Verloren im Papier-Dschungel
Projekt-Theater "anders eben" im Formular-Wahnsinn
„Bitte kreuzen Sie an – erbringen Sie den Nachweis – unterschreiben Sie hier..“ Wer kennt nicht den allzu oft aus dem Ruder laufenden Wahnsinn, den Behörden mit zahlreichen Formularen ihren Bürgern zumuten.
Inklusiv-interkulturelles Theaterstück „Formulare“
Nach einem Jahr Vorbereitungszeit war es nun so weit: 16 Darsteller unterschiedlicher Herkunft brachten die Absurditäten zum Ausdruck, die z. B. asylsuchende Flüchtlinge erleben. Erika Römer und Magdalene Merkel vom ZIKK – Zentrum für inklusive Kunst und Kultur schrieben gemeinsam mit ihrem Team das Textbuch, verteilten die Rollen, überlegten sich Kulissen und sorgten für magische visuelle Effekte.
Aufführung im Forum Billebrinkhöhe
Im schönsten Raum des Forums setzten zwei Licht- und Tontechniker die Inszenierung toll in Szene. Passgenau unterstützten sie alle Szenen perfekt mit Licht-, Film- und Spracheinspielern.
Zu Beginn wurde ein kleiner Film auf eine Papierleinwand projektiert, in dem ein Mann gezeigt wurde, der ratlos im Gang einer Behörde von Zimmer zu Zimmer eilt und immer mehr Formulare bekommt. Verzweifelt sprang schließlich der „echte“ Mann, Schauspieler Scharif Naimor, durch die Papierwand und landete auf der Bühne. Die persönlichen Erfahrungen des Schauspielers, der vor drei Jahren aus Tadschikistan nach Deutschland flüchtete, setzte er perfekt um. Er war selbst oft ratlos, wusste nicht, was man von ihm wollte, ließ sich das Behördendeutsch in seine Sprache übersetzen und wurde immer unsicherer. Auch die Angst etwas falsch zu machen, war ständig bei ihm.
Von der Wiege bis zur Bahre Formulare, Formulare
Inspiriert durch Kafkas Geschichte „Vor dem Gesetz“ zeigte das gesamte Ensemble wunderbar die Übertreibungen im Formularland Deutschland. Beamte, die auf der sicheren Seite ihre Macht ausüben wollten, sowie Bürokraten, die alle Zeit der Welt hatten, Anträge zu bearbeiten, wurden von den Schauspielern sehr gut umgesetzt.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Trotz aller Erfahrungen mit Behörden, hat Schauspieler Scharif Naimor, 59 Jahre, seine gute Laune nicht verloren: „Ich bin einfach nur sehr froh, hier in Deutschland zu sein“ erzählt der Mann, der in seiner Heimat Schauspiel studiert hat. „Gerne habe ich die Rolle des ratlosen Asylbewerbers gespielt. Ich bin schon in viele Rollen geschlüpft und immer war es mir wichtig, dass die Person ein gutes Herz hatte, ob Präsident oder Obdachloser.“ Scharif Naimor, der in seiner Heimat als Ausnahmetalent gilt, hat nur einen Wunsch: dass alle in Frieden leben können.
Schauspieler und Musiker begeisterten
„Ich bin restlos begeistert“ sagte Irina Draber, eine der nahezu 100 Zuschauer. „Alles war sehr authentisch, jede Mimik und Gestik stimmte.“
Auch die ausdrucksstarke musikalische Untermalung des Ney-Duos, das mit orientalischer Flöte und Gitarre das gesamte Stück begleitete, machte die Stimmungen sehr deutlich.
Weitere Aufführung
Das Projekt von ZIKK – Zentrum für inklusive Kunst und Kultur e.V. in Kooperation mit dem Integrationsmodell OV Essen e.V., dem Forum Billebrinkhöhe und der RüBühne wird am Mittwoch, dem 11.12.2019 um 20.00 Uhr noch einmal im Rahmen des inklusiven Theaterfestivals in der Rü Bühne, Girardetstr. 10, Essen-Rüttenscheid, aufgeführt.
Alle Beteiligten freuen sich über ein volles Haus – der Eintritt beträgt 7,- €/ermäßigt 5,- €
Autor:Carmen Dluzewski aus Essen-West |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.