Ein Blick hinter die Kulissen des Aaltos
Es ist die feingliedrige Arbeit, es sind die glitzernden Pailletten, Perlen und Steinchen: Wenn Regina Weilhart, stellvertretende Kostümdirektorin am Aalto Theater die Kostüme liebevoll drapiert, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie viel Arbeit in der derzeitigen opulenten Produktion allein bei Kostümen und Maske steckt, konnte der Süd Anzeiger bei einem Blick hinter die Kulissen erfahren.
Öffnet sich der Vorhang zum Ballett „Der Nussknacker“ im Aalto Theater, dann wird es nicht nur für die Tänzer ernst, denn die vielen Mitarbeiter hinter der Bühne fiebern genauso mit. Über etliche Monate hinweg wurde an den unterschiedlichen Kostümen und Masken gearbeitet- und das im Hochdruckverfahren.
Regina Weilhart erwartet uns bereits und hat so einiges aufgefahren. Auf dem Tisch liegt ein mit Pailletten, Glitzer und Perlen besticktes cremefarbenes Tutu mit passender Corsage. „Es handelt sich bei dem Nussknacker um die größte Produktion. Alle 120 Kostüme sind hier von uns im Haus gefertigt worden“, so die stellvertretende Kostümdirektorin stolz.
Bereits vor acht Monaten ging es mit der Vorbereitungsphase des Balletts „Der Nussknacker“ los. „Am Anfang wird entschieden, welche Kostüme hergestellt werden sollen, welcher Stoff verwendet wird und wo die benötigten Dinge dafür eingekauft werden. Da gibt es mitunter große Preisspannen“, berichtet Regina Weilhart.
Mit wenig Budget so viel zu erreichen, das war ganz schön hart. „Man dreht jeden Cent um. Teilweise haben wir Stoffe selber eingefärbt, da sie in den benötigten Grautönen gar nicht zu bekommen waren.“
Dabei sollen die Kostüme nicht nur gut aussehen, die Tänzer müssen damit auch alles machen können, ohne von ihrer eigentlichen Arbeit, dem Tanzen, abgelenkt zu werden. „Der Stoff darf nicht zu schwer sein, nicht zwicken und man darf sich auch nicht daran verhaken können“, verdeutlicht Weilhart. Deswegen sind sämtliche Stickereiein, die in Indien gefertigt werden, auch am fertigen Kostüm mit einer hauchdünnen Schicht Tüll überzogen. „So kann nichts herausreißen und die Tänzer können nicht aneinander hängen bleiben.“
25 Leute arbeiteten an 120 Kostümen
Da die Kostüme gerade beim Ballett ganz genau passen müssen, nahm man von der kompletten Besetzung Maß. In der Abteilung arbeiteten ca. 25 Leute daran, die 120 Kostüme pünktlich fertig zu stellen. „Es gibt nur Probestoffe. Kostüme zur Probe herzustellen, das wäre viel zu teuer. Alles muss von Anfang an stimmen.“
Auf den Leib geschneidert werden die Kostüme den Tänzerinnen und Tänzern, allein bei den Schneeflocken galt es 14 Corsagen passgenau zu schneidern. Weilhart erklärt: „Damit diese ihre Form halten, sind Stäbchen mit im Gewebe vernäht.“ Denn knitternde und faltige Kostüme sollen in jedem Fall vermieden werden. „Auch beim Tutu mussten wir beim Unterrock tricksen.“ Damit dieses schön absteht und bei Berührung in seine ursprüngliche Form zurückspring, wurde auch hier mit Stäbchen gearbeitet. „Das ist nötig, wenn die Tänzer nebeneinander auf der Bühne agieren. Auch der Winkel, in dem das Tutu absteht, muss bei jeder Tänzerin gleich aussehen, auch in der Bewegung.“
Selbst Umbesetzungen durch Ensembleänderungen oder Krankheitsfälle können die stellvertretende Kostümdirektorin nicht mehr aus der Fassung bringen. „Dafür mache ich meinen Beruf schon zu lange.“ Dennoch kommt es vor, dass Dinge an den Kostümen in letzter Sekunde noch geändert werden müssen, auch während und nach den Vorstellungen.
Vor allem die kurzen Zeiten zwischen den einzelnen Szenen und die damit verbundenen Kostümwechsel, werden schon von Anfang an bedacht. „Manchmal haben die Darsteller nur zwei oder drei Minuten Zeit, um vom einen ins andere Kostüm zu schlüpfen“, so Weilhart. „Da darf dann kein Knopf haken, oder eine Gürtelschnalle nicht aufgehen.“ Generell wird hier mit vielen Tricks gearbeitet. Viele Druckknöpfe wurden verwendet, sie lassen sich schnell öffnen und werden nach und vor jeder Aufführung auf ihre Funktion überprüft.
Die Westen unter den Gehröcken der Familie Stahlbaum haben zum Beispiel am Rücken gar keinen Stoff, sondern werden von Gummibändern gehalten. „Da lässt sich leicht etwas an der Größe variieren. Nicht so wie bei den Corsagen, die weniger Spielraum haben.“ Mit den Kostümen soll dem Zuschauer die perfekte Illusion geboten werden. Deswegen sind die Hemden auch nicht einfach nur in die Hosen gesteckt, sondern mit den Unterhosen verbunden. Männer mit Gehröcken heben ihre Arme, ohne dass der Stoff knittert oder nach oben rutscht. Wer selber schon einmal mit Jackett getanzt hat, weiß, wie sehr gerade das zu Unwohlsein führt.
Kostümabteilung arbeitet mit vielen Tricks
Besonders die Kostüme der Rattensteins stellten eine erneute Herausforderung dar. „Die Kinder, die die Ratten verkörpern, mussten trotz Kostüm in der Lage sein, über den Boden zu schleichen oder blitzschnell über die Bühne zu springen“, erzählt Weilhart.
Da Ratten über dicke Oberschenkelmuskeln verfügen, sollte das bei den Kostümen auch so nachgebaut werden. „Hier arbeiten wir erneut mit Stäbchen im Kostüm. So bleibt die Form der Oberschenkel erhalten, egal welche Bewegungen die Rolle vorsieht.“
Mit wie viel Herzblut alle bei der Sache sind, zeigt der anschließende Rundgang durch die Näherei. Überall wird noch emsig geschneidert, Nähte gezogen und Pailletten positioniert, bevor es wieder heißt: Vorhang auf...
Infos:
„Der Nussknacker“, das Ballett in drei Akten, ist am 7., 11., 13., 15. November und auch im Dezember und Januar im Aalto Ballett Theater zu sehen
Karten erhält man unter: 81 22 200.
Weitere Infos auch zur Handlung des Nussknackers erfährt man über: www.theater-essen.de
Fotos: Michael Gohl
Autor:Silvia Decker aus Emmerich am Rhein |
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