Informative BAUSTELLENRADTOUR in Essens Nordosten
Um die 60 Radfahrer*innen fanden sich zur letzten Baustellenradtour des Jahres ein, um gemeinsam durch Rüttenscheid und die Innenstadt nach Katernberg und Schonnebeck zu radeln.
Mit dabei Prof. Rolf Schwermer mit seinem gelben Kraftei - einem voll verkleideten Elektrodreirad. Aber da der Nieselregen pünktlich zum Start der Tour endet, bleibt nicht nur Rof Schwermer schön trocken, sondern alle Teilnehmer*innen. Diese konnten sich an den verschiedenen Projekten von Baudezernentin Simone Raskob und dem Bauausschussvorsitzendem Rolf Fliß (Grüne) gut informieren lassen und ihre Fragen äußern und lobende wie kritische Anmerkungen beisteuern.
Der erste Halt erfolgt an der neuen Großbaustelle „Alte PH“, der mittlerweile abgerissenen ehemaligen Pädagogischen Hochschule an der Henri-Dunant-Str.. Hier sollen rund 450 neue Wohnungen entstehen, das Gelände ist bereits gerodet. Wegen der großen Tiefgarage dürften leider noch weitere Bäume gefällt werden. Die große Koalition im Rat hatte schon vor Jahresfrist einen Antrag der GRÜNEN abgelehnt, dass 30% der Wohnungen hier Sozialwohnungen sein sollen. Leider fehlt in Essen bei Neubauten eine verbindliche Quote für Sozialwohnungen, weil SPD und CDU sich dagegen stellen.In Düsseldorf ist das beispielsweise Standart.
Die Stadt hat im Sinne der GRÜNEN einen Antrag auf Mitfinanzierung einer Radverbindung über die noch vorhandenen Teile das Rommenhöller Gleises beim Land gestellt, um die neue Bebauung per Rad an den Bhf. Süd einerseits und den Grugaradweg andererseits anzuschließen.
Die Turnhalle und das Schwimmbad der alten PH bleiben erhalten. Der betreibende Verein VGSU hofft nach dem Ankauf auch die notwendige Sanierung der Gebäude mittelfristig in Angriff nehmen zu können.
Am Güterbahnhof Rüttenscheid und auf dem Fußballplatz der Sportfreunde 07 wird von der Stadt ebenfalls eine Wohnbebauung favorisiert - offen ist aber nach wie vor, wohin die zahlreichen Fußballmannschaften umgesiedelt werden. Im Gespräch ist eine Lösung im Bereich des Steag-Kraftwerks.
Die Hopfgruppe plant parallel zur Wittekindstr bis zur Ursulastr eine Bebauung. Der Grugaradweg müsste dann in diesem Bereich wegen der Größe des Baukörpers verschoben und verengt werden. Eine Entscheidung über diesen nicht unumstrittenen Neubau fällt wahrscheinlich 2018.
Beim Haltepunkt Messe/Grugahalle ist der Neu- und Umbau von Teilen der Ausstellungshallen fast abgeschlossen. Der durch das erfolgreiche Bürgerbegehren von Grünen und anderen Organisationen reduzierte Kostenrahmen wird eingehalten. Die Inanspruchnahme von Grünflächen der Gruga für die Messe beschränkt sich gegenüber den ursprünglichen Planungen auf sehr geringe Flächen - ein Sieg für Grün und wirtschaftliches Augenmaß.
Der nächste Zwischenstopp erfolgt am neuen Mobilpunkt „Haltestelle Landgericht“. Dies ist einer von bereits vier derartigen Einrichtungen in Essen, wo öffentlicher Nahverkehr und Carsharing mit Leihrädern und Ladestationen für Elektromobilität verknüpft wurde. Gemischt mobil ist die Devise dieses Konzepts. Der leichte Wechsel und die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmöglichkeiten sollen hier gefördert werden.
Weiter geht’s zu den Cranachhöfen am Holsterhauser Platz. Hier baut der Allbau an Stelle des ehemaligen Berufskollegs Wohnungen, darunter auch vom sozialen Wohnungsbau geförderte, Geschäfte, eine Kita und Büroräume – alles mit Tiefgarage. Der Innenhof wird begrünt und nicht von der Bebauung komplett abgeriegelt, stattdessen ist er an mehreren Stellen von den umliegenden Straßen aus gut zugänglich. – Eine Dachbegrünung wird ebenso vorgesehen. Eine Aussichtsplattform ermöglicht zur Zeit einen guten Überblick über die große rund 14.000 m2 umfassende Baustelle. Die Fertigstellung soll bis Februar/März 2019 erfolgen. Im Wohnbereich ist im Erdgeschoss eine großzügige Fahrradabstellanlage mit Ladestationen geplant. Der Lieferverkehr wird zum Schutz der Anwohner über die Tiefgarage abgewickelt.
Die Bauhöhe ist dreigeschossig statt ursprünglich viergeschossig, die Baukosten belaufen sich auf ca. 48 Mio €.
Simone Raskob zeigte sich begeistert: „Für die Stadt und vor allem Holsterhausen ist es wichtig, dass Allbau auch an diesem Standort ein nachhaltiges Stadtentwicklungsprojekt realisiert und durch die Cranachhöfe den Stadtteil bestimmt nicht nur städtebaulich, sondern auch funktional stärkt. Die Aussichtsplattform ist für jeden Interessierten eine gelungene Gelegenheit, die Baufortschritte zu verfolgen.“
Es folgt die Innenstadt. Über die Kastanienhöfe bzw. das Kreuzeskirchviertel radeln wir zunächst zum Haus der Begegnung am Webermarkt. Hier sitzt noch die Zentrale für die Durchführung der Grünen Hauptstadt Essen.2017. Von hier aus werden auch die ca. 800 Ehrenamtlichen betreut, die sich für die vielen Projekte der grünen Hauptstadt engagiert haben. Auf dem Platz befinden sich zahlreiche Pflanzkübel. Nach dem sie jetzt abgeerntet wurden, werden diese temporären Bauwerke allerdings abgebaut. Auch die mit bunten Betonteilen eingefassten Beete in der Innenstadt werden bis zum Winter abgeräumt. Umweltdezernentin Simone Raskob will sich dafür einsetzten, einen Teil dieser Beete 2018 wieder aufzubauen, sofern es im Rahmen der Finanzen von Grün und Gruga möglich ist. Sie verbessern die Aufenthaltsqualität und laden als zusätzliche Sitzmöglichkeiten zum Verweilen ein.
Der Allbau wird das Haus der Begegnung umbauen - die Fassade bleibt jedoch erhalten. Der künftige Verwendungszweck steht noch nicht fest.
Weiter geht es zur Baustelle der Funke Medien Gruppe ins Univiertel. Als erste externe Besuchergruppe besuchten wir diesen Ort, der als letztes Bauwerk dieses Quartiers bis Mitte 2018 fertig gestellt wird. Dann werden die Reaktionen von WAZ und NRZ in den Medienturm einziehen. Hauptredaktion, die Verwaltung des Konzerns und eine Kita werden im schwarzen Gebäudekomplex neben dem Turm untergebracht. Eine umfangreiche Dachbegrünung mit Ansiedelung von sieben Bienenvölkern ist dort vorgesehen.
Einmalig in Deutschland wird auch eine große LED-Medienwand am Turm leuchten, über die aktuelle Nachrichten verbreitet werden.
In der Tiefgarage können bei wachsendem Bedarf bis zu 50% der Stellplätze mit Ladestationen für E-Autos versehen werden. 108 Fahrradabstellanlagen nebst Duschen und Umkleideräumen sind für Mitarbeiter*innen eingeplant, die über den Radschnellweg RS1 mit dem Rad zur Arbeit kommen. Die alten Gebäude an der Sachsenstraße wurden bereits an einen Projektentwickler verkauft - die Neuplanungen für dieses Quartier sind fortgeschritten, wurden aber noch nicht öffentlich gemacht.
Der anwesende Vertreter der Funke-Mediengruppe betonte, dass es dem Konzern wichtig gewesen sei, bei der Planung der Baustoffe wie des Mobiliars möglichst auf regionale Produkte zu setzen und nachhaltig zu investieren. Die Fertigstellung soll bis Mitte 2018 erfolgen bei Baukosten von 80 Mio €.
Bei allen drei großen Bauprojekten an der alten PH, den Cranachhöfen und bei der WAZ ist der Anschluss an das Fernwärmenetz vorgesehen. Unklar blieb, ob diese Fernwärme durch Kohle oder Gas oder gar Biogas erzeugt wird.Westnetz als Betreiber des Fernwärmenetztes beitet diese Möglichkeiten an. Mit Biogas heizt das Steag-Kraftwerk in Rüttenscheid.
Vom Berliner Platz aus ging es über die „Naturroute“ weiter in den Norden zum Neubau der Folkwang Universität auf dem Gelände der Zeche Zollverein. Nach vielen Jahren des Wartens konnten die entsprechenden Kunst- und Designstudiengänge sich nicht nur organisatorisch, sondern auch räumlich wieder vom Campus des Universität Duisburg/Essen im Segeroth lösen. Aktuell sind Studierende und Lehrkärfte noch dabei, ihr auch architektonisch markantes Gebäude mit verzinkter Stadtblechfassade in Besitz zu nehmen. Gemeinsam mit dem nur einen Steinwurf entfernten Designzentrum NRW wird endlich die bereits vor 10 – 20 Jahren beschworene Idee Wirklichkeit, auf dem Zollvereingelände einen nachhaltigen Schwerpunkt für Design- und Kreativwirtschaft aufzubauen.
Nach den Ikonen der Industriearchitektur durfte ein Stopp am Nahverkehrsknotenpunkt „Abzweig Katernberg“ nicht fehlen, der jetzt umgebaut wird. Lange genug mussten Katernberger und Schonnebecker hier einen Umsteigepunkt für Busse und Strassenbahnen hinnehmen, der in keiner Weise mehr der Verkehrssicherheit oder gar Barrierefreiheit entsprach. Aber immerhin, endlich wurde nicht zur Geld in das Zollvereingelände selbst investiert, sondern auch in die umliegende ÖPNV-Infrastruktur.
Das Neubauprojekt der Gustav Heinemann Gesamtschule bildete dann den Nordabschluss der Baustellentour. Hatte sich doch die Stadt all zu lange mit der überfälligen Sanierung dieser zweitältesten 6-zügigen Essener Gesamtschule Zeit gelassen. Schließlich waren die gravierenden Bauschäden so kostenträchtig geworden, dass Abriss und Neubau nach aktuellen Bau- wie pädagogischen Standarts sogar günstiger waren, als noch Geld in diesen Schulkomplex zu investieren. Ein Glück für die weit über tausend Schüler*innen – ein freies, der Stadt Essen gehörendes Grundstück liegt direkt neben den heutigen Schulbauten, so dass Schüler- und Lehrer*innen in 2 Jahren geschlossen ins neue Gebäude umziehen können, ohne von Umbau und Abrißarbeiten gestört zu werden. Am jetzigen Ort der Gustav-Heinemann-Schule soll dann Platz für Wohnbebauung geschaffen werden.
All die vielen Erläuterungen und ausführlichen Nachfragen der Tour-Teilnehmer*innen brachten mit ihrem Zeitverzug allerdings das letzte nördliche Etappenziel „Warten auf den Fluss“, das zeitweilige Holzhotel auf der Emscherinsel an der Grenze Altenessen/Karnap, zu Fall. Trotzdem seit es herzlich noch bis Ende Oktober als Einzelziel zur Besichtigung empfohlen. Der Umbau des Emschersystems hat sicherlich ähnliche Dimensionen für die Zukunft Region wie die Umwandlung des Zechen- und Kokerei Standorts Zollverein zu einem europaweit bekannten Kulturort.
Ihren Abschluss fanden die dicht gedrängten Radtouretappen bei der Rückfahrt Richtung Stadtmitte im Eltingsviertel, das aktuell als Nordviertel neben der City eine starke Aufwertung durch viele Investitionen von Wohnbaugesellschaften erlebt. Mit der Wohnumfeldverbesserung werden aber auch steigende Mieten und eine Umschichtung der Bevölkerungsstruktur befürchtet.
Natürlich stand auf dieser Fahrradtour die Problematik der kreuzungsfreien Weiterführung des Radschnellwegs RS1 oberhalb der Gladbecker Strasse und dessen Fortsetzung über den Freistein hinaus sichtbar im Raum.
Überall also viel informatives Radvergnügen und noch mehr Material für künftige Baustellen-Touren.
Joachim Drell/Walter Wandtke
Autor:Joachim Drell aus Witten |
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