Der Fall Özil und die Integrationsdebatte - Sichtweise eines CDU-Integrationspolitikers

Dirk Kalweit sieht Teile der heutigen integrationspolitischen Ausrichtung der sog. Interkulturalität, sehr kritisch. Er ist ein Verfechter der deutschen Leitkultur als Charta des Zusammenlebens in Deutschland.
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Der Essener CDU-Politiker Dirk Kalweit zur aktuellen Diskussion um Messut Özil:

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland" ist sowohl historisch und gesellschaftpolitisch eine zutreffende Formulierung

„Zur aktuellen Diskussion um den Fußballspieler Mesut Özil und der daraus resultierenden neuen provozierten Integrationsdebatte in Deutschland ist meinerseits nur darauf zu verweisen, was die CDU Kupferdreh/Byfang bereits seit Jahren im Rahmen ihres Schaukastenplakates „Deutschland ist und bleibt ein christlich geprägtes Land“ öffentlich als Grundlagen des Zusammenlebens beschreibt:

Die Basis einer funktionierenden Integration von Menschen aus unterschiedlichen Kultur- und Religionskreisen ist und bleibt die `Deutsche Leitkultur` als Charta des Zusammenlebens in der Bundesrepublik Deutschland! Dazu zählen unabdingbar die kulturellen, religiösen, humanistischen, geisteswissenschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftspolitischen Normen, die teils über Jahrhunderte das Zusammenleben in Deutschland prägen und die die Grundlagen unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung darstellen. Neben den Werten und Normen, die das Grundgesetzt form(t)en, welches das Fundament des Zusammenlebens in Deutschland darstellt, bilden darüber hinaus diese erweiterten Traditionen und Errungenschaften sowie die gemeinsame deutsche Geschichte - und die Verantwortung die daraus erwächst - die Grundlagen der Deutschen Leitkultur.

Das Fundament Europas und Deutschlands steht auf drei Hügeln: Golgatha, Akropolis, Kapitol

Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, sah den europäischen Kontinent – und somit Deutschland - auf drei Hügeln gebaut: Golgatha stehe für unsere religiösen und anthropologischen Wurzeln und für den Frieden, die griechische Akropolis für die Demokratie und das römische Kapitol für eine Rechtsordnung.

Neben der Rechtsnorm Deutsches-Grundgesetz (abgeleitet aus dem Hügel Kapitol) bilden die christlichen Traditionen (abgeleitet aus dem Hügel Golgatha) einen wichtigen und fundamentalen Rahmen unseres Zusammenlebens in Europa und insbesondere in Deutschland. Die christlichen Feiertage (das Kirchenjahr) bestimmen unseren Jahresablauf vom Advent über Weihnachten, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Fronleichnam bis Christkönig. Der Sonntag ist nur deshalb für die meisten Menschen arbeitsfrei, weil christliche Wurzeln unser Land prägen. Der Sozialstaat, die soziale Marktwirtschaft – basierend auf den anthropologischen Fundamenten des Christentums (Ebenbildlichkeit Gottes führt gesellschaftspolitisch zur unabdingbaren Menschenwürde ALLER) –, ist nachhaltig bedingt und geprägt von der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik. Das christliche Gebot von der Nächstenliebe und das daraus resultierende Verantwortungsprinzip macht die Bundesrepublik zum toleranten, humanen und rechtsstaatlichen Staat.

Rechtsstaat, Demokratie und Freiheit bedingen einander

Die deutsche Geschichte von 1848 über Weimar bis zur Bonner Republik dokumentiert, dass „Einigkeit, Recht und Freiheit“ als gemeinsame Trias nur umsetzbar, realisierbar und praktizierbar ist, wenn es eine staatlich demokratische Grundlage – demokratisch parlamentarischer Rechtsstaat - (abgeleitet von der Akropolis) gibt.

Diese wenigen Beispiele zeigen schon, dass unsere freiheitlich demokratische Grundordnung nicht nur von diesen drei Hügeln Europas und den daraus resultierenden Normen und Werten geprägt ist, sondern dass selbige (Gesellschaftsordnung und westlich prägende Werte) geradezu einander bedingen. Daher kann und wird – in Reminiszenz auf die aktuelle politische Diskussion bezogen - der Islam in seiner politischen Ausprägung und Rechtsnorm niemals Bestandteil unserer Gesellschaft seien können! Die undifferenzierte Formulierung „Der Islam gehört zu Deutschland“ ist daher weder historisch nachvollziehbar noch zukunftsbezogen politisch wünschenswert. Unabhängig davon, dass Menschen islamischen Glaubens natürlich ein Bestandteil unserer heutigen Bundesrepublik sind. Vielfach gesellschaftlich und menschlich integriert und somit bereichernd für unser privates und kollektives Zusammenleben.

Deutsche Leitkultur versus Interkulturalität

Somit steht die integrationspolitische Forderung nach der `Deutschen Leitkultur` im diametralen Gegensatz zu der in vielen Kommunen praktizierten Form der Interkulturalität, welche die Nivellierung (das Gleichmachen) priorisiert und zur Kernthese erhebt und von der Majorität mittel-/ bis langfristig die Anpassung an die Minorität einfordert.

Integration kann aus meiner Sicht aber nicht bedeuten, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sich auf der `Wegstrecke der Integration` mit den nach Deutschland eingewanderten in der Mitte aller vorhandenen Normen und Werte trifft. Dieses Fehlverständnis von Integration wäre die Aufgabe aller Grundlagen unsere Staates, die unsere Gesellschaftsordnung erst zu der gemacht haben, was sie ist: ökonomisch äußerst erfolgreich, sozial vorbildhaft, demokratisch fundiert, humanistisch (siehe Flüchtlings-/ & Migrantenströme) äußerst begehrt.

Keine Toleranz mit intoleranten kulturellen Unterdrückungsformen

Mag die Burka, das Kopftuch oder der Burkini auch nicht explizit im Grundgesetz verboten sein, diese Synonyme für ein archaisches, rückwärtsgewandtes und frauenfeindliches Kultur-, Religions- und Gesellschaftsverständnis passen nicht zu unserem westlich aufgeklärten und auf Emanzipation beruhenden Wertekanon. Antijudaismus und Antisemitismus, die Leugnung des Existenzrechtes Israels ("Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar." Angela Merkel, 18. März 2008, vor dem israelischen Parlament) sind für uns nicht hinnehmbar, sie müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden.

Wer als rechtlich anerkannter Migrant beschließt, in Deutschland für sich und seine Kinder eine Zukunft aufzubauen, der ist herzlich willkommen. Es gilt aber zu beachten, dass die Normen, Werte und kulturellen Grundlagen gelten, die in der Metapher der drei Hügel Europas beschrieben sind. Hinzu kommen unsere Lehren aus der Geschichte!

Als Vertreter der integrationspolitischen `Leitkulturofferte` mache ich zudem deutlich, dass der sog. herkunftssprachliche Unterricht (von den betroffenen Migranten bezeichnenderweise muttersprachlicher Unterricht genannt) ein integrationspolitischer Offenbarungseid ist und abgeschafft gehört. Wer von gelungener Integration spricht, der kann nicht ernsthaft die These vertreten, dass Kinder der vierten `Gastarbeitergeneration` heute in einer öffentlichen deutschen Schule z.B. türkisch lernen sollten. Für deutsche Kinder mit sog. Migrationshintergrund, deren Eltern schon hier geboren wurden, sollte Deutsch die Umgangs- und Hauptsprache im Unterricht sein. Wer im Kontext der sog. Interkulturalität mit herkunftssprachlichen Unterricht anfängt, wird zukünftig nicht nur mannigfache Sprachformen in deutschen Schulen etablieren müssen (siehe Kurdenkonflikt bei türkischen Staatsangehörigen oder die Tatsache, dass Menschen aus weit über einhundert Nationen in Essen leben), er wird auch zu einer Integrationsschwächung beitragen. Nur über die Fokussierung der Erlernung der Deutschen Sprache ist es in Klassen, die heute in Teilen schon einen Migrationsanteil von über 50 Prozent haben, möglich, sprachliche Integration zu gewährleisten. Und, so die kritische Frage, bis hin zu welcher Generation sollte denn ein sog. herkunftssprachlicher Unterricht in deutschen Schulen gewährt werden, wenn wir heute selbigen schon für die vierte Generation ehemaliger türkischer Gastarbeiter etablieren wollen? Da wird doch Integration ad absurdum geführt!

Und was hat das alles mit Mesut Özil zu tun?

Ich glaube, dass der Gelsenkirchener Mesut Özil – und das dokumentiert die omnipräsente emotionale Diskussion - aktuell nur eine Symbolfigur dafür ist, dass wir in der deutschen Mehrheitsgesellschaft uns der Frage verweigert haben, was wir eigentlich von den Menschen, die im Laufe der Jahre zu uns gekommen sind, als Integrationsleistung erwarten. Zugespitzter formuliert, wissen wir in der Breite der Bevölkerung noch selbst zu bestimmen oder zu definieren, was deutsch, was europäisch sein heute heißt? Brauchen wir diese Unterscheidungsmerkmale überhaupt noch, wie manch politisch linksstehender wohl fragen würde? Was ist der Kitt, der diese unsrige Gesellschaft zusammenhält – abgesehen von den ökonomisch individuellen partikularen Interessen? Welcher Wertekanon soll uns Kompass sein in einem Deutschland, welches potenziert im Westen der Republik immer bunter, multireligiöser und ethnologisch vielfältiger wird (Diversität)?

Positiv formuliert: Die Özil-Debatte hält uns einen Spiegel vor Augen, der viele Fragen aufwirft! Anders als am Anfang des letzten Jahrzehntes, als Friedrich Merz, damaliger Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, diese Frage schon einmal aufwarf, dürfen wir diesmal dieser gesamtgesellschaftlichen Fragestellung nach der Integrationsfrage nicht ausweichen – die Flüchtlings-/ und Migrantenbewegung nach Europa und Deutschland zwingt uns geradezu dazu, aus dem Wohlstandssessel der Geborgenheit heraus dieses auch unbequeme Thema anzugehen.

Negativ formuliert: Die Anschuldigungen und Rassismus-Vorwürfe von Herrn Özil sind unverschämt und ungerechtfertigt. Eine Integrationsdebatte sollte hart aber fair bleiben. Nicht jede politische Äußerung eines DFB Präsidenten, die einem nicht passt, ist gleich als `Rassismus-Totschlagsargument` zu diskreditieren. Christliches Abendland: Balken im eigenen Auge – Splitter im Auge des Anderen! Wer sich mit einem türkischen Autokraten trifft, der alle fundamentalen demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien über Bord wirft, sollte vorsichtig mit solchen überhöhten Anschuldigungen sein.

Zwei Herzen in einer Brust mal in Betracht ziehend: Hätte – anstatt ostentativer jahrelanger Verweigerung – Herr Özil die deutsche Nationalhymne bei den Spielen der Nationalmannschaft mitgesungen und sich damit zu „Einigkeit, Recht und Freiheit“ mit dem Bundesadler auf der Brust bekannt, ihm wäre ein Treffen mit einem solchen Diktator wohl doch sehr schwer gefallen! Die Beschäftigung mit den Inhalten unserer deutschen Hymne - inklusive der intellektuellen Reflektion - wäre für Herrn Özil nur von Vorteil gewesen.

So bleibt nur die Conclusio, dass mit zwei Herzen in einer Brust es langfristig integrationsspezifisch nicht gut gehen kann! Eine Weisheit, die Konservative in diesem Lande schon lange postulieren! Ob es einem gefällt oder nicht, irgendwann wird man A oder B - in diesem Fall Deutschland oder Türkei - sagen müssen. Es zeigt sich erneut, wie falsch daher die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft war und ist – oder anders formuliert, man kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen.

Bricht man das Thema Özil auf seine Funktion als Fußballer herunter – und mehr ist er nicht in seiner gesellschaftlichen Rolle – so hat er einfach nur schlecht Fußball gespielt bei der letzten WM in Russland - wie Thomas Müller, Toni Kroos und 21 weitere deutsche Spieler auch. Und das hat alles nichts mit familiärer Herkunft, Hautfarbe oder Religion zu tun. Wer in der Nationalmannschaft – oh leider falsch, `National-` sollte man ja nicht mehr sagen –, wer in „Der Mannschaft“ für Deutschland spielt, der ist einer von uns, der siegt oder verliert mit uns.

Persönliche Fehler machen wir alle – wer frei ist von Fehlern, der werfe den ersten Stein! Selbstverständlich gestehen wir das auch den Fußballmillionären und öffentlich omnipräsenten Spielern unserer Nationalmannschaft zu. Enttäuschend ist jedoch die zu spät kommende und in der Sache inakzeptable Reaktion von Mesut Özil. Keine selbstkritische Haltung über den Besuch bei Erdogan, stattdessen ein inakzeptabler Rundumschlag gegenüber den deutschen Medien, dem DFB, vielen Sponsoren und letztlich – bezogen auf die Integrationsdebatte – der deutschen Gesellschaft.

Da kann man nur sagen – der Rücktritt aus unserer und seiner Nationalmannschaft ist richtig! Nur: mit einer mangelnden Integrationsbereitschaft in Deutschland hat dies alles nichts zu tun! Mesut Özil war und bleibt einer von uns – und bei aller Kritik in der Sache - das ist auch gut so!"

Autor:

Dirk Kalweit aus Essen-Ruhr

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