Heisingen: KURIER-Fotograf Georg Lukas machte sich auf die Spur der Umweltverschmutzer
Wer sind die Müll-Vandalen?
Von Georg Lukas
Zum dritten Mal wurde in Heisingen Hausmüll illegal im Wald entsorgt. Jagdaufseher Robert Böse ist verzweifelt. Der Ruhr Kurier machte sich auf die Suche nach den Übeltätern und kam dabei einen großen Schritt weiter...
Vergangene Woche klingelte mein Handy, jetzt, zur Coronazeit, ist das auch im Journalistenberuf nicht häufig der Fall.
Am Telefon war Jagdaufseher Robert Böse. Ein sympathischer Familienvater, der sich im Essener Süden um die Waldgebiete und deren Bewohner kümmert. Vor etwa zwei Monaten lernten wir uns bei einer Umweltverschmutzungsaktion kennen.
An der Heisinger Straße entsorgten damals Unbekannte Tonnen von Hausmüll. Mit einem Kipper wurde die riesige Menge an Unrat in den Schellenberger Wald geschüttet (der Ruhr Kurier berichtete).
Damals musste mit einem Bagger der Müll aus dem Wald geholt werden. Der Jagdaufseher berichtete mir nun, dass es ein neues Umweltproblem in Heisingen gibt.
Diesmal war das Waldgebiet entlang der Ostpreußenstraße betroffen, das bergab zur Wuppertaler Straße führt. Hier wurde mitten in der Nacht von Montag auf Dienstag (30./31. März) erneut Hausmüll entsorgt.
Farbeimer, Chemikalien, Feuerlöscher, Büroartikel, alte Postkarten und auch persönliche Belege wie Bankauszüge, Architekturzeichnungen sowie Handballurkunden, Kuscheltiere und Werkzeugmaterial lagen auf dem Waldboden verstreut. Alles war einfach den steilen Hang Richtung Wuppertaler Straße entladen worden.
Auch diesmal fahre ich an den Ort des Geschehens. "Genau an dieser Stelle ist es nun mittlerweile die dritte Umweltverschmutzung. Die 'Handschrift' ist gleich. Es muss sich hier um den gleichen Verursacher handeln. Die Straße ist über 200 Meter lang. Aber bei allen drei nächtlichen Vorgängen stand der Wagen immer an der gleichen Stelle. Das kann einfach kein Zufall sein“, berichtet mir Robert Böse. Ich merke schnell, dass die Umweltverschmutzung dem Jagdaufseher sichtlich „an die Nieren" geht. Vor Wochen stand der Familienvater bei der Pico-Bello-SauberZauberaktion mit seinen beiden kleinen Kindern und seiner Ehefrau ebenfalls an dieser Stelle, und sie holten gemeinsam illegal entsorgten Müll aus dem Wald.
Illegal entsorger Müll im Heisinger Wald
Während wir so vor dem neuen Müllhaufen stehen, kommt Wut in mir auf. Wie können Menschen, jetzt, wo alle um ihre Gesundheit kämpfen, einfach in den Wald fahren und Müll abladen? Was geht in diesen Köpfen vor? Wer sind diese Vandalen?
Wir beginnen gemeinsam in den Tüten zu suchen. Irgendwo muss doch ein Hinweis sein. Weit unten im Wald liegen Säcke mit Wahlkampfprospekten einer großen Partei. In diesen bittet ein Lokalpolitiker aus einer Nachbarstadt bei der Kommunalwahl um die Wahlstimmen seiner Mitbürger. Vorname, Nachname, Ort sind zu lesen. Die Wahlkampfunterlagen stammen aber aus dem Jahr 1989. Ich suche weiter. Wir finden weitere private Dokumente - verschiedene Vornamen, aber alle mit dem gleichen Familiennamen. Wir vermuten, dass hier vielleicht ein Familienmitglied verstorben ist und dessen Wohnung nun aufgelöst wurde.
Dem Jagdaufseher verspreche ich, die Angelegenheit genauer zu untersuchen.
Spurensuche in der Nachbarstadt
Gleich nach unserem Treffen führt mich mein Weg in die Nachbarstadt entlang der A52. Ich möchte nicht bis zum nächsten Tag warten. Meine Neugierde ist geweckt. Ich steuere die in den Unterlagen gefundene Adresse in der etwa 30 Kilometer entfernten Stadt an. Dort angekommen, stehe ich vor einem Einfamilienhaus. Mir erscheint es unbewohnt. Ich klingele trotzdem, und eine ältere Dame öffnet mir die Tür. Schnell erfahre ich, dass sie dieses Haus von dem Politiker „aus dem Wald“ vor über zehn Jahren gekauft hat. Wo der alte Besitzer aber jetzt lebt, dass wüsste sie nicht.
So ein Pech. Ab ins Auto und überlegen. Irgendwie müsste man doch weiterkommen. 2020, das Zeitalter des Internets. Handy raus und im Netz nach Infos gesucht. Dutzende Begriffe eingeben und auch Dutzende Fehlermeldungen akzeptieren müssen.
Spurensuche im Internet
Die Suche im Netz dauert - Geduld ist gefragt. Dann endlich ein Hinweis. Sogar mit einer Telefonnummer. Glück gehabt!
Der „Mann aus dem Wald“, scheint ein weiteres Haus verkaufen zu wollen. Obwohl die Anzeige zwei Jahre alt ist, rufe ich die Nummer an. Und BINGO! Eine gebrechliche Stimme meldet sich. Zwei, drei Minuten kann ich mich mit dem geschwächten älteren Mann unterhalten. Dann bittet der Senior um Rücksicht. Er befände sich im Krankenhaus und sei sehr schwach. Vorher verrät er mir noch die Anschrift von seinem vor einigen Tagen verkauften Haus. Für mich gibt es nun eine neue Adresse. Ein neuer Anlauf mit hoffentlich neuen Ergebnissen.
An der neuen Adresse finde ich ein etwas desolates und unbewohntes Einfamilienhaus vor. Leider ist niemand da. Also los und Nachbarn befragen. Die direkte Nachbarin: „Mit diesen Leuten will ich nichts zu tun haben“ - Tür zu...
Auftraggeber ist entsetzt über den Vorfall
Drei Häuser weiter ein ganz anderes Bild. Es folgt ein informatives und nettes Gespräch und das Resultat der „Mann aus dem Wald“ wurde hier noch vor wenigen Tagen bei der Übergabe des Gebäudes gesehen. „Seinen Lebensmittelpunkt hat er aber mittlerweile ins Ausland verlagert“, so der Nachbar.
Weiter berichtet er, dass zehn Stunden vor der Müllentsorgung im Heisinger Wald ein 40 Tonnen schwerer LKW und ein großer Sprinter von mehreren Männern mit vielen Dingen aus dem Haus beladen wurden. Der Nachbar erinnert sich genau: “Beide Fahrzeuge wurden ganz eng am Haus geparkt und versperrten hier den Anwohnern teilweise die Zufahrt zu ihren Häusern. Die Fahrzeuge hatten ausländische Kennzeichen."
Fassen wir also die Recherche zusammen: Ausländische Fahrzeuge, ausländische Firmenlogos, Zeitpunkt, Ort, Hausbesitzer, Müllart und und, und… - alles ist nun bekannt.
Letztendlich unternehme ich zu dem „Mann aus dem Wald“ einen weiteren Telefonanruf. Er war von den Ergebnissen meiner Recherche mehr als geschockt. „Ich war viele Jahre Ratsmitglied in meiner Stadt. Glauben sie etwa, ich würde meinen Müll mit persönlichen Papieren in unserer Nachbarstadt Essen in den Wald schmeißen?“
Firma wurde über das Internet beauftragt
Der Senior weiter: „Ich habe eine Firma aus dem Internet mit der Säuberung beauftragt. Für die Farbeimer und für die Elektroartikel habe ich sogar noch einen Aufschlag zahlen müssen. Die drei Männer machten eigentlich einen guten Eindruck. Ich bin sehr geschockt. Jetzt verstehe ich, warum ich von dem Trio keine Rechnung und auch keine Visitenkarte bekommen habe."
Sein Wunsch: „Lassen Sie mich hier im Krankenhaus gesund werden, dann werden wir gemeinsam diese Umweltverschmutzer suchen. Irgendwo habe ich noch eine Handynummer."
Keine Unterstützung seitens der Behörden
Mein Wunsch: „Die Unterstützung der Behörden." Doch hier endet mein erster Anruf bereits im „ABSEITS“. „Nicht zuständig… und, und, und…“ Ach ja, dann kam auch der Hinweis, dass durch Corona jetzt kaum etwas funktionieren würde…
Fragen Sie bei der Stadt nach - das wurde mir ebenfalls geraten. Aber, das Müllgebiet gehört nicht zum Verantwortungsbereich der Stadt Essen, sondern zum Regionalforstamt Recklinghausen.
Daten, Fakten, Namen sind jetzt da. Will man die Verursacher zur Rechenschaft ziehen, müssen jetzt die Behörden ran. Fragt sich nur welche?
Anmerkung der Redaktion:
Die Redaktion sprach mit dem CDU-Landtagsabgeordneten Fabian Schrumpf über den Vorfall. Der Heisinger Politiker sagte spontan seine Unterstützung bei der Ermittlung der Täter zu. Fabian Schrumpf:„Das Müllabladen in den Heisinger Wäldern ist nicht nur eine riesengroße Sauerei, sondern schlichtweg kriminell. Ich werde bei Polizei und Ordnungsverwaltung darauf drängen, dass hier konsequent ermittelt wird, damit die Täter bestraft werden können.“
Autor:Beatrix von Lauff aus Essen-Ruhr |
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