Sein Herz schlägt Rock’n Roll! Jürgen Krause: seit 40 Jahren „auf Vinyl“
Vinyl ist wieder auf dem Vormarsch - die gute, alten Platte ist wieder „in“. Früher für Generationen von jungen Menschen das Medium für gute Musik in den eigenen vier Wänden, galt sie als Musikträger nach Erfindung der CD lange Jahre als überholt. Die Zahl der Plattenläden - früher wie Sand am Meer in Essen zu finden- ging stetig zurück, in den 90er Jahren verschwanden sie beinah vollständig. Einer, der durchgehalten hat, ist Jürgen Krause. Er eröffnete seinen Rock Store in Steele bereits 1976 - und er hat sich von den aufkommenden CDs nicht ins Bockshorn jagen lassen…
VON JULIA COLMSEE
„Früher, ja da gab es ja so etwas wie eine Plattenladenkultur. Da ging man nicht nur hin, um sich schnell was zu kaufen, man stöberte, ließ sich inspirieren oder kam ins Gespräch! Und der Besitzer hatte oft noch den einen oder anderen Tipp oder ein spezielles Insiderwissen. In dieser Zeit habe auch ich eröffnet!“
Musik als Leidenschaft sei da der Antrieb gewesen - beinah egal welcher Richtung. „Musik ist so vielfältig, von Hard Rock über Funk und Blues bis Reggae… mir hat eigentlich immer Vieles gefallen. Nur Schlager und Klassik - das ist nicht so meins!“ Zu Beginn hieß es für ihn erst einmal auszutesten, was bei den Kunden am besten ankommt. „Was wollen die Leute? Das sollte man als Betreiber möglichst schnell herausfinden. Mir ist das, glaube ich, ganz gut gelungen. Von den meisten meiner Kunden kenne ich die bevorzugte Musik und die Lieblingsinterpreten. So kann man auch mal eine Empfehlung aussprechen.“
Als ab 1984/ 85 die CD begann den Markt zu erobern, war Jürgen Krause zwar durchaus interessiert, aber weit entfernt von euphorisch! „Das war ja alles ganz gut und schön, aber begeistert? Nein das war ich wirklich nicht. Das fängt ja bei der Plattenhülle schon an. Das sind ja teilweise echte Kunstwerke - da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht! Auf einer kleinen CD-Hülle verpufft der Effekt - das sieht doch nicht aus!!! Außerdem haben Platten immer zwei Seiten - und was auf welcher zu hören ist hat der Musiker sich vorher gut überlegt. Bei einer CD fällt das natürlich weg!“
1996/ 97 schien der endgültige Untergang der Platte besiegelt, erinnert sich Krause. „Immer mehr Musik-Fans begannen ihre Plattensammlung auf dem Flohmarkt zu verkaufen, oder - noch schlimmer - sie einfach über den Sperrmüll zu entsorgen. ‚Denn sie wissen nicht was sie tun‘ habe ich mir immer gedacht. Außerdem gab es immer weniger bis gar keine Neuerscheinungen mehr auf Vinyl - nur noch CD! Das fand ich alles schlimm.“
Nur in der DJ-Szene oder im „Alternativ-Bereich“ hielt sich die Schallplatte hartnäckig… „Gott sei Dank!“ Und wann ging es wieder aufwärts? „Ich kann mich erinnern, dass ungefähr ab der Euro-Einführung die Kunden wieder begannen, nach Vinyl zu fragen. Langsam aber sicher gab es dann auch wieder mehr Neuerscheinungen als Platte.“ Und nicht nur das - auch das passende „Zubehör“ wie der klassische Plattenspieler aber auch moderne Ergänzungen wie externe Bluetooth-Lautsprecher oder Plattenwaschautomaten sind erhältlich. „Wer seine alte Plattensammlung wieder in Betrieb nehmen möchte, sollte sie vorher besser noch einmal säubern.“
Großer Beliebtheit erfreut sich mittlerweile der sogenannte Record Store Day, der jedes Jahr am dritten Samstag im April stattfindet. Die ursprüngliche Idee des Record Store Day wurde von Michael Kurtz (USA) und einer Handvoll Enthusiasten 2007 in den USA erstmalig in die Tat umgesetzt, um den Hut zu ziehen vor der einzigartigen Kultur der Indie-Plattenläden.Der Record Store Day ist der einzige Tag im Jahr, an dem die unabhängigen Plattenläden ihren Kunden weltweit und zeitgleich ganz besonders hochwertige und seltene Musikveröffentlichungen und Specials anbieten. Sämtliche Produkte (wie Sonderauflagen, limited editions, unveröffentlichte B-Seiten-compilations) werden nur für diesen einen Tag hergestellt. „2008 haben wir uns das erste Mal daran beteiligt - da waren sowohl die Produkte als auch die Kunden noch recht überschaubar! Heute bekomme ich im Vorfeld ganze Bestelllisten und vor den Läden bilden sich Menschentrauben - wirklich klasse!“
Eine eigene „Lieblingsplatte“ hat Jürgen Krause übrigens nicht - „Da gibt es einfach zu viele!“ Generell ist er der Meinung: „Wer sich heute eine Platte auflegt, der möchte in der Regel ganz bewusst Musik genießen - einen Titel nach dem anderen. Eine Platte mal wieder komplett und in Ruhe durchhören, ohne zu springen. Das hat auch etwas mit Genuss zu tun.“ Aber an den ersten Lieblingstitel kann er sich noch erinnern: „Das war ‚Paint it Black‘ von den Rolling Stones. Das habe ich mit meiner Tante auf dem Autoscooter gehört, mich aber nicht getraut, nachzufragen. Meine Tante schon… und dafür bin ich ihr immer noch sehr dankbar!“ Immerhin ja der Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“.
Autor:Julia Colmsee aus Essen-Süd |
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