Lokalkompass-BürgerReporter: Hannelore Kraft - voll auf den Zahn gefühlt - Der Bericht

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Ein Termin mit der Ministerpräsidentin? Schnell stand für die STADTSPIEGEL-Redaktion fest, dass man diesmal den Lesern den Vortritt lassen würde. Die SPD sagte zu, Justizminister Thomas Kutschaty „opferte“ seinen Wahlkreistermin, den er mit Hannelore Kraft geplant hatte, und so konnte man kurzfristig acht BürgerReporter aus der Nachrichten-Community „lokalkompass.de“ die Möglichkeit geben, auf Augenhöhe Fragen zu stellen.

Auch die Essener SPD-Landtagskandidaten Britta Altenkamp, Janine Laupenmühlen und Frank Müller waren mit von der bürgernahen Partie.

BürgerReporter Andreas Mock machte den „Eisbrecher“. Er wollte wissen, warum trotz des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz in den Städten wie Essen immer noch viele Plätze fehlen. Anastasia-Ana Tell legte nach. Warum soll die Kita-Betreuung künftig kostenlos für alle Eltern sein, warum müssen diejenigen, die sich das leisten können, nicht doch bezahlen?

Kita-Plätze

Dazu erklärte Hannelore Kraft: „Als wir 2010 an die Regierung kamen, war die Kita-Platz-Situation schlecht, vor allem bei der Betreuung der unter Dreijährigen Kinder. Wir haben eine enorme Aufholjagd gestartet und – bis jetzt – die Zahl von damals 89.000 auf 180.000 Plätze verdoppelt. Den Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kita-Platz erfüllen wir. Wir müssen aber weitermachen, denn die Nachfrage steigt. Hier steht unsere Zusage: Das Land zahlt für jeden neuen Kita-Platz. Wir müssen jetzt mit den Kommunen dafür sorgen, dass schnell neue Einrichtungen gebaut bzw. vorhandene erweitert werden. Hier sind die Städte gefordert, die Maßnahmen zu unterstützen, damit jedes Kind seinen Kita-Platz erhält. Seit 2010 haben wir mehr als 200 Mrd. Euro für Kinder, Bildung und Familien investiert.“
Zu den Gebühren erläuterte Britta Altenkamp: „Die SPD steht für eine gebührenfreie Kita-Betreuung. Denn selbst bei einem nur durchschnittlichen Einkommen, kommen auf Eltern sonst so schnell 770 Euro Zahlungen pro Monat zustande. Wir streben an, dass allen Eltern eine 30-stündige Betreuung kostenlos geboten wird. Nur Eltern, die diese Stundenanzahl noch aufstocken wollen, müssen nach einem fairen Gebührensystem nachzahlen. Und außerdem sollen die Kita-Öffnungszeiten flexibler werden, das muss an den Arbeitsalltag der Eltern angepasst werden.“

Studien-Gebühren

Fred van Führen warf ein, dass das Studium auch nicht völlig gebührenfrei sei, da z.B. für das Studententicket gezahlt werden müsse. Dazu die Ministerpräsidentin: „Wir haben die Studiengebühren abgeschafft. Die Studierenden zahlen ihren Beitrag für das günstige Ticket für Busse und Bahnen, vergünstigtes Essen in der Mensa und die Unterstützung des Studentenwerks. Das günstige landesweite ÖPNV-Ticket wollen wir von der SPD jetzt auch für Azubis einführen. Ebenso wie die Streichung der Gebühren für die Meisterausbildung. Das ist gerecht und eine Wertschätzung für die duale Ausbildung.“

Sicherheit in NRW

Hohe Einbruchszahlen, Notrufe, die ins Leere gehen – Rolf Suchalla sorgt sich – wie alle BürgerReporter in der Runde - um die Sicherheit in NRW. Hier antwortete Justizminister Thomas Kutschaty: „Das kann ich verstehen, gerade, wenn es wie bei Einbrüchen um ein Eindringen in die absolute Privatsphäre geht. Allerdings sind die Einbruchszahlen aktuell rückläufig (-30 %). Wir haben dafür gesorgt, dass die Polizei mehr Präsenz zeigt. Dazu gehört natürlich genügend Personal. Deshalb wollen wir nicht nur 2.000 neue Polizeianwärter jährlich, sondern 2.300. Klar ist auch, dass das persönliche Sicherheitsgefühl der Menschen oft von objektiven Zahlen abweicht. So haben wir mit vielen Maßnahmen die Jugendkriminalität (-20 %) deutlich senken können.“
Hannelore Kraft erläuterte: „In den letzten sechs Jahren haben wir 1.800 neue Stellen in der Justiz geschaffen - damit die Strafe der Tat schneller auf dem Fuß folgt. Denn auch das ist für einen schnellen und effektiven Umgang mit Straftätern wichtig. Keiner verschließt die Augen davor, dass es auch schwierige Stadtteile oder Straßen gibt. Dort handeln wir, setzen auch mehr Polizei ein. Denn No-Go-Areas, also Bereiche, in die Polizei nicht reingeht, gibt es in NRW nicht. Wo notwendig, werden wir des Weiteren die Videobeobachtung ausweiten und dunkle Plätze besser ausleuchten. Kriminelle Banden mieten in einigen Städten auch gezielt sogenannte Schrottimmobilien an, um daraus unzumutbare Massenunterkünfte für Zuwanderer aus Südosteuropa zu machen. Deswegen hat das Land dafür gesorgt, dass die Städte diese Häuser dichtmachen und gegen die Eigentümer vorgehen können. Allein Essen kann 6 Mio. Euro für den Abriss von Schrottimmobilien in die Hand nehmen, 95% des Geldes kommt dabei vom Land.“

Ehrenamt

Detlef Tellers wünscht sich mehr Förderung des Ehrenamtes, vor allem in Sportvereinen. Er kann nicht nachvollziehen, warum Sportförderung aktuell vor allem den Bau von Kunstrasenplätzen für Fußballvereine im Auge hat. Dazu erklärte Landtagskandidat und Ratsherr Frank Müller: „Das Problem ist bei der Stadtpolitik angekommen. Z.B. Leichtathleten fühlen sich schlechter behandelt als Fußballer. Dennoch sind Fußballvereine auch wichtige Partner, wenn es darum geht, Menschen durch Sport zu integrieren. Wir werden eine gerechte Gewichtung finden, haben die städtische Ehrenamtskarte eingeführt und auch das Signal „Übungsleiter-Pauschalen-Anhebung“ seitens der Landesregierung umgesetzt.“
Landtagskandidatin und Essener Schulausschussvorsitzende Janine Laupenmühlen erläuterte: „Schul-Sportstätten sind nach dem Unterrichtsbetrieb auch fast immer Sportstätten für Vereine. Deshalb gibt es von der Landesregierung aus dem NRW-Stärkungspaket Geld für die Städte (2 Mrd. Euro verteilt auf vier Jahre), um Hallen, Duschräume und Platzanlagen im großen Stil zu sanieren. Die ersten Projekte in Essen sind schon an den Start gegangen.“

Diesel und Umweltschutz

Anastasia-Ana Tell und Bruni Rentzing interessierten sich für die Verbesserung des ÖPNV mit Blick auf den Umweltschutz und eventuelle Diesel-Fahrverbote. Dazu Ministerpräsidentin Kraft: „Ich will keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Es kann doch nicht sein, dass Pendler für die Versäumnisse der Autoindustrie bestraft werden. Wir müssen dort ansetzen, wo wir etwas tun können. Etwa bei den Bussen. Gerade die sind viel auf den hochbelasteten Straßen unterwegs. Deshalb werden wir die Umstellung auf Busse mit Elektroantrieb fördern. Was den Umweltschutz betrifft: Wir müssen in einem so dicht besiedelten Bundesland verantwortungsvoll mit den Flächen umgehen. In NRW geht pro Tag eine Fläche so groß wie 14 Fußballfelder für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten durch Bebauung oder sonstige Nutzung verloren. Das ist definitiv zu viel. Da geht es auch um die Bewahrung der Schöpfung.“

Erdogan-Anhänger

Fred van Führen sprach die hohe Anzahl von Erdogan-Anhängern im Ruhrgebiet an, die für eine Art Abschaffung von Demokratie in der Türkei mit gesorgt hätten. Dazu Hannelore Kraft: „Die Wahlbeteiligung unter den Türken in NRW war deutlich geringer als in der Türkei selbst. Allerdings kann ich die Befürchtung verstehen, dass der Streit zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern noch intensiver von der Türkei nach Deutschland verlagert wird. Wir wollen das nicht. Die Menschen mit türkischen Wurzeln sind eingeladen, sich hier in unserer Gesellschaft einzubringen. Die SPD steht für eine weltoffene, vielfältige und solidarische Gesellschaft, in der alle ihren Platz haben, die unsere Werte und Gesetze achten. Und dies gilt ausdrücklich unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens oder auch unabhängig davon, wen sie lieben. Für mich sind das alles Nordrhein-Westfalen. Wir müssen ein Signal setzen, dass wir zusammenhalten wollen. Daher bin ich auch für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger, die schon sehr lange hier in NRW leben.“

Rot-Rot in NRW?

Rolf Suchalla und Fred van Führen sprachen eine mögliche rot-rote Koalition mit den Linken an. Die Ministerpräsidentin erklärte: „Wir halten die Linke für nicht regierungsfähig und -willig. Für wirkliche soziale Gerechtigkeit im Land steht nur die SPD - nicht die Linke, denn sie verspricht in ihrem Wahlprogramm viel Wolkenkuckucksheim. Regierung bedeutet, nicht mehr zu versprechen, als man halten kann. Weil man natürlich weiß, dass unter den finanziellen Rahmenbedingen nicht alles umsetzbar ist.“

Wünsche an Frau Kraft

Gegen Ende des Gesprächs konnten die BürgerReporter noch einmal ihre Hauptwünsche an die Landespolitik benennen. Hannelore Kraft fasste zusammen: „Sie alle wünschen sich, dass weiterhin in die Zukunft dieses Landes und seiner Menschen investiert wird. Bessere Kinderbetreuung, mehr Lehrer, mehr Polizisten, bessere Infrastruktur, mehr Projekte für Sport und Kultur - um nur einige Punkte zu nennen. Einige dieser Punkte wollen jetzt auch andere angehen. Ich sage Ihnen aber, die SPD ist die Partei, die in NRW investiert hat und weiter investieren wird. Denken Sie auch daran, dass ich als Ministerpräsidentin – gerade von Seiten der CDU – für genau diese Investitionen aus unserem Landeshaushalt regelmäßig attackiert wurde. Wir haben einen klaren Plan für dieses Land. Wir investieren in eine gute Zukunft. Dafür nehmen wir in Kauf, dass wir die Schuldenbremse nicht so schnell erreichen wie andere, aber wir werden sie bis spätestens 2020 einhalten. Im letzten Jahr hatten wir außerdem erstmals seit 1973 ein Plus beim Haushalt – 217 Millionen Euro. Und es ist wichtig, dass die SPD auch bei der Bundestagswahl im September stärkste Partei wird und Martin Schulz Kanzler wird. Denn dann können wir dafür sorgen, dass auch der Bund die Länder und Kommunen noch stärker unterstützt bei Investitionen in Bildung, Straßen und Schienen, schnelles Internet. Denn der CDU-Bundesfinanzminister Schäuble setzt andere Schwerpunkte und nutzt mögliche finanzielle Spielräume nicht, die sich auch bei einer „Schwarzen Null“ im Bundeshaushalt bieten.“

Autor:

Detlef Leweux aus Essen-Steele

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