Rätselhafte Taubenliebe
Stadtvögel zieht es seltsamerweise immer auf bestimmte Bäume in Rüttenscheid zurück
Taubenkot erregt naturgemäß den Unmut vieler Leute. Auch im gepflegten Rüttenscheid gibt es ein Fleckchen, an dem sich Tauben allzu gerne aufhalten. Beseitigen lässt sich das Tauben-WC jedoch nicht so leicht.
Die Rüttenscheider Straße säumen viele Bäume. Jetzt, wo die Winterjacken öfters zu Hause bleiben, genießen viele Menschen die Außengastronomie auf der „Rü“ und lassen unvermeidlicherweise Essensreste zurück. Auch verstärken fütternde Passanten die Anziehungskraft des Wohn-, Ess- und Schlafbereichs für die grauen Stadtvögel. Da die Rüttenscheider Straße sich jedoch über zwei Kilometer erstreckt, mutet es doch seltsam an, dass die Tauben einen Bereich von wenigen Metern Länge regelrecht überfrequentieren.
Furchtlose Vögel lassen sich nicht vertreiben
Direkt vor dem türkischen Restaurant „Miran“ hocken sie auf Bäumen, der Boden darunter zeigt an, dass ein fliegender Wechsel auf den begehrten Plätzen den ganzen Tag über stattfinden muss. Dass die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) diesen Platz so oft es geht säubern, versichern nicht nur die Stadtreiniger. „EBE macht hier lange und gründlich sauber“, so Dr. Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR). Auch die IGR hat sich demnach mit dem Problem befasst, doch lösen konnte sie es ebenso wenig. „Abschreckende Vogelattrappen helfen beispielsweise wenig“, erzählt der Beratende Ingenieur, „nach wenigen Tagen haben sich die Tauben daran gewöhnt“ und verkehren wieder regelmäßig auf den begehrten Plätzen.
Des Taubenproblems Herr geworden ist man am Kopstadtplatz. Eine vom Allbau zur Verfügung gestellte Wohnung wurde zur Taubenresidenz umgebaut, wo die Tiere fressen, schlafen und Eier legen, welche dann mit Gipseiern ausgetauscht werden. „Innerhalb von acht Jahren haben wir den Bestand so von 1.300 auf 300 Tauben reduziert“, fasst Tani Capitain, Pressesprecher der Jugendhilfe Essen, den Erfolg des Projekts zusammen.
Ein Modellversuch für Rüttenscheid? Eher nicht. Dass es in Rüttenscheid dafür „keine Räumlichkeiten“, wie Rolf Krane es formuliert, geben dürfte, leuchtet ein. Immerhin sind schon für menschliche Mieter Wohnungen im Stadtteil schwer zu bekommen.
Die „erste Anlaufstelle für Sauberkeit in Essen“, wie es auf der Webseite von pico-bello heißt, informiert darüber, dass beim Füttern der Tiere ein Taubenknöllchen in Höhe von 30 Euro drohe. Da das Ordnungsamt aber nicht rund um die Uhr vor Ort sein kann, ermutigt Silke Lenz, Pressesprecherin der Stadt Essen, Bürger dazu, dem Ordnungsamt Hinweise zu geben. "Selbstverständlich können Anwohnerinnen und Anwohner Personen ansprechen, die beim Füttern beobachtet werden", so Lenz. Um gegen die betreffende Person ordnungsrechtlich vorgehen zu können, wird jedoch sein Name und seine Adresse benötigt. Zusätzlich müssen die Beschwerdeführer dazu bereit sein, gegebenenfalls auch vor Gericht auszusagen.
Umweltschutz, Grünpflege, Tauben?
Miran-Gastronom Nurullah Üzeyiroglu glaubte an den Bürokratiestaat Deutschland und wandte sich an das Gesundheitsamt. Zwei Monate wartet er nun schon auf eine Reaktion. „'Ihr Schreiben wird an Sachverständige weitergeleitet' hat man uns geantwortet“, so Üzeyiroglu resigniert, „danach haben wir nichts mehr gehört.“
Es scheint also, dass eine Lösung des Rätsels um die Taubenliebe zu den zwei Bäumen nicht in allzu naher Zukunft liegt. „Alles, was in Frage kommt, machen wir“, betont Rolf Krane, „wir würden das auch finanziell fördern.“ Da die Bäume aber auch nicht einfach gefällt werden können, plädiert der Erste Vorsitzende für Verständnis. „Im Grunde ist das einfach Natur“, fasst er die Lage zusammen. Vielleicht ist das auch eine Sache, die für die Essenerinnen und Essener in diesem Grüne Hauptstadt-Jahr dazugehört. Zu einem grünen Stadtbild gehört neben Grünflächen, erneuerbaren Energien, Umweltschutz und Müllvermeidung schließlich auch Toleranz und Wertschätzung für Flora und Fauna. Und die macht auch vor Tauben nicht Halt.
Autor:Julia Hubernagel aus Essen-Süd |
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