Geheimnisvolles Gewirr
Das Kunstprojekt „Baustelle Schaustelle“ an der Brigittastraße zeigt eine kleine, feine Ausstellung des japanischen Malers und Bildhauers Ryo Kinoshita.
Was für ein Bild! Kaugummifarben. Wirre Muster auf verrutschtem Raster. Abstrakt? Nein, da sind ja überall Körperteile … Netzstrümpfe und High Heels … sollen das Tabledancer sein? Artisten? Meerjungfrauen? Ich stehe im Ausstellungsraum, Brigittastraße 9, und bin fasziniert. Nur drei Werke auf 12 Quadratmeter, aber die haben es in sich. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich verschiedene Materialien: Mini-Perlen auf der Leinwand, Gummiringe, komische Knubbel. Und wie sind diese Figuren bloß gemacht? Mit Plastikfäden aufgestickt?
Farbwülste, akribisch aufgetragen
Die Nachfrage beim freundlichen Fachpersonal ergibt: Nix Stickerei – alles Farbe! Die „Fäden“ sind getrocknete Mini-Farbwülste, akribisch vom Künstler aufgetragen. „An einem kleinen Feld hat er tagelang gearbeitet“, berichtet Projektmitarbeiterin Katharina Bruns aus einem Gespräch mit dem Künstler.
Der geduldige Schöpfer des rätselhaften Gewimmels heißt Ryo Kinoshita. Er ist 1985 in Nagasaki geboren, hat Bildhauerei in Japan und anschließend Malerei in Düsseldorf studiert, zuletzt bei Professorin Tomma Abts. Für die Ausstellung in Rüttenscheid hat ihn eine ehemalige Studienkollegin empfohlen, Teresa Linhard, die am Kunstprojekt „Baustelle Schaustelle“ mitarbeitet.
Non-Profit-Verein fördert Nachwuchskünstler
Genau genommen ist das Kunstprojekt ein Verein. „Baustelle Schaustelle e. V.“ wurde 2007 von der gebürtigen Essenerin Brigitte Krieger gegründet. Seitdem organisieren die ehemalige Lehrerin und ihr Team regelmäßig Ausstellungen im Schauraum an der Brigittastraße, schreiben jährlich einen Kunstpreis aus, veranstalten Vorträge und Gespräche in Düsseldorf. Der Fokus liegt auf dem künstlerischen Nachwuchs. „Der Projektraum bietet eine Plattform, um Arbeiten im Raum zu erproben“, heißt es im Infoblatt des Vereins, und: „Gleichzeitig bietet der Raum für junge Kunst die Möglichkeit, erste Kontakte mit interessiertem Publikum zu knüpfen.“
Der Eintritt in die Rüttenscheider Ausstellung ist frei. Anders als in einer Galerie wird vor Ort auch keine Kunst verkauft. Initiatorin Brigitte Krieger ist dieser Punkt wichtig. „Kommerzialität findet bei uns nicht statt“, betont sie. „Wenn sich jemand für ein Werk interessiert, stellen wir gern den Kontakt zum Künstler oder zur Künstlerin her.“
„Aus dem Kopf heraus mit handwerklichen Fähigkeiten“
Wie finanziert sich so ein Projekt? Es hält sich durch Unterstützung der Vereinsmitglieder und wohlgesonnener Freunde der Kunst über Wasser. Ein Antrag auf Förderung durch die Stadt Essen ist gestellt, läuft aber seit Jahren ins Leere. Sehr zum Bedauern von Brigitte Krieger. Entmutigen lässt sich die rührige Kunstbegeisterte nicht. Es sei doch wichtig zu zeigen, „was junge Menschen aus dem Kopf heraus mit handwerklichen Fähigkeiten alles schaffen können“.
Ideen und handwerkliche Fähigkeiten: Das bringt mich zurück zu Herrn Kinoshitas Arbeiten. Muss mir unbedingt noch die geheimnisvolle Anordnung da hinten ansehen. Grünlila Knetkugeln, nein: Farbkugeln, auf einer Art Wäscheständer, geisterhafte Foliengesichter und eine Korbform, die ziemlich groggy wirkt – ein Wurm? eine Meerestier? Raum für Spekulationen satt. „Ja“, freut sich Brigitte Krieger, „bei dieser Ausstellung denkt man vielleicht erst: Da ist nichts zu gucken! Aber wenn man sich hier im Raum konzentriert hat, geht man anders raus, als man gekommen ist.“
Ryo Kinoshita: „you no we yes“
8.11.–15.12.2019
Baustelle Schaustelle e. V.
Brigittastr. 9
45130 Essen
Öffnungszeit nach Vereinbarung per E-Mail:
kunst@baustelle-schaustelle.de
Autor:Mareike Ahlborn aus Essen-Süd |
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