Erste Premiere im Grillo ist eine Uraufführung
Faust: 200 Jahre später
Selen Kara und Christina Zintl sind die neuen Intendantinnen des Schauspiel Essen und haben - gemeinsam mit ihrem künstlerischen Team - die Vision vom "Neuen Deutschen Theater" (NDT) im gesamten Stadtraum. Eine erste Kostprobe davon gab's nun im Grillo Theater mit der Uraufführung von „Doktormutter Faust“ von Fatma Aydemir frei nach J. W. von Goethe.
Man nehme: „Faust“, den berühmten Klassiker von Johann Wolfgang von Goethe, veröffentlicht vor mehr als 200 Jahren. Greife zur feministischen Überschreibung von Fatma Aydemir und stelle sich auch auf der Bühne die Frage: Was wäre Faust für eine Figur in unserer Gegenwart?
Das Ergebnis: Dr. Faust ist keine allseits angesehene Gelehrte mehr. In einer wissenschaftsfeindlichen Gesellschaft wird sie zur Verschwörerin erklärt und denunziert, von ihren Studierenden gefeiert für ihre feministischen Positionen gegen einen reaktionären Staat. Am Tiefpunkt ihrer Sinnkrise als Ewigforschende trifft Dr. Faust auf Mephisto, der Faust den höchsten Genuss verspricht und im Gegenzug ihre Seele fordert. Der Pakt ist geschlossen. Faust verliebt sich in ihren deutlich jüngeren Doktoranden, der ein großer Bewunderer von Fausts Lehre ist, sich Fausts Verführung aber nur widerwillig fügt.
Soweit ein interessanter Ansatz, der von den Macherinnen und Machern als "eine faustische Kritik am Personenkult emanzipatorischer Bewegungen und eine Warnung vor der teuflischen Herrschaft des Populismus" gesehen wird.
Und so wird eine Vielzahl an topaktuellen Themen auf die Bühne gebracht und vielschichtig, differenziert und - zum Glück - ganz ohne erhobenen Zeigefinger oder einseitige Ideologie auf die Bühne gebracht. "Faust ist der Text, der mir in der Schulzeit das Lesen versaut hat", räumt Autorin Fatma Aydemir ein. „Doktormutter Faust“ versaut zum Glück nicht die Lust aufs Theater, ist aber nun naturgemäß auch keine leichte Kost.
Besonders überzeugend in ihren Rollen: Bettina Engelhardt als Faust und Eren Kavukoğlu als Karim.
Musikalische Einlagen, Video-Sequenzen und ein Klavier, das kunstvoll aus dem Boden erscheint, sind ebenso gelungen wie der gekonnte Einsatz der Beleuchtung (Darius Engineer).
Völlig daneben leider der Ton. Schon in der 14. Reihe bleibt davon nur wenig übrig. Zumal, wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler im hinteren Bühnen-Bereich und nicht dem Publikum zugewandt agieren. Kaum möglich, dass die Akustik im Grillo Theater mit Beginn der neuen Spielzeit urplötzlich grottenschlecht geworden ist.
Weitere Vorstellungen: 28. September und 30. September
Die nächste Premiere: „Der gute Mensch von Sezuan – Die Ware Liebe“ am 16. September
Autor:Frank Blum aus Essen-Süd |
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