"Projekt: Baby" war ein Erfolg - Azubis wurden Kurzzeit-Eltern mit Schrei-Puppen
Zärtlich streichelt Mirjam über das Händchen ihres „Babys“ und auch „Papa“ Cliff ist ganz fasziniert von dem Kleinen. Was nach jungem Elternglück aussieht, ist aber alles nur gespielt. Die beiden Auszubildenden des Kolping-Berufsbildungswerkes haben nämlich am „Projekt: Baby“ teilgenommen, das die Ausbildungsstätte in Kooperation mit „Die Welle e.V.“ angeboten hat.
Das Schreien in der Nacht sei das Schlimmste für die jungen Teilnehmer zwischen 18 und 23 Jahren gewesen, lautete das Gruppen-Fazit, als Psychologe und Familientherapeut Egon Heinze und die Lehramtsstudentin Anja Schaffranietz das Projekt samstags mit einer Fragerunde beenden.
Die Jugendlichen haben viel über sich selbst gelernt, vor allem aber durch die computergesteuerten Säuglingspuppen, wie sie mit einem Säugling umzugehen haben und was ein Neugeborenes kostet. „Viele Auszubildende waren baff, als sie erklärt bekommen haben, dass die Erstausstattung für ein Baby schon um die 3.800 Euro kostet“, erklärt Michael Endrass vom Kolping-Berufsbildungswerk.
Pärchen übten gemeinsam
Die 12 Teilnehmer - darunter drei Pärchen - haben von Donnerstagnachmittag bis Samstagmittag „Familienluft“ geschnuppert. Neben den Pärchen, die wirklich Hand in Hand durchs Leben gehen, haben sich - aus Mangel an männlicher Beteiligung - auch Freundinnen als Eltern zusammengetan.
Mirjam musste ihren Cliff aber gar nicht zur Teilnahme überreden. „Ich wollte von Anfang an mit ihr eine Familie gründen und so ein Test ist prima“, so der 21-Jährige. Seit eineinhalb Jahren sind die beiden schon ein Paar und Mirjams Wunsch, einmal Mutter von sieben Kindern zu werden, konnte das Projekt nicht schmälern. Aber warum sieben Kinder? „Seitdem ich ‚Harry Potter‘ kenne, möchte ich wie die Weasleys eine Familie mit sieben Kindern. Aber nicht sofort. Erst einmal die Lehre zu Ende machen und selbst etwas erleben, damit wir unseren Kindern auch etwas bieten können“, so der Plan der 18-jährigen angehenden Holzbearbeiterin.
Cliff ist in einem halben Jahr mit seiner Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik fertig, die Familienplanung will aber auch er erst in fünf oder sechs Jahren in Angriff nehmen. „Ich muss ja erst einmal eine feste Arbeitsstelle finden. Wer weiß, ob man noch umziehen muss.“ Zurzeit wohnen beide in einer Gruppe im Kolping-Wohnheim. Für das Projekt durften sie nun auch ein Zimmer gemeinsam bewohnen, schließlich sollten sie beide rund um die Uhr für das „Kind“ da sein.
Die Nächte waren dabei für die Mutter in spe gar nicht so anstrengend. „Cliff hat einfach alles gemacht“, sagt Mirjam lächelnd. Was anderen in der Nacht nicht ungelegen gekommen wäre, hat Mirjam aber etwas gestört. „Wir haben durch das Projekt definitiv gelernt, dass wir uns Aufgaben teilen müssen“, sagt sie. Dem stimmt auch Cliff zu. „Ich muss da wirklich an mir arbeiten!“
Alles im Alleingang?
Beim Einkaufsbummel hat ihn seine Liebste mit Babyschale und schreiendem Oliver James (der hat seinen Namen übrigens durch die Schaupieler der „Weasley-Zwillinge“ bekommen, Anm. d. Red.) einfach stehengelassen, weil der 21-Jährige „mal wieder alles allein machen wollte“. Alles mussten die Projektteilnehmer mit ihren Kids machen - eben einen ganz normalen Tag erleben. Dass die Kleinen da nicht in Rauchwolken aus blauem Dunst sitzen sollten, hat z.B. Teilnehmer Micha dazu bewogen, viel weniger zu rauchen. Julia war es unangenehm, in ihrem Alter schon mit einem Baby gesehen zu werden. Junges Elternglück scheint den Teilnehmern des „Projekt: Baby“ wohl nicht ins Haus zu stehen, denn alle sind zwar vom Projekt selbst begeistert, haben ihre Lebenspläne aber zum Teil korrigiert und wollen mit dem Kinderkriegen wohl noch etwas warten. Für das großartige Engagement der ganzen Gruppe, gibt es am Ende auch viel Lob. Die Kolping-Auszubildenden hatten es nämlich etwas schwerer als üblich. Da sie freitags einen normalen Arbeitstag hatten, standen die Puppen derweil auf Standby. Die fehlenden Stunden wurden durch eine Steigerung der Aktivität jeder Puppe wieder aufgeholt. „Ihr habt euch alle sogar mit einem schwierigen Baby auf einer höheren Stufe bestens bewährt und alle Aufgaben gewissenhaft erfüllt“, freute sich Egon Heinze.
Zu den Aufgaben gehörten natürlich neben Füttern, Wickeln, Baden und Spazierengehen auch das Trösten, wenn die Kleinen auch mal in einen nervenaufreibenden Weinkrampf verfielen. Anja Schaffranietz lobte, dass die Nachwuchseltern ihre Nächte geopfert haben und trotzdem auch im Job einhundert Prozent gegeben haben. „Ich bin wirklich schwer beeindruckt“, sagte sie. Und Michael Endrass fügte hinzu: „In der Regel haben Eltern neun Monate Zeit, sich auf ein Kind vorzubereiten. Ihr alle seid von heute auf morgen Mama und Papa geworden.“
Schmerzvoller Abschied
Richtige Vatergefühle hat auch Cliff entwickelt. Nach dem KURIER-Fototermin zieht er seinen kleinen Oliver James ganz vorsichtig aus. Denn: Bodys, Strampler, Mützen, Decken, Söckchen und Co. kommen in eine Kiste. Das nackte Baby muss in einen anderen Karton. Aus dem Baby wird wieder die Puppe, auch wenn sie für Mirjam eine schöne Erinnerung bleiben wird und sie jetzt schon weiß: „Ich werde den Kleinen ganz schön vermissen!“
Autor:Mareike Schulz aus Essen-Steele |
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