CDU-Bundesparteitag in Essen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit ...“

Anlässlich des 29.Parteitages der CDU Deutschland trägt sich die Bundeskanzlerin Dr.Angela Merkel in das Stahlbuch der Stadt Essen ein
v.l.n.r : Oberbürgermeister Thomas Kufen, Bundeskanzlerin Dr.Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber und der Geschäftsführer der Messe Essen Oliver P. Kuhrt
05.12.2016    Foto: Elke Brochhagen
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    v.l.n.r : Oberbürgermeister Thomas Kufen, Bundeskanzlerin Dr.Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber und der Geschäftsführer der Messe Essen Oliver P. Kuhrt
    05.12.2016 Foto: Elke Brochhagen
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Auch Kanzlerinnen beten vor schweren Aufgaben – Nachlese zum Essener CDU-Parteitag.

Dass diese alte Stadt mit mächtigen Frauen in den über tausend Jahren ihrer Geschichte gute Erfahrungen gemacht hat, ist kein Geheimnis. Auch OB Thomas Kufen erinnerte in seiner Begrüßung auf dem Bundesparteitag der CDU augenzwinkernd zur Kanzlerin an die erfolgreiche Herrschaft der Essener Fürstabtissinnen: „Und von mir aus kann das auch noch lange so bleiben.“ Da hat sie sich gefreut.

Die Delegierten in der Grugahalle staunten aber nicht nur darüber: Als Test-Publikum des Imagefilms zur „Grünen Hauptstadt 2017“ waren die aus ganz Deutschland Angereisten angetan über „soviel Grün“. Vorurteile sind eben nur durch eigenes Erleben veränderbar. Passend für Angela Merkel, die ihre Mitstreiter für die Wahlkämpfe in Land und Bund einzustimmen hatte.

Essen hat ihr einst Glück gebracht. Hier wurde sie 2000 in einer der schwersten Krisen (Parteispender-Affäre) als unverbrauchte Hoffnungsträgerin erstmals zur Parteichefin gewählt: „Angie, Angie ...“ sangen sie damals, diesmal nicht. Jetzt besuchte sie früh am Dienstagmorgen mit dem CDU-Bundesvorstand einen ökumenischen Gottesdienst in der Erlöserkirche: In sich gekehrt, umgeben von Getreuen in der ersten Reihe vor dem Altar.

Persönliche Momente

Wer es erleben konnte: Ein sehr persönlicher Moment. Präses Manfred Rekowski und Bischof Franz-Josef Overbeck gaben den Delegierten Barmherzigkeit auf den Weg, baten um Kraft für bevorstehende Aufgaben. Und so stand ungenannt Weltpolitik plötzlich für alle im Raum: Trump, Putin, Erdogan, Brexit, Europas Zukunft, die Sorgen vieler Menschen. Die Last fokussierte sich an diesem Morgen um halb Neun. Ja, auf wen wohl hier im Raum? So fiel das gemeinsame „Vater unser“ eine Spur inbrünstiger aus. Und auch die alten Kirchen-Lieder wurden text-bewusst mit viel Leidenschaft gesungen.

Lebensqualität dieser Stadt

Schon Montags zuvor testete die CDU-Bundesvorsitzende die für sie so wichtige Grugahalle. Dort wartete CDU-OB Kufen mit dem „Stahl-Buch“ der Stadt Essen auf Angela Merkel. Und er, den sie duzt, gab uns Gelegenheit, die ehemaligen Umweltministerin nach Essen als Grüne Hauptstadt 2017 zu fragen.

Angela Merkel exklusiv:

"Ich freue mich mit den Essenerinnen und Essenern, dass ihre Stadt 2017 "Grüne Hauptstadt Europas" sein wird. Herrliche Parks, grüne Erholungsgebiete, immer sauberere Wasserflächen - dass es das alles in Essen gibt, wissen die Bürger hier schon lange. Der Titel wird hoffentlich noch mehr Menschen dazu bringen, die Lebensqualität dieser Stadt zu entdecken."

Den Rundgang durch die Halle mit technischen Proben erledigte sie professionell und sorgfältig. Ging mit Generalsekretär Peter Tauber die Podien ab, überprüfte persönlich Kamerausschnitte auf den Leinwänden. Die Wiederwahl zur Bundesvorsitzenden stand außer Frage, dennoch wollte sie, bestens vorbereitet, sachlich wie inhaltlich um jeden Prozentpunkt Zustimmung kämpfen.

Ihre Motivations-Rede, der Bericht als Bundesvorsitzende wurde dann von vielen Delegierten als für „die Chefin“ ungewohnt emotional empfunden: „Wer wie ich in der DDR gelebt hat, weiß, dass Politik gegen die Freiheit Politik gegen die Natur des Menschen ist.“

Und weiter: „Als ich jetzt in diesen Wochen und Monaten so intensiv über meine Entscheidung zu einer vierten Kanzlerkandidatur nachgedacht habe, haben viele zu mir gesagt: Du musst antreten. Das hat mich berührt. Das Gegenteil wäre auch nicht schön gewesen. (Heiterkeit im Saal) Wenn das aber so ist, dann ergänze ich – und zwar gerade in Zeiten wie diesen: Ihr müsst mir helfen.“ Über den lang anhaltenden Beifall dazu berichtete die Weltpresse. Sie sagte aber auch: „Kein Mensch allein - auch nicht mit der größten Erfahrung - kann die Dinge in Deutschland, in Europa und in der Welt mehr oder weniger zum Guten wenden, schon gar nicht ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Lassen wir uns das auch gar nicht erst einreden!“

Ungefähr da hat sie sie wohl gekriegt.
Nicht alle, aber die meisten. Über 11 Minuten lang dauerte der stehend gespendete Beifall der Delegierten. Das Ergebnis selbst war mit 89,51 % live in der Halle durchaus als ehrlich zu spüren: Nach 16 Jahren ist die Aufbruchs-Stimmung machtpolitischer Alltagsernüchterung gewichen, erklärten Delegierte.

Erfolge als Kanzlerin seit 2005 nennt sie selbst wie nebenbei: Arbeitslosigkeit von 5 auf 2,5 Millionen halbiert. Einer von der Mosel sagt hinten, auch die Bankenkrise sei „nur gemeinsam mit den Sozis“ halbwegs verträglich gestemmt worden. Und die Flüchtlingspolitik: zutiefst humanistisches Verhalten habe Deutschland großes Ansehen in der Welt gebracht. Wann hatte ein Land mit unserer Geschichte je so eine zweite Chance, betont ein Frankfurter, den wir morgens auch in der Kirche sahen. Durch ihre Haltung frei nach Luther „Ich stehe hier, ich kann nicht anders“ sei die erste weibliche Kanzlerin angreifbar geworden. Dazu sagt sie vom Podium: „Ich kann nicht versprechen, dass die Zumutungen in Zukunft weniger werden. Denn wir müssen tun, was die Zeiten von uns fordern.“

Ungleiche Flügel

Das allgemein noch als respektabel empfundene persönliche Dienstags-Ergebnis wurde tags drauf von „der Basis“ in den Parteitags-Beschlüssen nach rechts variiert: Transit-Zonen an Außengrenzen, schnelleres Abschieben, den knappen Beschluss – wenn auch ohne direkte Auswirkung - gegen doppelte Staatsbürgerschaften erlitt der neu in den Vorstand gewählte Innenminister Thomas de Maizière. Hatte er doch mit der SPD diesen Gesetzes-Kompromiss errungen, nun soll dieser Junge Union-Antrag bloß nicht Wahlkampf-Thema werden. Soll sozusagen in dieser „Halle mit den beiden Flügeln“ bleiben. Aus der vor 16 Jahren eine Frau aus dem Osten als Vorsitzende hervorging.

Die Grugahalle hatte damals schon die beiden ungleich großen Flügel. Bei der CDU hat sich der eine vergrößert seitdem. Angela Merkel sagte, der Bundestagswahlkampf 2017 werde wohl der härteste seit der Wiedervereinigung. Auch in der Union mit der hier kaum erwähnten CSU? Lieber vorher nochmal an der Stätte des ersten Erfolges ein Zeichen setzen. Fürstabtissinnen kennen sich halt aus damit, wie man lang an der Macht bleibt. (cd)

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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