Guten Tag, Herr Düsentrieb - Projekt "Kinder für Technik begeistern" startet auf der Ruhrhalbinsel
In den meisten Industrieländern sinkt der Anteil technisch-naturwissenschaftlicher Hochschulabsolventen. Paradox, denn im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist unsere Welt - von der Industrieanlage bis hin zum Haushaltsgerät - immer technisierter geworden.
Den Fachkräftemangel beklagen auch Handwerksbetriebe, die Mühe haben, geeignete Auszubildende zu finden. „Wir brauchen nicht nur Leute, die schleppen, sondern auch denken können“, fasst Johannes Brauksiepe das Dilemma zusammen. „In den letzten Jahren ist einfach versäumt worden, das Handwerk attraktiv zu machen. Mittlerweile haben wir ausgefeilte Techniken und unterschiedlichste Materialien. Was die Mitarbeiter leisten müssen, ist enorm.“ Der Burgaltendorfer Traditionsbetrieb Brauksiepe führt Bad-, Heizungs- und Elektro-Installationen durch und Inhaber Johannes Brauksiepe ist einer der ehrenamtlich tätigen „Kümmerer“ eines ambitionierten Bildungsprojektes, das jetzt von verschiedenen Einrichtungen auf der Ruhrhalbinsel angestoßen wurde.
Die Initialzündung kam vom Pädagogen Rudolf Hahne, ursprünglich aus Überruhr, der sich seiner Wurzeln besann und die Idee von der praktischen Auseinandersetzung mit technischen und naturwissenschaftlichen Inhalten „ohne unnötigen theoretischen Ballast“ auf die Ruhrhalbinsel trug.
Unter dem Motto „Kinder für Technik begeistern“ soll Schülern und auch schon Kindergartenkindern ein handlungsorientierter Zugang zu naturwissenschaftlichen und technischen Themen geebnet werden. „Wir müssen den natürlichen Forscherdrang von Kindern zulassen und fördern“, so Hahne.
Bislang mit dabei sind der St. Suitbert-Kindergarten in Überruhr, die Grundschule Burgaltendorf und das Gymnasium Essen Überruhr (GEÜ). Die Realschule Überruhr, ohnehin schon eine MINT-Schule - das heißt mit besonderem Bildungsschwerpunkt in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - soll später ins Bildungsboot einsteigen. Finanzielle Unterstützung gibt es von der RWE Deutschland AG. Der Konzern könne sich aber durchaus vorstellen, das Projekt künftig auch inhaltlich zu unterstützen, wie Rainer Hegmann, Leiter der Hauptregion Rhein-Ruhr, anmerkt.
„Kinder sollen nicht nur Theorie lernen, sondern auch die Praxis“, ist Heinz-Dieter Schwarze überzeugt. Es sei von großem Wert, dass neue Technik so früh wie möglich in die Schulen hineingetragen werde. RWE-Regionalleiter Rainer Hegmann meint sogar, man müsse die Weichen für einen technisch-naturwissenschaftlichen Bildungsweg bis zum zehnten Lebensjahr stellen. „Ich bin selbst Ingenieur und kann sagen, es ist ein Weg, der Spaß macht.“
Mit Heinz-Dieter Schwarze hat das Bildungsprojekt einen weiteren engagierten „Kümmerer“ oder auch Paten gewonnen. Allerdings fungiert der Burgaltendorfer Lokalpolitiker in diesem Zusammenhang nicht in seiner Eigenschaft als Bezirksbürgermeister der Ruhrhalbinsel, sondern „als Privatmann und Opa“. „Mit den beteiligten Einrichtungen ist ein ‘Technikverbund Ruhrhalbinsel‘ entstanden“, so Schwarze. Inhaltlich gehe es darum, dass die Kinder verschiedener Altersstufen selbst experimentieren, Problemlösungen entwickeln und sich bei diesem weitgehend eigenständigen Lernen auch gegenseitig unterstützen.
Im GEÜ, dessen Erweiterungsbau nach seiner Fertigstellung den modernsten naturwissenschaftlichen Lehrtrakt unter allen Essener Schulen beherbergen wird, ist das Projekt seit Anfang des Schuljahres in Form einer Arbeitsgemeinschaft (AG) für die fünften Klassen installiert. Annelie Hegemann, Lehrerin für Mathematik und Physik am GEÜ, war gleich begeistert von der Idee und leitet die Arbeitsgemeinschaft, die aus 15 Jungen besteht. „Die Jungen haben sich natürlich gleich gemeldet. Es gibt aber auch schon die ersten Mädchen, die angefragt haben und auch in die AG wollen. Leider ist die zur Zeit voll, wir werden das Projekt aber vielleicht auch in den Unterricht integrieren, dann sind alle Schüler dabei.“
Um zu verhindern, dass nur Jungs an den Wasserkraftwerk-Modellen oder der Mini-Solaranlage schrauben, hat man das Projekt an der Grundschule Burgaltendorf direkt ins Schulprogramm aufgenommen. „Wenn man früh genug anfängt, dann sind auch die Mädchen zu begeistern“, ist Holger Papieß, Leiter der Grundschule Burgaltendorf, überzeugt und freut sich über den Vorstoß, denn „das Thema Technik ist in Grundschulen leider bislang wenig praktisch umgesetzt worden“. Noch vor den Osterferien sollen die Mädchen und Jungen des dritten und vierten Schuljahres im Rahmen von Projekttagen z.B. Haus-, Bagger- und Kranbausätze oder Metallbaukästen und Elektronik-Boxen in die Hände bekommen und in verschiedenen Lern-Stadtionen weitgehend eigenständig Lösungen finden.
Und wie gefällt diese naturwissenschaftlich-technische „Bildungsoffensive Ruhrhalbinsel“ den Kindern? „Sehr gut“, meint Niklas (5. Klasse, GEÜ), und wendet seine Aufmerksamkeit kurz von seinem Projekt ab - einem Holzbagger, dessen Schaufel über eine Spritze und Schläuche mit Luftdruck betrieben wird. „Wenn man Wasser in die Spritze füllt, funktioniert‘s aber noch besser“, hat der Nachwuchs-Tüftler selbst herausgefunden. Am Nebentisch widmen sich Jona und Timon der Elektronik eines solarbetriebenen Modell-Hubschraubers. Ebenfalls „sehr gut“ und vor allem „spannend“ findet der Fünftklässler Timon die AG. „Ich habe hier schon viele neue Sachen kennengelernt. Man lernt hier schon fürs Leben!“
Zum weiteren Ausbau des Projektes „Kinder für Technik begeistern“ wird weiterhin Geld benötigt. Wer finanzielle Unterstützung leisten möchte, wendet sich an die jeweiligen Einrichtungen (Suitbert-Kindergarten, Grundschule Burgaltendorf, GEÜ oder Realschule Überruhr) bzw. deren Fördervereine.
Alternativ kann man auch das Schulamt kontaktieren unter Tel.: 0201/88 40 302/303.
Autor:Melanie Stan aus Essen-Ruhr |
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