„Es muss mehr als die Arbeit geben“ - Ehrenamtler Michael Günnewig gibt Tanzkurse für Senioren
Lange Zeit war Michael Günnewig ausschließlich auf seine berufliche Karriere fixiert. Nach gesundheitlichen Problemen fand er durch ein Ehrenamt seine innere Ausgeglichenheit. Als Tanzlehrer für Senioren macht er ergreifende Erfahrungen.
Zu seiner ehrenamtlichen Tätigkeit kam Michael Günnewig eher zufällig. Zeit seines Lebens war er extrem ehrgeizig und sehr auf sein berufliches Fortkommen fixiert. 14 Arbeitnehmer in ganz Deutschland zeugen davon.
„Wenn ich das Gefühl hatte, nichts mehr lernen zu können, bin ich weitergezogen.“ Auf diese Weise lernte der ausgebildete Krankenpfleger eine ganze Menge und bildete sich immer weiter. Seit fast 20 Jahren ist der 58-Jährige als Lehrer für Berufe im Gesundheitswesen tätig, verfasst Fachartikel und hält Vorträge. Kurzum: Michael Günnewig hat gut zu tun.
Dass der gebürtige Hattinger sich nebenher noch Zeit nimmt, im Überruhrer Marienheim sowie im Seniorenstift St. Andreas in Rüttenscheid Tanzkurse zu geben, ist auf ein Schlüsselerlebnis zurückzuführen - oder besser gesagt, auf eine Schlüsselzeit. Denn bei der beruflichen Karriere machte irgendwann der Körper nicht mehr mit.
Ehrenamt nach schwerer Krankheit
Michael Günnewig erkrankte schwer, hatte einen Herzinfarkt und mehrere Hörstürze. „Da habe ich mir gesagt: Es muss mehr als die Arbeit geben.“
Er machte sich Gedanken, wie er die emotionale Leere neben der Arbeit füllen könne und wandte sich schlussendlich an die Ehrenamt Agentur Essen. Dort fand man schnell die passende Aufgabe für ihn.
Es musste noch nicht einmal lange gesucht werden. In seinem Fall lag das Amt so nahe. Schließlich ist Michael Günnewig einerseits Krankenpfleger, andererseits seit 1997 begeisterter Tänzer. „Leider“, wie er erklärt. Denn rückblickend hätte er gerne früher mit dem Tanzen begonnen. Sein Talent ist unverkennbar. Günnewig ist Turniertänzer, zunächst für den Tanzsportverein Casino Blau-Gelb Essen, heute im Mülheimer Tanzturnierclub an der Ruhr.
So begann er vor einem Jahr damit, in den besagten Essener Seniorenheimen Tanzstunden anzubieten. „Zunächst hatte ich die spinnerte Idee, dass ich Standardtänze anbieten könne“, erinnert sich Michael Günnewig lächelnd zurück. „Das war naiv.“ Von einem Leistungsgedanken musste er sich bei der Arbeit mit den teils demenzkranken Senioren schnell verabschieden. Dafür bekam er etwas Besseres, etwas viel Wertvolleres.
Michael Günnewig dachte um: „Ich muss gucken, dass ich die Teilnehmer körperlich nicht überfordere.“ Anstatt einen klassischen Tanzkurs zu geben, geht Michael Günnewig reihum und fordert die Senioren zum Tanz auf. Dazu besorgte er sich eine CD mit Liedern aus der Jugendzeit der Senioren. „Denn ich habe die Beobachtung gemacht, dass - wenn ich diese Lieder abspiele - die Menschen durch die Musik Erinnerungen und Gefühle an ihre Kindheit und Jugend wiedererkennen.“
Senioren fühlen sich in glückliche Zeiten zurückversetzt
Es sind glückliche Zeiten, in die sich die Senioren zurückversetzt fühlen. „Einmal hat mich beim Tango eine demenzkranke Bewohnerin ganz spontan zum Tanz aufgefordert. Wir haben den Tango getanzt, dann setzte sie sich wieder hin und hat den ganzen Tag nicht aufgehört zu lächeln“, berichtet Michael Günnewig.
„Sie hatte wieder richtig Spaß am Leben. Für eine gewisse Zeit ist sie aus ihrer Tristesse herausgeholt worden. In diesem Fall galt wirklich der Spruch: Ein Herz wird nicht dement.“
Wie der Tanzlehrer das mit leuchtenden Augen erzählt, bekommt man das Gefühl, dass auch bei ihm das Lächeln einen vollen Tag anhielt.
Autor:Andreas Neuhaus aus Essen-Ruhr |
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