Und nun, Frau Bundeskanzlerin?
"Politik heißt nicht, ständig nach dem Wetterhahn auf dem Dach zu schauen, sondern seine Überzeugungen umzusetzen." So soll sich Frau Dr. Angela Merkel dem Spiegel gegenüber geäußert haben.
Nun. Das finde ich doch richtig gut. Ganz meine Wellenlänge. Ich habe immer meine Überzeugungen umgesetzt – auch mal dem Mainstream entgegen. Mit vernünftigen Argumenten sollte das ja auch möglich sein in einer zivilisierten Demokratie, die ständig die totale Gleichberechtigung verkündet und stolz auf ihre Verfassung voller Menschrechte ist.
Nicht ganz ungefährlich, diese Denkweise, wie ich feststellen musste.
Zunächst stieß ich auf Unverständnis, als ich für meine Kinder meine Karriere aufgab. Frau, die auf sich hielt, hatte ihre Kinder einer Tagesmutter zu überlassen, um sich selbst zu verwirklichen…
Später die totale Irritation, weil ich auf Empfehlung des örtlichen Umweltamtes Papiertapeten im Handel suchte – anstelle der üblichen modernen, ‚angesagten’ Vinyl-Dinger. Umweltschutz? Was ist das? Ach ja richtig, die örtlichen Umweltschützer sind ja die, die täglich die 500 Meter bis zum Bäcker mit dem Auto bewältigen…
In der Grundschule dann die absolute Entrüstung – auch seitens vieler Eltern –, weil ich es wagte der Lehrerin meines Jüngsten kritische Fragen zu stellen, welche daraufhin bestimmte, dass dieser ja nicht Klassensprecher sein könne. Das Kind einer Mutter, die selbstständig denkt, wo kämen wir da hin…
Schließlich sind da die Nachbarn, die mich bis heute nicht grüßen, weil ich es wagte, mich für die Kinderspielplätze unserer Eigentümergemeinschaft zu engagieren. Leute, kriegt Kinder! Die Rente muss gesichert werden! Aber spielende Kinder vor der Haustür…
Naja, diese Nachbarn gehen mir am A… vorbei. Zum Glück gab’s ja auch noch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der hiesigen Bezirksvertretung bei der Neugestaltung des öffentlichen Spielplatzes.
Jetzt aber, jetzt habe ich materielle Nachteile erlitten, mir sind Kosten entstanden, meine Lebensqualität ist erheblich gemindert. Und das alles, weil ich meine Überzeugungen umsetze. Das alles, weil ich in einem Freizeitbereich selbstständig gedacht, zum Wohle vieler gehandelt und mich geweigert habe, heimlichen Diktatoren in den Allerwertesten zu kriechen.
Und jetzt verlange ich mein Recht. Dieses Recht, das in unserer Verfassung steht: Schutz meiner Würde, Recht auf freie Meinungsäußerung, Recht auf freie Entfaltung meiner Persönlichkeit etc. etc.
Und jetzt, Frau Bundeskanzlerin, jetzt will ich wissen, ob Sie zu dem stehen, was Sie da dem Spiegel gegenüber geäußert haben sollen: "Politik heißt nicht, ständig nach dem Wetterhahn auf dem Dach zu schauen, sondern seine Überzeugungen umzusetzen."
Jetzt, Frau Bundeskanzlerin, erwarte ich Ihre Unterstützung in meinem Kampf für unsere Grundrechte, auf die wir in Deutschland so stolz sind.
Und weil es noch andere wie mich gibt, erledige ich das auch gleich öffentlich. Mein offener Brief an Frau Dr. Merkel vom 7. Dezember dieses Jahres ist auf meiner Website und in meinem Blog hinterlegt.
Nun harre ich der Dinge, die da kommen – wenn sie denn kommen…
Autor:Ilia Faye aus Essen-Ruhr |
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