Durch WAHN zum SINN - Krayer Katzen finden ihn beim 5. Ahrathon !
Wibke Harnischmacher (TC Kray) berichtet.
„Schnapsidee!“ – dieses Wort kommt mir bei der Abreise aus Essen in den Sinn: Freitag Abend, es regnet in Strömen, dieser Wochenendausflug mit Familie startet ja extrem vielversprechend! Sofort jedoch ermahne ich mich – schließlich fahren wir zu einem Lauf im Ahrtal, einem der schönsten WEINanbaugebiete Deutschlands also; dass es so einen Jahrhundert-Regen-Sommer geben würde, konnte ja kein Mensch bei Buchung des Marathons im März ahnen (Startgebühr zu diesem Zeitpunkt moderate 45 Euro; Frühbucher zahlen bis zum 31.12. auf allen Distanzen noch weniger)!
Buchung
Im Stillen danke ich dem TC Krayer Laufkollegen Siggi Jahnke, der mir mehr als einmal von seinen Erlebnissen beim großen französischen Bruder des Ahrathons, dem Marathon du Médoc im September, begeistert erzählt hat, und damit einer der Hauptverantwortlichen für unseren Familientrip ist. Meine Hauptsorge war, keine Unterkunft in der Nähe mehr im Vorfeld buchen zu können; (das „Dorint“ empfiehlt sich durch seine Nähe zum Start und die im Hotel selbst ansässige Startnummernausgabe als Läuferhotel mit gesonderten Tarifen, war allerdings im März bereits ausgebucht) doch Bad Neuenahr bietet – teils an die gut zahlenden Kurgäste preislich abgestimmt – eine Reihe von Unterbringungsmöglichkeiten (Achtung, nicht immer kann man sich auf die Preisangaben der Touristeninformation verlassen, unser Hotel war günstiger!).
Anfahrt
Die Kilometer fliegen im mittlerweile zur Abwechslung mal sintflutartigen Regen vorbei, statt dem sonst unter Marathonis nicht gerade beliebten KM 35-Schild fällt mir auf der A59 das Abfahrtschild Nr. 35 auf: „Wahn“. Ob es da auch einen Mann mit Hammer gibt? Mal besser nicht abfahren und ohne Pause weiter! So erreichen wir nach knapp 1,5 Stunden bereits unser Ziel. Bad Neuenahr empfängt uns zwar grau doch ohne Regen, so kann es weiter gehen! Für die Startnummernausgabe ist es jetzt, nach 20 Uhr, bereits zu spät, aber morgen früh ab 8 dürfte das kein Problem werden, da erst eine Stunde später der Startschuss für den Marathon fällt.
Gesagt, getan – je mehr Schritte ich am nächsten Morgen in Richtung Kurgarten gehe (in dem kleinen Bad Neuanahr ist alles gut fußläufig zu erreichen), desto mehr Läufer fallen mir auch auf. Na, endlich! Ich hatte mich schon zu fragen begonnen, warum sich bislang keine Straßensperrungen, basslastige Musik oder sonstigen Vorboten einer Laufveranstaltung zeigen wollen. Aber hey, wir befinden uns schließlich in einem anerkannten Heil- und Kurort, also bitte Ruhe bewahren, wie es das Schild im Ortskern seit Generationen anzeigt. Unmittelbar vor dem Dorint-Hotel wuseln gefühlt mindestens ebenso viele freundliche Helfer an Zelten, Hüpfburgen und Verpflegungsständen (und diese spielen ja die Hauptrolle bei diesem Lauf!) wie drinnen Läufer ihre Startunterlagen abholen kommen.
Starterbeutel
Im Starterbeutel liegt nicht nur für jeden die Eintrittskarte für das abendliche Open Air-Festival „Rock und Wein“ bereit, das ab 17 Uhr im Innenhof eines der ortsinternen Weingüter steigen wird (Wert: 12 Euro, nicht-laufende Begleitpersonen bekommen an dem Morgen trotz „Ausverkauft“-Ankündigung relativ problemlos noch eine Karte, da nicht alle Läufer das durchaus gelungene Fest besuchen werden, Kinder zahlen – familienfreundlich! – übrigens keinen Eintritt), sondern auch einen Startnummern-Bon für ein kostenloses Glas Wein im Zielbereich (Vorsicht, nicht versehentlich abtrennen!), und eine Flasche guten örtlichen Weiß- oder Rotweins; wahrlich ein ausgezeichnetes Preis-Leistungsverhältnis!
Über die Lautsprecher bringt ein munterer Kommentator die 129 gemeldeten Marathonis (davon nur 24 Frauen; insgesamt werden 123 das Ziel erreichen) am Start direkt an der Ahr in Stimmung: unter ihnen und allen Startern, die sonst noch an diesem Samstag über die Distanzen 5, 10 oder 21,1 km als Läufer oder [Nordic-]Walker, im Sportdress oder Kostüm gemeldet haben (insgesamt über 2000!) finden sich insgesamt 22 Nationen, wow! - Hoffentlich sind auch ein paar Briten darunter, die ihren Lieben daheim vor dem nächsten Donnerstag hiervon erzählen werden und davon, wie munter mitten in der Stadt die Europa-Fahne über allem flattert!
Familientreffen
Doch unversehens wird mir auch klar, dass die Veranstaltung auch ein heiteres Ruhrgebietstreffen ist: „Erkenn‘ze einen, erkenn‘ze (fast) alle!“ Borbecker Raketen, Duisburger LC-ler, Bottroper Adler-Langläufer, boah, WAT(T) läuft hier nur alles rum! – man grüßt sich, man freut sich, man erinnert sich an kürzlich gemeinsam Erlebtes (Rhein-Ruhr-Marathon) oder auch Anstehendes (Herbstwaldlauf). Besonders lieb ist mir allerdings ein Gesicht, das ich endlich in der Menge entdecke: TC Krayer Markus Wischolek, der heute den Halbmarathon läuft – mit ihm vor mir sind normalerweise Bestzeiten für mich drin!
Genießen!
Aber diesen hinterherzujagen hieße den Sinn des Ahrathons nicht verstehen: Es geht hier ums Genießen, dazu laden die (für Marathonis zweimal abzulaufenden) sieben Verpflegungsstellen ein: Obst – Wahnsinnserdbeeren! - , Pasteten, herzhaftes und süßes Fingerfood, Käse, Wein, Iso, und vor allem jedes Mal handgemachte Live-Musik! Dazu die wunderschönen Fern- und Ausblicke, die man (besser bei konsequentem Gehen der teils saftigen Anstiege) bewundern darf, das stürmische Glockengeläut in der Mittagszeit und diese Kostüme erst! Zauberer mir Zylindern, Römer, Zwerge, zwei männliche Pocahontas… ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus (auch, wie man bei DEM Wetter - entgegen aller Prognosen wird es mittags sogar muckelig warm „im“ Weinberg! - noch in sowas ohne Hitzschlag laufen kann!). Unterwegs sind allenthalben frohe Leute unterwegs (dazu gehören neben den gutgelaunten Streckenposten und Verpflegungsmannschaften auch Halbmarathonis, die einen trotz des späteren Starts irgendwann einholen oder Wanderer, die auf dem Rotweinwanderweg, den wir erleben und erlaufen, genauso verpflegt werden) und so ergeben sich immer wieder nette Gespräche. Der Tag ist perfekt und man braucht nicht einmal den angebotenen Wein, an den ich mich – Geständnis! – tatsächlich nur ein einziges Mal auf der zweiten Runde herantraue: nicht jeder hat solche Nehmer-Qualitäten wie „Oooooh, ein Verpflegungs-Frank“ (…Pachura aus Dortmund), dessen sehenswertes Selbstversuchsvideo vom Ahrathon 2015 wahrscheinlich noch in Äonen Heerscharen von Läufern (so wie mich) zu diesem Lauf locken wird. Ihn treffe ich unterwegs ebenso wie andere Tortour-isten, Marathonsammler und Stundenäufer (Gruß an den gebürtigen „Krayer Jung“ Ulrich Tomaschewski!), die vielfach bekennen, zum Wiederholten Male den Ahrathon zu laufen!
Ziel
Herrje, bin ich froh, dass ich nicht knülle bin: Auf den ersten Blick ist zwar klar, dass hier viele Leute eine Menge Spaß haben (auch meine Familie weiß ich durch das Familienfest mit Musik, Hüpfburg, Essen, Vorführungen ortsansässiger Sportvereine gut aufgehoben), aber wo in dem Getümmel verstecken sich nur die Medaillen? Die zeitgleich einlaufenden 5 und 10 km-Läufer sorgen für ordentlich Stimmung und finden ebenso wie ich irgendwann den Stand mit Medaillen mitten im Pulk: Es ist für alle Läufer und [Nordic]Walker die gleiche. Das und die lebensfroh-turbulente Homepage (auf dem auch einen Tag später die Endergebnisse nur schwer zu finden sind), geben mir dann letztmalig zu verstehen: Hier geht es ums Genießen, nicht ums Endergebnis – bewahren Sie Ruhe, dies ist ein Kurort! Alles klar, ich glaube, jetzt hab ich es verstanden!
Nach guter Laufbericht-Tradition zum Schluss jedoch ein paar Zahlen zur Einordnung: Der schnellste Marathonläufer an diesem Tag heißt Rene Spanier (2:51h), schnellste Frau über die Distanz ist Isabella Gschwandtner (3:36h). Alles richtig gemacht an dem Tag haben vielmehr jedoch Ruth Roth und Michael Tiltmann, die knapp vor Zielschluss (16 Uhr) in 6:57h bzw. 6:59h das Ziel erreichten und sich unterwegs bestimmt prächtig amüsiert haben, bravo! Von diesen Lebens- und Laufkünstlern können wir, Markus Wischolek (2:56h) und ich (5:06h) noch was lernen, sind wir mit unseren Zeiten jeweils nur im Mittelfeld unserer Disziplinen (Halbmarathon/ Marathon) unterwegs. Wir geloben feierlich Besserung!
After-Run-Programm
Wer noch Füße hat, die einen tragen (aus welchen Gründen auch immer), sollte auch nach Besuch der langen After-Run-Party (selten habe ich auf einer Läufer-Party - außerhalb von Kray - so viel Spaß gehabt!) am folgenden Tag noch einen Abstecher in das niedliche Ahrweiler machen, dessen kleine Gassen, Fachwerkhäuser und Stadttore die Läufer zwar tags zuvor schon bewundern konnten, aber sonntags touristisch-kulinarisch noch mal eigens erschlossen werden können und so das schöne Familienwochenende angemessen ausklingen lassen. Danke, war schön hier: Urlaub für die Seele!
Veranstalterhomepage :
http://www.ahrathon.de/
Autor:Ralf Schuster aus Essen-Steele | |
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