Dorfcharakter in der Gottfried-Wilhelm-Kolonie sehr beliebt

Bräunlicher Putz aus Muschelkalk prägte die Fassaden, sowie Eingangsbereiche mit kleinen Veranden und Holztüren, erläutert Kunsthistoriker Thorsten Scheer
6Bilder
  • Bräunlicher Putz aus Muschelkalk prägte die Fassaden, sowie Eingangsbereiche mit kleinen Veranden und Holztüren, erläutert Kunsthistoriker Thorsten Scheer
  • hochgeladen von Carmen Dluzewski

Spaziergang mit dem Architektur-Experten Thorsten Scheer stieß auf großes Interesse
„Es ist mir eine riesengroße Freude, zu sehen, wie viele Menschen die heutige Führung durch die Gottfried-Wilhelm-Kolonie in Essen-Rellinghausen mit mir erleben möchten!“ Mit diesen Worten begrüßte Thorsten Scheer, Kunstgeschichtsprofessor und ehemaliger begeisterter Bewohner der kleinen Kolonie. Seit 2014 lädt der BDA Essen monatlich immer dienstags zu Führungen mit den Schwerpunkten Architektur und Baukultur ein. Nahezu 100 interessierte Bürger und Bürgerinnen begaben sich gemeinsam mit dem Experten bei schönstem Frühlingswetter auf einen kleinen Rundgang.
Zuhause für Bergarbeiterfamilien
Zwischen der Frankenstraße und dem Schellenberger Wald entstand parallel zur Errichtung der Zeche Gottfried Wilhelm im Jahr 1909 die Gottfried-Wilhelm-Kolonie. Einer der angesagtesten Architekten dieser Zeit, Oskar Schwer (1872-1921), erhielt den Auftrag von der Essener Steinkohlenbergwerke AG, für deren Bergleute samt Familien ein gemütliches Dorf mit praktischen Nutzgärten und naturnahmen Erholungscharakter zu schaffen. Mit der Ermöglichung des Wohnraumes waren die Bergarbeiter gleich an ihren Arbeitsplatz gebunden. „Heute interessiert sich leider kein Arbeitgeber dafür, wo seine Mitarbeiter wohnen“ bemerkte einer der Führungsteilnehmer. „Dadurch müssen die meisten Leute einen weiten Weg zu ihrer Arbeit bewältigen, dies erklärt die täglichen Staumeldungen.“ Doch jedes Ding hat zwei Seiten, denn wer damals seinen Arbeitsplatz wechselte, verlor sein Heim, was für den Arbeitgeber ein gutes Druckmittel war.
Architekt Oskar Schwer, ein intelligenter und kreativer Mann seiner Zeit
Ein Dorf, das gemütlich, praktisch, sozial orientiert, sowie die Möglichkeit, Nutzgärten zur Versorgung der Familien bereit zu stellen, galt es für den Architekten planen. So gelang es ihm für die ca. 200 Häuser der Siedlung lediglich zwei verschiedene Haustypen zu entwerfen. Diese kombinierte er intelligent zu 13 Hausgruppen und ergänzte sie mit vielen variierenden Dachformen, so dass ein wunderschönes, ansprechendes Dorf entstand. Ob Zelt-, Giebel- oder Walmdach – die Gestaltung der Dächer prägte das Bild des gesamten Stadtteiles. „Ein richtig kleinstädtisches Idyll entstand damals hier in Essen-Rellinghausen“ schwärmte Kunsthistoriker Thorsten Scheer.
65 Quadratmeter für eine Familie
„Private Gärten, die Häuser mit jeweils einer Toilette, sowie Keller für die Vorratshaltung waren zu dieser Zeit etwas Besonderes für die doch recht arme Bevölkerung“, so der Architekturexperte. Auch die asymmetrische Straßenführung wurde gut durchdacht. Eine Hauptachse mit vielen Parallelstraßen führt zum Mittelpunkt der Siedlung, in der eine Schule entstand. Das alte Schulgebäude in der Rübezahlstraße steht heute unter Denkmalschutz und beherbergt ein soziokulturelles Zentrum mit einem Künstleratelier.
Gottfried-Wilhelm-Kolonie in der heutigen Zeit
Das Dorf, das im Laufe der 110 Jahre natürlich auch stetig verändert wurde, ist auch heute noch etwas Besonderes. Leider hat die Stadt es versäumt, die Siedlung rechtzeitig unter Denkmalschutz zu stellen. Nur noch vereinzelt begegnet man dem ursprünglichen Charakter der Häuser. Verschiedene Fassadenfarben und zubetonierte Vorgärten weisen auf individuelle Geschmäcker der Eigentümer hin. „Immerhin gibt es eine Gestaltungssatzung der Stadt Essen, die z. B. durch einheitliche Farben der Fensterläden das Stadtbild ein wenig erhält“ erzählte Thorsten Scheer. Die Häuser der Kolonie, die Ende der 70er Jahre privatisiert wurde, sind zumeist in Privateigentum übergegangen und erfreuen sich großer Beliebtheit. „Das große Interesse an der heutigen Führung lässt hoffen, dass auch unsere Nachfahren noch am Bild der Siedlung festhalten “ so der Kunsthistoriker. 

Autor:

Carmen Dluzewski aus Essen-West

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.