"Essen ist mehr als Krupp und Bergbau!

Schummriges Licht, andächtige Stille. Rechts und links nichts als Splitter, Schutt und Steine. Eine Menschentraube, bestehend aus rund 30 Überruhrern, hält vor einer Vitrine inne, in der sich Teile der alten Stadtmauer befinden. Sie alle nehmen an einer kostenlosen Sonderführung durch die Ausstellung der archäologischen Fundstücke des Jahres 2010 teil.

Seit dem 24. Januar 2011 ist die Ausstellung „Stadtarchäologie 2010“ im Rathaus der Stadt für Besucher geöffnet.. Bis zum 18.Februar wird hier ein repräsentativer Einblick in die aktuelle Arbeit der Stadtarchäologie gegeben.
Die Funde 2010 bieten neben Zeitzeugen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit auch Dinge aus persönlichen Haushalten, wie Bestecke und Sammeltassen, die auf die Lebensweisen der Menschen damals hinweisen.
Essens einziger Archäologe Dr. Detlef Hopp führte durch die Ausstellung und gab zusätzlich einen Überblick über archäologische Funde in Überruhr.
Unter den Ausstellungsstücken befinden sich Münzen, eine chinesische Vase und Fragmente von Glasschalen, die daraufhinweisen , dass in der Zeit um 800 erste Glasverarbeitungen in Essen stattfanden. So erzählen viele der Objekte der Ausstellung mehr, als man auf den ersten Blick erahnen kann. Den Großteil der Fossilien und Gegenstände kam durch Bauarbeiten und Umgrabungen zu Tage, oftmals zufällig. Besonders ertragreich war die Auffüllschicht aus Kriegschutt der Essener Innenstadt.
„Wissen geht leider sehr schnell verloren, wo Zeitzeugen fehlen, müssen wir mit der Hilfe der Funde die Vergangenheit rekonstruieren.“, erläutert der seit 1989 in Essen tätige Stadtarchäologe Hopp.
Die einzelnen Mosaiksteine fügten sich nach den Untersuchungen der insgesamt 90 wiederentdeckten Fundstellen zusammen und lassen somit Stadtgeschichte wieder aufleben.
„Archäologie kann Bausteine liefern, die den Historikern beim Aufschlüsseln der Vergangenheit nützlich sind.“ So lassen beispielsweise in Hinsel gefundene Importgüter wie Bronzen darauf schließen, dass hier damals Wohlstand herrschte. So auch in Burgaltendorf, wo man Kohle aus dem vierten Jahrhundert ausgrub, die zum Schmelzen von Eisen verwendet wurde.
Der Vorsitzende des Überruhrer Bürgerschafts e.V. Norbert Mering leitete die Sonderführung in die Wege. Er kennt Hopp schon seit 20 Jahren und meint, Essen muss sich in Sachen Kultur nicht verstecken. „Wir haben soviel Geschichte zu bieten, wie man ja auch hier in Ausstellung sehen kann. Essen ist einfach mehr als Krupp und Bergbau.“, so der Historik-Fan. Sein Affinität zur Archäologie entdeckte er durch einen Zufall. Bei Arbeiten in einem Waldstück fand er eine Münze aus den 20er Jahren, auf der stand „Sich regen bringt Segen“. Seitdem ist er überzeugt, dass Kulturförderung, besonders stadtgeschichtlicher Art, besonderes Engagement verdient hat.
Und es lohnt sich, wie die Ausgrabungen von Fossilien zeigen, die bis dato nicht genauer bekannt waren. So fanden die Forscher noch unbestimmte Muschelarten, die neue Erkenntnisse in der Meeresforschung geben können.
Wen jetzt die Lust packt, selbst als Hobby Archäologe Ausgrabungen zu tätigen, sei gewarnt: „Sondengänger dürfen nur mit Grabungserlaubnis Funde orten und ausgraben.“, erklärt Hopp. Generell sieht Hopp es eher problematisch, dass immer mehr Menschen auf eigene Faust nach Fundstücken aus einer vergangenen Zeit suchen. „Für die Wissenschaft sind die Hobby-Archäologen eher eine Gefahr. Alle Funde müssen angezeigt werden, jedoch geschieht dies in den seltensten Fällen. So gehen oft wertvolle Objekte für immer verloren.“

Autor:

Niklas Cordes aus Essen-Ruhr

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