Ente gut, alles gut!
Behände watschelt die kleine Ente über den Laminatboden im Wohnzimmer von Jennifer Stolz und Torsten Manns in Kupferdreh. Dabei stiehlt sie Labradorhündin Zoe fast die Schau.
Wolfgang, so der Name des exotischen Hausgenossen auf Zeit, hat schon einiges erlebt in seiner kurzen Zeit auf Erden. „Eigentlich wollten wir ihm ja gar keinen Namen geben“, gesteht Jennifer Stolz. Damit die Bindung nicht zu eng wird an das tierische Findelkind.
Seit Anfang Juli gibt der kleine Erpel den Ton an bei dem jungen Paar - mehr oder weniger laut. „Anfangs hat der Kleine nur geschnattert. Ich brauchte nur einen Moment in die Küche zu gehen und schon ging es los“, erinnert sich die Ersatzmutter. Mittlerweile ist Wolfgang ruhiger geworden, schnattert nur noch ab und zu. „Von einem Tag auf den anderen wurde er regelrecht heiser. Da haben wir uns schon Sorgen gemacht, bis wir erfahren haben, dass das zur normalen Entwicklung gehört. Es ist ein Indiz dafür, dass es sich um ein Männchen handelt, denn nur die werden heiser“, berichtet Torsten Manns
Zwei seiner Arbeitskollegen hatten den Erpel zusammen mit einem Geschwistertier Anfang Juli mutterseelenallein an der Ruhr aufgefunden. Nachdem sich keine erwachsene Ente blicken ließ, nahmen sie die zwei auf und brachten sie in die Obhut des jungen Paares in Kupferdreh.
„Wir kannten uns erst gar nicht aus“, so Jennifer Stolz. Sogleich machten sich die beiden Ersatzeltern schlau, fanden heraus, dass es sich bei den Winzlingen um Reiherenten handelt. Wolfgangs Geschwistertier war viel schwächer als er und verstarb trotz beinahe stündlicher Fütterung mit der Pipette wenige Tage später.
Wolfgang war sofort selbstständig
Bei Wolfgang hat die Sache hingegen gleich reibungslos funktioniert. „Er war sofort selbstständig“, erzählt Torsten Manns stolz. „Wir haben uns beim Bauern kundig gemacht und der empfahl uns sogenannten ‚Entenstarter‘, ein Futter in Pelletform, das alles enthält, was das Tier braucht.“ Mit der Fütterung funktionierte es von Anfang an prima, von Zoes Annäherungsversuchen in Richtung Napf einmal abgesehen. Torsten Manns: „Beim Füttern muss man schon aufpassen. Unsere Zoe ist sehr futterneidisch. Ansonsten klappt das mit den beiden aber sehr gut.
Man kann sagen, Wolfgang hat sich richtig gut eingelebt im Haushalt Stolz/Manns. Einer seiner Lieblingsplätze ist das Sofa im Wohnzimmer. Da sitzt er abends gerne und döst, während die Menschen fernsehen. Oder er geht auf Tuchfühlung: „Er schmust schon gerne. Setzt sich zum Beispiel neben mich und zieht meine Hand mit seinem Schnabel richtig zu sich hin unter seiner Körper“, berichtet Jennifer Stolz entzückt.
Mit Wasser, seinem eigentlichen Element, hat Wolfgang auch schon reichlich Erfahrung gemacht. Das tägliche Bad (unter Aufsicht) in der Badewanne ist Standard. Außerdem machen die Zieheltern regelmäßig Ausflüge mit ihrem Schützling.
In der Natur wenig anhänglich
Dann schwimmt er schon ganz souverän im nahe gelegenen Biotop. „In der Natur ist er gar nicht mehr so anhänglich. Da kennt der nix. Denkt sich wahrscheinlich ‚Euch brauche ich doch nicht!‘“, schmunzelt Jennifer Stolz. Das Fliegen funktioniert auch schon gut. Dabei kam es allerdings einmal zu einer brenzligen Situation: „Wir hatten Wolfgang draußen im Garten laufen gelassen, als er plötzlich vor irgend etwas erschrak. Da hat er Anlauf genommen und zum Flug angesetzt und ist zum ersten Mal richtig geflogen. Da haben wir schon so etwas wie Elternstolz verspürt“, erzählt Torsten Manns. Allerdings kam Wolfgang zunächst gar nicht mehr runter. Flog zum Deilbach und schwamm dort in einen stillgelegten Kanal. „Ich bin dann in Klamotten rein in den Bach“, erinnert sich Torsten Manns. Heinz Zölzer, der Vermieter des jungen Paares, eilte außerdem mit seinem Kanu zu Hilfe. Schließlich konnten die Männer den Erpel mit vereinten Kräften bergen.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge denken Jennifer Stolz und Torsten Manns an den bevorstehenden Abschied von ihren Ziehkind. Auf die Dauer ist Laminatboden nicht der richtige Lebensgrund für eine Reiherente. Die beiden wollen Wolfgang in einem Bereich auswildern, wo er geschützt und unter seinesgleichen glücklich leben kann und damit es schließlich heißt: Ente gut, alles gut!
Hintergrund:
Tierschutzvereine und Umweltverbände warnen davor, Jungvögel leichtfertig einzusammeln. Oftmals handelt es sich nämlich nur scheinbar um verwaiste Tiere. Merke: Elternvögel gehen nicht in die Nähe des Jungvogels wenn der Mensch daneben steht. Um sicherzugehen, ob es sich bei Jungvögeln wirklich um verwaiste und nicht um „Scheinwaisen“ handelt, sollte man die Tiere länger (zwei bis drei Stunden) vorsichtig (aus einem Versteck heraus) beobachten.
Zur Gewährleistung der artgerechten Aufzucht und auch zur Vermeidung der Gefahr der Fehlprägung auf den Menschen sollten Jungvögel nach Möglichkeit in eine anerkannte Auffangstation oder Vogelpflegestation gebracht werden. Diese können bei den Orts-, Kreis- und Landesverbänden des NABU, den Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte, Zoologischen Gärten oder auch bei Tierärzten oder Tierschutzvereinen erfragt werden.
Quelle: Naturschutzbund
Autor:Melanie Stan aus Essen-Ruhr |
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