösung. Dann wird der Vertretungsplan für den nächsten Tag aufgestellt. Gottseidank sind zwei Kollegen am übernächsten Tag wieder „ an Bord“, für die dritte, kranke Person wird umgebaut. Das geht aber nur mit sehr viel Verständnis. Eine Einsatzreserve gibt es nicht, und die Qualität des Unterrichts muss gewährleistet sein. Oder doch? Häufig springen Schulleiter und stellv. Schulleiter ein. Alles aber wird im Falle einer Schwangerschaft über den Haufen geworfen. Dann muss der Stundenplan für alle vollkommen neu „ gebaut“ werden.

Autor:

Detlef Leweux aus Essen-Steele

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