Analyse & Konzepte
Bis zum 31.12.2021 Überprüfungsanträge stellen - Wohnkosten und Nebenkostenabrechnungen
Seit 2013 behauptet das Jobcenter Märkischer Kreis in Verbindung mit dem Kreis verlässliche Mietobergrenzen für Leistungsbezieher zu haben.
Das entspricht nicht so ganz der Wahrheit. Der Märkische Kreis hatte bisher noch nie ein gerichtsgeprüftes schlüssiges Konzept zur Bestimmung von angemessenen Mieten.
Aber gleich nach der Erstellung des Konzepts wurde die Veröffentlichung und Herausgabe des Konzeptes durchgesetzt. Dabei wurde einem aufmerksamen Leser schnell auffällig, dass allein 9 von 65 Seiten des Konzepts mit Grafiken einer "Mietwerterhebung Saalekreis 2012" (S. 45-57) belegt waren.
Bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG Dortmund, Az.: S 19 AS 3392/15 am 01.12.2016 liess der vorsitzende Richter Dr. Lund keine besondere Sorgfalt erkennen, weil er sich darüber im klaren war, dass durch das Engagement von RA Lars Schulte-Bräucker die Berufung beim LSG Essen unvermeidbar sein würde. Auch eine Einsichtnahme in die Rohdaten hielt er für verzichtbar. Also eine "Prüfung ohne Fakten".
Seit Januar 2017 verschleppt das LSG NRW unter dem Az.: L 6 AS 120/17 die Entscheidung über die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft im Märkischen Kreis für das Jahr 2014 trotz schwerwiegender Bedenken, die die Nichtschlüssigkeit des Konzepts hinreichend begründen können.
Erst Mitte diesen Jahres wurde dem Antrag des Rechtsanwalts auf Übersendung der vollständigen Rohdaten der Fa. Analyse & Konzepte endlich nachgegeben. Prompt fanden sich weitere Unstimmigkeiten bei der Datenerhebung.
Die Kosten der Unterkunft gehören zu dem soziokulturellen Existenzminimum, von dem das Bundesverfassungsgericht in der Regelsatzklage 1 BvL 1/09 am 09.02.2010 hatte:
"Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind."
Wer sollte sich wehren?
Konkret geschädigt ist vermutlich jeder, der im Leistungsbezug steht und Mietanteile aus seinem Existenzminimum für die Kosten der Unterkunft beisteuern muss.
Jedem, dem beim Jobcenter gesagt wurde, er könne umziehen, wenn er den Rest selber aufbringe, wird - wenn er sich nicht wehrt - auch die kommenden Nebenkosten und Heizkostenrechnungen aufgeladen ("Die Wohnung ist nicht angemessen.")
Immer nur ungeprüfte und klein gerechnete Daten! Die Datenmanipulation zeigt sich z.B. in der Vorauswahl der angeschriebenen Mieter. Das Zahlenmaterial stammt zu einem nicht unbedeutenden Teil vom Jobcenter selbst, also einem durch Tausende von Mietsenkungsverfahren vor sortiertem Wohnungsbestand.
Die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Iserlohn eG hatte auf Anfrage des Vereins aufRECHT e.V. zum "Sozialen Wohnungsmarkt gem. den aktuellen Vorgaben des Märkischen Kreises" am 03.06.2015 freundlicherweise geantwortet, dass zum damaligen Zeitpunkt ca. 900 Wohnungen (von 1.289) den Vorgaben der KDU entsprochen hatten.
"Betrachtet man den gesamten Wohnungsbestand unseres Unternehmens, so kommt man zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den bis zum 31.12.2013 geltenden Sätzen für die verschiedene Haushaltsgrößen durchschnittlich 50 % weniger Wohnraum angeboten werden kann, da durch die Absenkung der Grenzen ca. 8 - 10 m2 weniger Wohnraum bewilligt wird."
"Unser Zahlenmaterial ist nicht in den Bericht der Fa. „Analyse und Konzepte Hamburg" eingeflossen."
Und die Wohnungsgenossenschaft Letmathe-Oestrich eG hatte per Mail mitgeteilt:
"Sehr geehrter Herr Wockelmann,
wir nehmen Bezug auf das am 29.05.15 geführte Telefongespräch. In unserem Bestand befinden sich noch 401 Wohnungen die für den berechtigten Personenkreis in Betracht kommen. Hierbei sind ca. 50 % für Einpersonenhaushalte, 40 % für Zweipersonenhaushalte und 10 % für Familien geeignet.
Durch die Neuberechnung kommen 124 Wohnungen nicht mehr in Betracht. Wie bereits telefonisch erläutert handelt es sich hier um eine Zeitpunktbetrachtung. Durch Kündigungsbedingte Neuvermietung und/oder Modernisierung werden von den derzeit noch 401 Wohnungen jedoch kontinuierlich Bestände für den berechtigten Personenkreis wegfallen. Bei den bereits weggefallenen Wohnungen war in 90 % der Fälle die Höhe der Nebenkosten für den Wegfall ausschlaggebend."
Nach meiner Kenntnis wurde auch die älteste und größte ansässige Iserlohner Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mit einem (aktuellen) Wohnungsbestand von 2.180 Wohnungen in 329 Häusern nicht in die Datenerhebung von Analyse & Konzepte eingebunden.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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