Verdi-Oper Simon Boccanegra am Aalto-Musiktheater

Polit-Thriller zwischen den Zeiten

Im Jahr 1857 hob sich für Giuseppe Verdis Oper Simon Boccanegra erstmals der Vorhang am Teatro la Fenice in Venedig. Das Drama gilt zugleich als historisch inspirierter Polit-Thriller, der auch heute nicht minder aktuell ist. Am Aalto-Musiktheater ging nun die Premiere der Inszenierung von Regisseurin Tatjana Gürbaca über die Bühne.

Simon Boccanegra basiert auf einem Drama des Spaniers Antonio García Gutiérrez, das Francesco Maria Piave nach einer Prosaskizze Verdis in ein Libretto verwandelte. Der Durchbruch gelang Verdi jedoch erst 20 Jahre später mit dem Librettisten Arrigo Boito und einer überarbeiteten Fassung, die 1881 am Teatro alla Scala zur Aufführung kam.
Musikalisch durften sich die Sängerinnen und Sänger, der Opernchor und die Essener Philharmoniker unter der musikalischen Leitung von Giuseppe Finzi über mächtigen Applaus des Essener Publikums freuen. Die moderne Inszenierung stieß eher auf geteilte Meinungen und provozierte zahlreiche Buh-Rufe. Eigentlich zu Unrecht: Tatjana Gürbaca präsentiert zwar keine Inszenierung in historischen Kulissen, doch es ist ihr hervorragend gelungen, die Handlung in die heutige Zeit zu übertragen - was erschreckende Parallelen zum Beispiel zum Sturm auf das US-Kapitol aufzeigt. Sie sagt: "Der Gedanke, dass Politik und Privates eigentlich nicht zu trennen sind, interessiert mich bei Verdi grundsätzlich. Das die beiden Sphären keinesfalls getrennt zu denken sind, erzählt Verdi auf ganz spanende Weise. Simon Boccanegra ist im Grunde ein Polit-Thriller, der eine der Geburtsstunden der Demokratie behandelt."
Das reduzierte Bühnenbild von Klaus Grünberg ist sehr wandelbar und modern gestaltet und birgt zahlreiche gestalterische Details - von Lampen bis hin zu im Verlauf ausgehängten Türen, die auch farblich und durch die Beleuchtung stimmig erscheinen und die Handlung perfekt unterstreichen. Ungewöhnlich und sehenswert die teils eleganten, teils farbenfrohen Kostüme von Silke Willrett, die ebenfalls überzeugen können.
Erstmals als Simon Boccanegra auf der Bühne steht der spanisch-amerikanische Bariton Daniel de Vicente, der in den vergangenen Jahren unter anderem als Rigoletto bei den Bregenzer Festspielen zu erleben war. In den weiteren Partien Mitglieder des Aalto-Ensembles: Jessica Muirhead als Boccanegras Tochter Amelia Grimaldi, Carlos Cardoso als Gabriele Adorno, Almas Svilpa als Jacopo Fiesco, Heiko Trinsinger als Paolo Albiani sowie Andrei Nicoara als Pietro.
Die Handlung ist etwas komplex, aber durchaus spannend: Simon Boccanegra ist der erste Doge Genuas und ein Mann des Volkes. Er willigt ein, das Amt des Dogen zu übernehmen, denn er möchte Maria, die Tochter seines Widersachers Jacopo Fiesco, heiraten. Mit ihr hat er bereits eine uneheliche Tochter, die allerdings verschwunden scheint. Als die Glocken seine Wahl zum Dogen verkünden, erfährt Simon Boccanegra vom Tod seiner Geliebten Maria.
Nach diesem Prolog beginnt die eigentliche Handlung 25 Jahre später, Boccanegra ist noch immer an der Macht und kämpft für die Einheit Italiens.
Das Mellodrama mit Prolog und drei Akten gelangt in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln zur Aufführung und dauert insgesamt drei Stunden. Ein Besuch kann uneingeschränkt empfohlen werden.
Weitere Vorstellungen: 17. Februar; 4., 19. März; 5., 20. April; 6. Mai; 14. Juni 2023