Asyl und Flüchtlingshilfe in Deutschland. Bundesinnenminister Thomas de Maizière spricht zu diesem aktuellen Thema in Essen-Steele
„Asyl und Flüchtlingshilfe in Deutschland. Hilfe ermöglichen und Vorurteile abbauen“ war das Thema im ausgebuchten großen Saal der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung in Essen-Steele, zu dem MdB Jutta Eckenbach (CDU, Wahlkreis Essen II) eingeladen hatte.
Wenn auch zunächst viele Politiker und Bürger der Zielvorstellung zustimmen würden, so kommt es spätestens dann zu Unstimmigkeiten, wenn die Frage nach dem Wo und Wie gestellt wird.
Zu klären ist, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen und welche Aufgaben, Verpflichtungen, Kosten damit verbunden sind.
Erst vor kurzem wurde Oberbürgermeister Reinhard Paß, SPD, von seinem Herausforderer Thomas Kufen, CDU, heftig kritisiert, als er vorschlug, am Flughafen Essen-Mülheim ein Flüchtlingsdorf zu errichten.
Mehrere Standorte in Essen sind schon geplant, z.B. in Heidhausen, Holsterhausen, im Nordviertel und auf dem ehemaligen Kutel-Gelände. Drei Zeltdörfer sollen auf Sportplätzen entstehen. Ob Zeltdörfer angemessen sind und wo sie errichtet werden sollen, wird bundesweit heftig diskutiert.
Nun wissen wir Essener Bürger zwar, dass die Asyl- und Flüchtlingsproblematik inzwischen fast ganz Europa betrifft mit teilweise katastrophalen Auswirkungen, wenn man an die Berichte über die Menschenmassen in Calais denkt, die unbedingt – manchmal unter Lebensgefahr - durch den Eurotunnel nach England wollen, wo sie, wie ihnen die Schleuser vorgegaukelt haben, das Paradies erwartet.
Wir wissen aber auch, dass wir selbst beim allerbesten Willen nicht allen helfen können. Da hat sich unsere Bundeskanzlerin vor kurzem viel Kritik eingehandelt, als sie einem weinenden Mädchen die Wahrheit gesagt hat und sich nicht, wie erwartet, nach Politikermanier mit blumigen, nichtssagenden Worten aus der Affäre gezogen hat.
Bemängelt wird oft, dass nicht genau genug zwischen Asylanten und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden wird. Umstritten ist auch die Zuordnung zu „sicheren Herkunftsländern“.
Dass sich jetzt Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach Steele bemüht hat, ist eine kleine Sensation. Aber Eckenbach musste ihn anscheinend nicht lange bitten.
„Dass sich die Situation so zuspitzen würde, konnten wir vor Monaten noch nicht wissen“, betont Eckenbach in ihrer Begrüßungsrede. Zwar müsse alles Erdenkliche getan werden, um Flüchtlinge nicht in die Obdachlosigkeit zu drängen, andererseits müsse gewährleistet sein, dass Flüchtlinge, denen kein Bleiberecht gewährt wird, schnell in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
OB-Kandidat Thomas Kufen weist auf die zahlreichen Hilfsangebote durch Pfarrer, Lehrer, Gewerkschafter und Kommunalpolitiker hin, die sich aber angesichts der zunehmenden Flüchtlingszahlen mehr und mehr rechtfertigen müssen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit. „Die Helfer“, betont er, „erwarten zurecht, dass sich die Politiker mehr engagieren.“
Grundsätzlich seien wir verpflichtet, den Flüchtlingen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu helfen, sagt Kufen, gleichzeitig könnten wir aber nicht dulden, dass sich manche Flüchtlinge nicht integrieren wollen und staatliche Autoritäten nicht anerkennen.
Bundesinnenminister de Maizière nennt in seinem ca. halbstündigen Vortrag drei wesentliche Punkte, die es zu berücksichtigen gilt:
• Wer kommt?
• Wie viele kommen?
• Was ist zu tun in Deutschland und in Europa?
Ausführlich, auch mit Hilfe eines Diagramms, erläutert er den Anstieg der Flüchtlingszahlen seit Beginn des Jahres und die ganz besonders extreme Zunahme im Mai und im Juni.
Zwei Hauptrouten sind festzustellen:
1. Die Südroute (Libyen, Mittelmeer, Italien)
2. Die Südostroute (Balkanroute), die seit dem Vorjahr eine Steigerung um 900% aufweist.
Dabei sei auffallend, dass die Balkanländer – im Prinzip – ihre Bürger im eigenen Land behalten wollen. Hier handelt es sich anscheinend eher um Wirtschaftsflüchtlinge.
„Asylrecht ist nicht dazu da, die ganze Welt zu retten“, ist de Maizières Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis. Angeblich raten sogar Rechtsanwälte Migranten aus dem Kosovo, ihre Pässe wegzuwerfen, um nicht so leicht abgeschoben werden zu können.
Die Erstaufnahme müsse intensiviert und beschleunigt werden, das fordert nicht nur de Maizière. Und eher Sachleistungen als Geld müssten bereitgestellt werden, dann würde sich der Strom der Migranten verringern.
Aber auch der Missbrauch von Sozialleistungen rechtfertige auf gar keinen Fall Aggressionen, Beleidigungen, tätliche Angriffe auf Migranten.
Positiv äußert er sich zu den vor dem Terror im Irak und in Syrien geflohenen Migranten. „Fast alle wollen arbeiten“ ist de Maizière überzeugt, „sie wollen nicht in einer sozialen Hängematte bleiben.“ Auch hier sollten die Verfahren schneller durchgeführt werden.
Dass auf die Kommunen noch viel Arbeit und große finanzielle Belastungen zukommen, ist auch der Bundesregierung klar. Hier wird es wohl noch viele Runde Tische geben müssen, um Übereinkünfte zwischen Kommunen, Ländern und Bund herzustellen.
Letztendlich, sagt de Maizière zum Abschluss, sei das entscheidende Ziel, Asylrecht und Flüchtlingsproblematik in ganz Europa abzustimmen, denn fast alle Länder Europas sind mehr oder weniger stark davon betroffen.
„Was genau und wie erfolgversprechend die Maßnahmen sind, können Sie mit uns diskutieren. Wir wollen miteinander reden, mögliche Vorurteile beseitigen und bislang offene Fragen beantworten.“ hieß es in der Ankündigung der Veranstaltung auf der Website von Eckenbach.
Das war nicht der Fall. Nach dem Vortrag des Bundesinnenministers, dem Dank an ihn und dem ihm überreichten Geschenk war Schluss.
Das ist sehr bedauerlich, denn die Essener Bürger hätten bestimmt viele Fragen zu der Situation in ihrer Stadt gehabt.
Und dass vor kurzem Sozialdezernent Peter Renzel gesagt hat, dass die Stadt erst drei Tage vorher von der Bezirksregierung erfährt, dass sie Flüchtlinge aufnehmen muss, irritiert sicherlich nicht nur die Bewohner des Nordviertels, wo auf einem Sportplatz das Flüchtlingsdorf Altenbergshof aufgebaut werden soll.
Autor:Manfred Jug aus Essen-Steele |
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