Premiere: Vinterbergs "Rausch" im Grillo Theater
Der Sprung von der Leinwand
Über 50 Filmpreise, darunter den Oscar für den besten internationalen Film, hat Thomas Vinterbergs "Rausch" aus dem Jahr 2020 gewonnen. Nun hat sich Regisseur Armin Petras an das geniale Werk gemacht und für das Grillo Theater eine deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne gebracht.
Es sind riesige Fußstapfen, in die die Macherinnen und Macher der Theater-Fassung von "Rausch" treten. Denn der Film ist ein ganz besonderes Werk, das sehr eindrucksvoll von den zunächst vermeintlich positiven Wirkungen des Alkohols und seiner dann doch dramatischen Folgen für die Menschen und ihr Umfeld erzählt - mit einem Spannungsbogen, der im Film erschreckend und faszinierend zugleich die Zuschauerinnen und Zuschauer in seinen Bann zieht.
Es wäre etwas unfair, Film und Theaterstück direkt miteinander zu vergleichen. Theater hat dann doch andere - und zum Teil auch begrenzte - Möglichkeiten. Unterm Strich lohnt es sich, sowohl dem Film als auch der Essener Inszenierung gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
Darum geht's in Kürze: Vier dänischen Lehrer stecken in der mid-life crisis und starten ein folgenreiches Experiment. Denn: Ein norwegischer Philosoph und Psychiater namens Finn Skårderud - den gibt es übrigens wirklich - ist zu dem Schluss gekommen, dass der Mensch mit einem halben Promille zu wenig geboren wird. Wäre der Alltag viel besser, lustiger, leichter zu bewältigen und inspirierter, wenn wir uns jeden Tag ein halbes Promille gönnten? Und: Was wäre anstelle der vielen phantastischen Ideen und der großen Kunstwerke gekommen, die von Menschen unter Alkoholeinfluss geschaffen wurden?
Zur Inszenierung: Ein genialer Schachzug ist es, einer ganze Reihe von Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums an der Wolfskuhle in Essen-Steele eine umfangreiche Möglichkeit zur Mitwirkung auf der Bühne und im Zuschauerraum zu geben - als Schauspielerinnen und Schauspieler, als Musikerinnen und Musiker, als Sängerinnen und Sänger.
Sie sind es, die dem Werk ihren ganz besonderen Reiz geben und "Rausch" zu einem sehr gelungenen Theaterstück machen.
Stimmig ist das Bühnenbild von Julian Marbach, sehr kreativ sind die Videos von Maria Tomoiaga und die musikalischen Elemente unter der Leitung von Torsten Kindermann geben der Inszenierung eine spezielle Note.
Anspruchsvoll ist das Werk auch für die Hauptdarsteller Torsten Kindermann (Peter), Mathias Znidarec (Nikolaj), Mansur Ajang (Tommy) und Stefan Diekmann (Martin). Die Übung gelingt, auch wenn die eine oder andere Szene vielleicht etwas "über der Spur" gespielt wird, ein wenig in den Klamauk abdriftet und an der einen oder anderen Stelle hätte etwas eingedampft werden können.
Ein Besuch der top-aktuellen Inszenierung, die zeitnah einen erst kürzlich mit Preisen überhäuften Film zugrunde legt, lohnt sich auf jeden Fall. Und stimmt auf eindrucksvolle Weise nachdenklich über den teils unbeschwerten Umgang mit der Droge Alkohol in vielen Teilen der Gesellschaft.
Die nächste Vorstellung: 29. September
Die nächste Premiere: "Showtime (Ein enttäuschender Abend)" in der Casa am 30. September
Autor:Frank Blum aus Essen-Süd |
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