"wilde" Pflege am Dreiringplatz
Herbe Enttäuschung nach Vandalismus
Die Frau Ende fünfzig sitzt fassungslos am Dreiringplatz. Sandra (Name geändert) hatte sich so viel Mühe gegeben. „Und nun sieht es hier aus wie eine Mondlandschaft“, klagt sie.
Was war passiert? Aufgrund von Depressionen und Angststörungen verlor sie ihren Job. An geregelter Arbeit ist nicht mehr zu denken. Sandra fristet ihr Leben daher einsam am Existenzminimum, und damit sie nicht so alleine ist, verbringt sie oft den Tag mit anderen „Gestrandeten der Gesellschaft“ am Dreiringplatz. Ohne Aufgabe, ohne Wert für das System, werden sie und ihre Freunde misstrauisch von Passanten beäugt.
Im letzten Herbst entwickelte sich dann eine Idee zum Plan: Um etwas Farbe in ihr Leben zu bringen, beschloss Sandra, die Grünanlage, an der sie immer mit ihren Kumpeln sitzt, etwas aufzuhübschen. „Das war eine Schmutzecke, gar nicht ansehnlich“, erinnert sie sich. „Und es ist doch für alle schöner, wenn hier etwas blüht!“ Zeit hat sie ja genug: Das Unkraut und die wuchernden Bodendecker wurden also von ihr mühsam entfernt, und aus Pflastersteinen und zerbrochenen Gehwegplatten setzte sie einen improvisierten Steingarten. Von dem wenigen, was sie erübrigen konnte, und aus Spenden kauft sie Blumen, die sie in die hergerichtete Bodenfläche pflanzte. Zunächst nur ein paar winterharte Gewächse. „Ein eigener Garten wäre natürlich schöner“, sinniert Sandra. „Aber wer kann sich das in meiner Situation schon leisten? Und hier sieht es dann doch nicht so trostlos aus, als wenn alles nur wuchert!“, erzählt sie. „Etwas zurückgeben“ wollte sie. „Das Projekt“ nennt Sandra es liebevoll. Und es gibt ihr eine Aufgabe: Umgraben, schmücken, hier und da neue Pflanzen kaufen, je nach verfügbaren Mitteln. Sie freut sich, wenn Passanten kurz stehen bleiben, über die gepflegten Beete schauen. "Die meisten Leute wissen wahrscheinlich gar nicht, wer die Fläche so hergerichtet hat, vermuten die öffentliche Hand", weiß sie. In der Adventszeit besorgte Sandra aus Spenden billige LED- Weihnachtsbeleuchtung, mit der sie den Baum und die angrenzende Laterne schmückte. Abends konnten sich alle Besucher des Platzes dann über die bunten Lichtchen wundern. Hübsch sah es aus. Ein Gewinn für den Platz.
Nun, da der Frühling kam, wollte Sandra den „großen Rundumschlag“ machen: „Ich hatte mir über die Monate, in denen ich nichts neues einsetzen konnte, fast hundert Euro zusammengespart“, erzählt sie. „Davon habe ich Blümchen gekauft und alles neu bepflanzt!“ Primeln, Stiefmütterchen … was sie sich eben leisten konnte.
Doch es kam, wie es kommen musste: Randalierer zogen schon in der folgenden Nacht über den Platz, rissen fast jede Pflanze aus und trampelten alles kaputt. Aber das reichte ihnen noch nicht: „Ich musste zwei große Säcke Altpapier vom Beet sammeln!“, klagt Sandra. Und schwer enttäuscht, fast unter Tränen fügt sie hinzu: „Nun sieht es hier aus wie eine Mondlandschaft. Alles umsonst.“ Sandra kann noch nicht einmal eine Anzeige erstatten, da sie von der Stadt keinen offiziellen Pflegeauftrag hat. Sie wollte für alle Bürger das Umfeld etwas hübscher machen. Hat viel Mühe investiert, Geld gesammelt und selbst etwas gespart, um es für die Allgemeinheit einzusetzen. Um vielleicht etwas Anerkennung zu bekommen. Nun saß sie vor dem wüsten Beet, was gerade für sie, die endlich einmal das Gefühl hatte, etwas zurückgeben zu können, eine herbe Enttäuschung war. Alles umsonst.
Das war Anfang April.
Nun hat Sandra doch noch neuen Mut gefasst, sich mit dem Rückschlag arrangiert: Die Steine wurden beim zweiten Anlauf hübscher gesetzt, weniger improvisiert. Die ersten Blumen konnte sie schon wieder erwerben. Und vielleicht haben Sie beim nächsten Marktbesuch auf dem Dreiringplatz auch einen Euro für Sandra's Garten übrig. Oder Sie stellen ihr ein Blümchen zum einpflanzen hin. Sie würde sich sicher freuen.
Autor:Ingo Behring aus Essen-Steele |
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