Lesen verbindet - Senior Hans Ismer aus dem "Kurt" kam zur Vorlesestunde in die Kita Bulkersteig

Andächtig lauschen die Kinder und auch Hellmut Spreer (links) Vorleser Hans Ismer.
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Mucksmäuschenstill ist es im Gruppenraum der Kita Bulkersteig in Überruhr. In der Mitte des Sofas hat Hans Ismer Platz genommen. Links und rechts daneben seine Mitbewohner aus dem Kurt-Schumacher-Zentrum Hellmut Spreer und Katharina Schönert.
Die drei Senioren sind heute zu einer Vorlesestunde in die städtische Kita gekommen. Der Raum ist stimmungsvoll dekoriert. Weihnachtsmann, Kerzen und Tannengrün. Es duftet nach frischem Kaffee und Gebäck. Die Ganztagskinder Zahar, Mira, Alexa, Lana, Vanessa und Jordan knabbern entspannt an ihren Lebkuchensternen. Die sechs Kinder haben auch auf der Couch Platz genommen. Es herrscht eine Atmosphäre wie in der guten Stube bei Oma und Opa.
Hans Ismer beginnt zu lesen. „Geschenke für den Nikolaus“ heißt die erste Geschichte an diesem Nachmittag, die von den Kindern Tina, Peter und Anne handelt, die auf die Idee kommen, dem Geschenkebringer selbst ein Geschenk zu machen. „Noch eine Geschichte“ rufen die Kinder, als Hans Ismer zu Ende gelesen hat. Der 79-Jährige fühlt sich an diesem Tag um Jahre zurückversetzt, als er seinen beiden Enkelinnen, mittlerweile Anfang 20, Weihnachtsmärchen vorgelesen hat. Die Knirpse entscheiden sich für die Erzählung „Der Wunschzettel“ und geraten am Ende auf Ismers Nachfrage nach den eigenen Weihnachtswünschen in eine angeregte Diskussion. Gleich zwei Mädchen aus der Gruppe wollen eine „Barbie-Taschenlampe“ auf ihrem Wunschzettel notieren. Und Jordan, der erst fünf Jahre alt wird und noch nicht schreiben kann, will seinen Wunschzettel malen. „Ich wünsche mir einen Roboter, der alles aufheben kann und immer mein Zimmer aufräumt. Dann muss das meine Mutter nicht mehr machen.“ Schmunzeln bei den Erwachsenen. Die weihnachtliche Vorlesestunde mit dem „Kurt“-Bewohner Hans Ismer ist ein Novum in der Kita in Überruhr, wenngleich es dort seit Jahren schon eine Vorlesepatin gibt, die einmal die Woche kommt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ältere Menschen von den Kindern sehr gut aufgenommen werden“, erläutert Kita-Leiterin Andrea Döpper. „Kinder sind die größten Kritiker. Wenn es denen nicht gefallen hätte, dann wären die einfach gegangen.“
Herbert Reinhardt, Sozialarbeiter im Kurt-Schumacher-Zentrum, hofft, dass aus der Vorlesestunde ein festes Kooperationsprojekt mit der Kita werden könnte. Und mit Hans Ismer hat Reinhardt einen echte Fachmann zum Vorleser erkoren. Der Senior hat nach seiner Frühpensionierung Germanistik an der Uni Essen studiert und damit einen Jugendtraum verwirklicht. Wie bei vielen Altersgenossen war auch bei Hans Ismer Abi­tur machen und Studieren einfach nicht drin. Er musste Geld verdienen, ging zur Zeche und brachte es dort bis zum Steiger. Als Mitte der 80er Jahre das Zechensterben seinen Höhepunkt erreichte, kam für den Essener der Vorruhestand. „Ich war 53 Jahre alt und fühlte mich noch gut. Ich dachte, die Zeit kann ich jetzt ausnutzen.“ Das Studium habe er „richtig genossen“. Jetzt bringt er sein Wissen auch im „Kurt“ ein. Dort hat er bereits eine Bibliothek eingerichtet und die Bände nach Themen geordnet. Außerdem gibt es seit einigen Monaten ein Literaturcafé, dem Bücherfan Hans Ismer natürlich auch angehört. Auf den Vorschlag von Andra Döpper und Herbert Reinhardt, die Vorlesestunde in der Kita Bulkersteig zu einer festen Institution zu machen, reagiert der Senior noch etwas zögerlich. Doch unverkennbar huscht ihm ein Lächeln übers Gesicht.Mal sehen, wie diese Geschichte ausgeht...

Autor:

Melanie Stan aus Essen-Ruhr

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