KLEIDER MACHEN LEUTE
Individualität und gesellschaftliche Norm
Je nach Anlass schlüpfen wir in unterschiedliche Rollen und kleiden uns entsprechend: Jogginganzug oder Leggins zum Sport, das Kleine Schwarze und Smoking zum Gala-Dinner, Blazer-Kombination und grauer Dreiteiler im Büro.
Diesen Rollenwechsel bzw. dieses Rollenspiel nimmt die Bilderreihe "Kleider machen Leute" auf.
Meine zerrissene und mit Farben bekleckerte Latzhose steht für "Alltag" und "Arbeitstag". Der "Sonntag" kommt in einem opulenten roten Kleid daher. Die fröhliche Stimmung an einem "Ferientag" läßt sich mit einem luftigen weißen Kleid erspüren. Gedämpfter ist der "Feiertag" in einem grauen Kleid, das nur durch einen bunten Schal aufgepeppt ist.
Gegenüber den freizügigen Bildern ALLTAG, ARBEITSTAG, FERIENTAG, SONNTAG und FEIERTAG fällt das Bild FREITAG aus der Rolle. Eine Burka können wir nicht in das bei uns übliche Modespektrum einordnen. Sie ist uns fremd, wirkt deshalb geradezu bedrohlich und evoziert mannigfaltige Vorurteile - von Unterdrückung der Frau bis hin zu Terrorgefahr. Die Burka stammt aus einer anderen Kultur, in der unsere Vorstellungen von Freizügigkeit und Individualität nicht geteilt werden.
Die Gegenüberstellung zwingt aber auch zum Nachdenken, ob unsere Kleidungswahl wirklich so frei und individuell ist wie es scheint. Wie sorgfältig achten wird doch darauf, bloß nicht over- oder underdressed zu sein. Jeans und T-Shirt in einem Symphonie-Konzert ziehen sicher missbilligende Blicke auf sich. Ein Abendkleid beim Rock-Konzert bleibt kaum ohne hämische Bemerkungen. Die individuelle Wahl des Outfits erfährt deutliche Einschränkungen durch gesellschaftliche Normen.
Wir sollten somit nicht mit überheblichem Finger auf die Burka und andere Ausprägungen fremder Kulturen zeigen, sondern uns selber prüfen, ob wir unseren liberalen Ansprüchen genügen - und zwar nicht nur beim Dress-Code .
Autor:Ewa Ansorg aus Essen-Süd |
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