Gerechtigkeit als Geburtsrecht

Wie schlägt sich der Bettelknabe in der Haut des Prinzen? Foto: Martin Kaufhold
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  • hochgeladen von Julia Hubernagel

Arm und Reich tauschen im Grillo die Rollen

Es sitzt sich unbequem im Essener Norden, so auf dem Boden, den Blick auf die Bühne durch die hohe graue Mauer – die Autobahnumgrenzung der A40– versperrt. Noch unbequemer wird's, wenn die Bewohner auf die Straße treten – Jugendliche, abgehängt, manche hart an der Grenze zur Kleinkriminalität. "Es ist ganz okay so", sagen sie im Chor, "aber eigentlich auch ziemlich scheiße."
Während im Norden auf der einen Theaterhälfte Gewusel herrscht, sitzt man im Süden bequemer. Über einen Fernseher sieht das Nord-Publikum, was in Rüttenscheid, Werden und Kettwig nebenan passiert. Grashof- und Goetheschüler klagen über Leistungsdruck – aber fühlen sich eigentlich doch ganz wohl: "Wir haben nur ganz wenige Ausländer in der Schule. Und auch keine behinderten Kinder – wegen der vielen Treppen."
Frei nach Mark Twain inszeniert Volker Lösch im Grillo-Theater das Märchen von der sozialen Gerechtigkeit. Prinz und Bettelknabe tauschen die Rollen; während der eine die harte Realität der Armut kennenlernt, erfährt der Andere, dass Reich-Sein auch Verpflichtungen und schmerzhafte Rationalität mit sich bringt. Ungleichheit, die zu Twains lang zurückliegendem England gehörte, ist heute noch genauso vorhanden: Mitten in Essen zwischen Bredeney und Katernberg.
"Der Prinz, der Bettelknabe und das Kapital" erzählt die Geschichte des Stillstands; die Armen bleiben arm, die Reichen reich. Denn "wer viel verdient, hat auch viel geleistet" – oder?
Jugendliche aus Nord und Süd, übrigens tatsächlich alles Schüler der Gesamtschule Bockmühle, Geschwister-Scholl-Realschule oder des Helmholtz-Gymnasiums, laden ein, für zweieinhalb Stunden ihre Welt kennenzulernen. Theaterbesucher, die sich nicht scheuen, hinter die Plattitüden der vermeintlichen Leistungsgesellschaft zu schauen, erleben hautnah, wie die Pfeiler der Ungerechtigkeit wanken – und doch stehen bleiben wie je und eh. Muss das wirklich immer so bleiben? 

Termine

Die nächsten Aufführungen finden am 15., 17. und 23. März, 19.30 Uhr, statt.
Karten unter Tel. 81 22-200 oder an tickets@theater-essen.de. 

Autor:

Julia Hubernagel aus Essen-Süd

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