Kampf der Puppen: "Der Fall der Götter" im Grillo-Theater

Wer gerade noch oben saß, kann im nächsten Moment bereits fallen. Foto: Martin Kaufhold
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Macht, Ohnmacht, Nacktheit. Jan Neumann zeigt in seiner Inszenierung von "Der Fall der Götter" Menschen, wie sie nun mal sind: voller Bedürfnisse und selten völlig frei. Die reiche Familie Essenbeck bildet davon keine Ausnahme.

Während Familienoberhaupt und Stahlwerkchef Joachim (Jens Winterstein) gerade seinen Geburtstag feiert, brennt in Berlin der Reichstag. Sohn Konstantin (Jan Pröhl), SA-Mitglied und vom Nationalsozialismus überzeugt, soll fortan die an die Kruppsche Firmenlandschaft angelehnte Gussstahlfirma leiten. Doch Sophie (Ines Krug), die Witwe des im Ersten Weltkrieg gefallenen Essenbeckschen Erstgeborenen, hat ihre ganz eigenen Ansichten, wer Chef der Stahlwerke sein sollte. Zusammen mit ihrem Liebhaber Friedrich Bruckmann (Stefan Migge) und dem SS-Mann Aschenbach verfolgt sie ihre Pläne mit einer Härte, die vor Morden nicht Halt macht. Sophies Sohn Martin (Alexey Ekimov), der mal als Kinderschänder, mal als Showgirl seine eigene Triebe zu erfüllen sucht, bleibt dabei Marionette seiner Mutter, gleichwohl er als Erbe des Unternehmens eigentlich als Alleinherrscher walten könnte. Es bedarf dann auch der Einflüsterungen des SS-Mannes Aschenbach, der in Gestalt Stefan Diekmanns eindrucksvoll als arglistige Hexe über den familiären Intrigen schwebt, damit Martin seine Macht erkennt. Wer gerade noch die Fäden in der Hand hatte, findet sich plötzlich in seinen eigenen klebend und unfähig, einen selbstbestimmten Schritt zu tun.

Die Gelüste des Menschen stehen im Mittelpunkt des fesselnden Stücks Neumanns, der das Bühnengeschehen nach Luchino Viscontis Film "Die Verdammten" (1969) inszenierte. Aller Prunk, jegliches Geschmeide und Berge von Pelzmänteln können doch nicht darüber hinweg täuschen, dass der Mensch darunter nackt ist. Nackt und hilflos, den Interessen Mächtiger ausgeliefert und gelenkt von seinen eigenen, sich nie zur Gänze erfüllenden, Ambitionen.

"Der Fall der Götter" erzählt von der unsicheren Odyssee des Menschen auf der Suche nach Bedeutung und dem Zwang, den Nebenmann an Macht, Stellung und Einfluss zu übertreffen. Die Schachfiguren auf der Bühne des Grillo-Theaters bewegen sich dabei unsicher über ein rotierendes Bühnenbild aus grauen Stahlblöcken, die Grabsteinen gleich in den Himmel reichen. Spätestens, wenn die langen Hakenkreuz-Fahnen sich grellrot leuchtend davor schieben, haben die Essenbecks ihre Rolle als Individuen gänzlich eingebüßt.

Termine

Die weiteren Aufführungen finden am 5., 6., 11. und 30. Mai und am 13. und 16. Juni statt.
Karten unter Tel. 81 22-200 oder an tickets@theater-essen.de. 

Autor:

Julia Hubernagel aus Essen-Süd

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